Pater Christoph Kreitmeir: „Ich bin überzeugt, dass Gott uns auch heute immer wieder Anfänge des Heils schenkt“

 

In seiner Predigt an Mariä Lichtmess (Lesung: Mal 3, 1-4; Evangelium: Mt 2, 1-12) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, was wir im Evangelium von zwei alten Menschen, Simeon und Hanna, lernen können.

 

Anbei die Worte seiner Predigt:

 

In Israel gab es zu jener Zeit den Brauch, dass der älteste Sohn einer Familie in besonderer Weise Gott geweiht wurde. So brachten auch Maria und Josef Jesus in den Tempel nach Jerusalem. Das Volk wartete damals sehnsüch­tig auf den Erlöser, den Messias, den die Propheten verheißen hatten. Nur wenige wussten, dass Israels Hoffnung sich schon erfüllt hatte, nämlich die Hirten und die Weisen aus dem Morgen­land, die der Stern nach Betlehem geführt hatte …

Als nun Maria und Josef mit Jesus den Tempel betraten, da kam ihnen Simeon, ein alter Mann, entgegen; er war gerecht und fromm. Heutzutage erleiden viele hochbetagte Menschen Demenz oder Alzheimer. Diese Krankheiten vernebeln den Geist und verändern die Persönlichkeit. Simeon war auch alt aber geisterweckt. Wie ein Blitz traf ihn die Erkenntnis: Dieses Kind ist der erwartete Messias, der Heiland.

Und allen, die im Tempel beteten, rief er zu: Ich sehe das Licht, auf das wir gehofft haben; Gott hat uns den Retter gesandt, der un­sere Dunkelheit hell macht!

So ist Christus zum ersten Mal seinem Volk begegnet. In der Ostkirche heißt der heutige Tag deshalb: Fest der Begegnung.

Ähnlich ist es mit der alten Frau Hanna, die als Witwe sich sehr viel im Tempel aufhielt. Das gab ihr ab und zu Almosen, vor allem aber gab es ihr innere Heimat. Alter wird nicht selten mit Vereinsamung, Einschränkung, dadurch Beschränktheit und somit einen gewissen Starrsinn verbunden.

Simeon und Hanna werden durch ihren gelebten Glauben davor bewahrt, der sie immer wieder Ausschau nach Hoffnung und Zukunft halten lässt. In Jesus finden sie die Antwort auf ihr Suchen und ihre Sehnsucht.

In jeder heiligen Messe singen und beten wir miteinander, wir hören das Wort Gottes und feiern das Mahl, zu dem er uns ein­lädt. Jedes Mal kommt dann Jesus auch in unsere Mitte. An Mariä Lichtmess dauert das Tageslicht schon eine Stunde länger als zur Wintersonnenwende am 21. Dezember! Die Kerzen, die heute eine besondere Rolle spielen, sollen ausdrücken: Wir freuen uns über das stärker werdende Licht der Sonne, wir sind aber vor allem bereit, das wahre Licht zu empfangen, das Gott uns schenken will.

Es fasziniert mich immer wieder, wenn ich die Geschichte der beiden alten Men­schen höre, die in der Erzählung des heutigen Evangeliums dem Kind Jesus be­gegnen:

Simeon und Hanna, zwei alte Menschen, die loslassen können.

Simeon drückt es mit folgenden Worten aus: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen.“

Und was hat er gesehen? Ein Kind! Dieser Simeon, der so viel Sehnsucht nach dem Heil durch sein Leben getragen hat, spürt, dass sich in diesem Kind seine Sehnsucht erfüllt. Dazu braucht es eine besondere Wahrnehmung, im Keim schon die Frucht, im Kleinen schon das Große zu sehen. Wie sonst sollte er im Kind Jesus den Anfang des Heils erkennen?

Im Alten Testament finden wir eine Stelle im Buch Deuteronomium, welche eine Erkenntnis aussagt, die uns allen in dieser schnelllebigen, hektischen und vor allem nicht selten geschichtsvergessenen Zeit wieder gut tun würde: „Denk an die Tage der Vergangenheit, / lerne aus den Jahren der Geschichte! / Frag deinen Vater, er wird es dir erzählen, / frag die Alten, sie werden es dir sagen.“ (Dtn 32,7)

Das würde uns nicht nur gut tun, es würde uns vor Fehlern bewahren.

Das Wissen der Alten wieder neu wertschätzen, sich mit ihnen austauschen, den Wert ihrer Erfahrungen zum eigenen Wegweiser zu machen, das kann nicht nur Licht in unser Leben bringen, es schenkt inneren Frieden und Seelenkraft.

Dass die Großeltern ein großer Schatz für die Familien sind, betonte Papst Franziskus bei seiner Audienz am 27. April 2024 in Rom. Er wandte sich direkt an die Enkelkinder und sagte: „Eure Großeltern sind das Gedächtnis einer Welt ohne Gedächtnis. Hört auf sie, vor allem, wenn sie euch mit ihrer Liebe und ihrem Zeugnis lehren … Die Älteren sehen weit, weil sie so viele Jahre gelebt haben und so viel zu lehren haben: zum Beispiel, wie hässlich der Krieg ist. Sucht eure Großeltern auf und grenzt sie nicht aus. Lernt Weisheit aus ihrer starken Liebe, aber auch aus ihrer Schwäche, die ein ´Lehramt´ ist, das ohne Worte lehren kann, ein wahres Gegenmittel gegen die Verhärtung des Herzens …“ (Quelle: vaticannews.va)

„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden, denn meine Augen haben das Heil gesehen.“ … „Frag die Alten, sie werden es dir erzählen …“

Ich bin überzeugt, dass Gott uns auch heute immer wieder Anfänge des Heils schenkt – oft ganz klein und unscheinbar.

Wir dürfen unsere Wahrnehmung hier wieder schulen, damit Licht, Hoffnung, Zuversicht und Tatkraft in unserem Leben wieder zunehmen. Amen.

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es auf seiner Webseite unter:

www.christoph-kreitmeir.de