Seine Auslegung der Sonntagslesung (Ex 19, 2-6) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir unter die Überschrift „Ausruhen und Weitergehen“.

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

Das Volk Israel ist mit Mose unterwegs in der Wüste, so haben wir es gerade in der Lesung gehört.

Auch, wenn die wenigsten von uns schon mal in einer Wüste waren, wir alle kennen das Gefühl, wie in einer Wüste zu sein: Die Betonwüste einer Großstadt zum Beispiel oder auch die Lebenserfahrung des Verloren-seins gleichsam wie in einer Wüste. Sehnsüchtig und irgendwie automatisch sucht man in solchen Situationen, geplagt von Hunger und Durst körperlicher und auch seelischer Art, einen geschützten Platz, der sengenden Hitze und der stechenden Sonne ausweichend. Eine Oase, einen Schattenplatz, kühlendes und erfrischendes Wasser, ein kleines Zuhause-Sein…

Unzählige Menschen kennen das auch heute wieder, Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror, Armut oder sonst welchen Gründen.

Auswandern, genau das bedeutet das Wort „Exodus“. Ein ganzes Buch in der Bibel berichtet davon.

Es zeigt uns an der Geschichte des erwählten Volkes Gottes, dass auch wir immer wieder „weiter müssen“. Wir können es uns, wenn überhaupt, nur auf Zeit in vorübergehenden Bleiben einrichten. Aufhorchen lässt mich die Beschreibung, dass das Volk Israel in der Wüste ein Lager aufschlägt und zwar gegenüber dem Gottesberg.

Gerade in den Wüsten unseres Lebens benötigen wir einen tieferen Sinn, einen Halt, eine Vision, ein Ziel, ein Gegenüber.

Gott kommt mir in den Wüstenerfahrungen meines Lebens besonders nahe, ich darf ihm gegenüber mein Leben und meine Fragen ausbreiten wie in einem Lager.

Gerade in den Wüsten unseres Lebens sind wir herausgefordert, uns nach unserer Beziehung zu Gott zu fragen. Was will mir Gott in und durch meine Lebensgeschichte sagen? Wie zeigt sich mir Gott in den Stunden meines Glücks, wie in den Zeiten der Ratlosigkeit, der Not und des Leidens? An welchen Gott glaube ich überhaupt?

Der biblische Gott führt sein Volk immer wieder dann in die Wüste, wenn es Ihn zu vergessen droht, wenn es Ihm untreu geworden ist oder wenn es sich aus was für Gründen auch immer von ihm entfernt hat.

Im heutigen Lesungstext bringt sich Gott als der Befreier in Erinnerung, wenn er dem Volk in der Wüste durch Mose sagen lässt: „Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie Ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu Mir gebracht habe.“

Inwieweit erfahre ich als Mensch und als Christ die Erinnerung an das Tun Gottes in meinen Wüsten und Oasen, in meinem Suchen und Finden als Befreiung? Sehe ich immer nur die paar Meter vor meinen Augen oder weiß ich vom ganzen Weg, den der Herr, mein Gott, mich bisher geführt hat? Wo ist mein Ziel und wie finde ich den Weg dorthin?

Die Erinnerung an das zum Leben befreiende Handeln Gottes wird in der Lesung mit dem faszinierenden Bild von Adlerflügeln ausgemalt (vgl Dtn 32,11; Ps 103,5). So wie die Adler ihre Jungen zunächst im Nest füttern und versorgen, so kommt der Tag, da die jungen Adler ihre Angst überwinden und das Fliegen lernen müssen. Entweder schubsen die Alten ihre Jungen aus dem Nest oder sie locken sie mit Futter aus der vermeintlichen Bequemlichkeit. Und dann begleiten sie sie auf den ersten Flügen, um sie notfalls mit ihren starken Flügeln auffangen zu können. Das sieht aus wie eine Zumutung, wie eine Überforderung, aber wie anders können die Jungadler entdecken, wozu sie bestimmt sind?

Es ist für unsere Lebens- und Glaubensgeschichte notwendig und hilfreich, immer wieder ein Lager gegenüber dem Gottesberg aufzuschlagen, sich gleichsam im Austausch mit Gott zu besinnen, sich zu erinnern und neu zu visionieren, wie und wo Gott rettend in unserem Leben erfahrbar war.

Nach den Wirren und Zerstörungen des dreißigjährigen (!!!) Krieges hat  zum Beispiel der evangelische Dichter Joachim Neander den Text des Liedes „Lobe den Herren“ geschrieben. Darin greift er das Bild vom Adlerspruch auf und wendet es auf die von der Not des Krieges Gezeichneten an: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet …“

Auf den Wegen des Lebens, nicht zuletzt in der Erfahrung der Wüste, kommt es darauf an, den richtigen Blick einzuüben: Von sich weg und von seinen Problemen. Einen Rückblick auf gut Erfahrenes in der Vergangenheit, einen Überblick, um Kräfte zu bündeln und neu zu schöpfen und einen Ausblick, um eine Neuorientierung zu finden wieder in Richtung Leben, Sinn, Gemeinschaft und Liebe. Amen.

Anbei das von Pater Kreitmeir angesprochene Lied „Lobe den Herren“: