Pater Christoph Kreitmeir: „Jesus nimmt unser Aufbrechen und Suchen wahr“
In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mk 5,21-24.35-43) erklärt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, was die Geschichte von der Totenerweckung für unser Leben heute bedeuten kann.
Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:
Was für eine Geschichte, die wir eben gehört haben! Ein Vater muss miterleben und miterleiden, dass seine Tochter im Sterben liegt. Ein liebender Vater versucht irgendwie alles, damit sie nicht sterben muss. Und so macht sich dieser Mann auf den Weg zu Jesus, von dem er wohl schon einiges gehört hat. Der hat Wunderkräfte, der muss uns helfen. Und in seiner Not findet er Jesus, wirft sich ihm zu Füßen und bringt sein so drängendes Anliegen vor. Jesus hört, sieht und handelt – er geht mit ihm zu dessen Haus.
Unterwegs ereilt sie die Botschaft, dass das Kind gestorben ist. Jairus, so heißt dieser Vater, soll Jesus nicht weiter behelligen…
Das kann doch nicht wahr sein, das Kind ist tot, Jairus ist am Boden zerstört. Diese Erfahrung gehört wohl zu den Schlimmsten, die ein Mensch machen muss. Das eigene Kind stirbt und ist tot. Ein Kind ist nicht nur Fleisch und Blut von einem selbst, es ist einem an’s Herz gewachsen und es ist irgendwie auch die Zukunft der Familie.
So eine Hiobsbotschaft, so eine Unglücksbotschaft zieht einem den Boden unter den Füßen weg, nimmt einem Kraft und Mut.
Auch hier ist es Jesus, der den Glauben des Vaters weiter stützt und mit diesen Worten Wind in die durch Tod und Trauer erschlafften Segel bläst: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“
Jairus, der vom Schicksal geschlagene Vater, hatte alles versucht, um sein Kind lebendig zu erhalten. Er ist ein Synagogenvorsteher, ein Mann, der sich nicht nur in seinem Glauben und in religiösen Riten auskennt, sondern der selbst ein gläubiger Mensch ist. Sein Glaube ist normalerweise ein starker, jetzt ist er erschüttert. Und Jesus sagt: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“
Jesus will ein Zeichen setzen, das zeigen soll, dass Glaube stärker als Not, Verzweiflung, ja sogar Tod ist.
Die immer wieder erwähnte Menschenmenge, Menschen also, die den Wunderheiler am Werk sehen wollen, die vielleicht sensationslüstern oder einfach nur neugierig sind, werden Jesus gegenüber sogar unverschämt. Weil er sagte, dass das Mädchen nur schlafe, lachten sie ihn aus. Sie werden von Jesus in die Schranken verwiesen: Bei der Begegnung Jesu mit dem toten Mädchen dürfen nur dessen Eltern und die drei Jünger mitgehen, die immer wieder bei ganz besonderen Begebenheiten dabei sind: Petrus, Jakobus und Johannes.
Die Totenerweckung, die Rückrufung des Mädchens in dieses Leben mit den Worten „Talita kum – Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ ist unglaublich und löst bei den Menschen Fassungslosigkeit und Entsetzen aus. Welche Wirkung sie auf die Eltern des Kindes und seine drei Jünger hatte, wird interessanterweise nicht erwähnt. Wir können nur ahnen, was sie fühlten: Unendliche Dankbarkeit bei den Eltern, Erfüllung ihres Vertrauens in Gott und Ehrfurcht vor diesem Geschehen. Seine Jünger wurden obendrein innerlich in ihrer Nachfolge dieses besonderen Rabbis mit neuem Elan gestärkt.
Und das Mädchen? Was ist aus ihm dann geworden? Auch dies bleibt unerwähnt und lässt uns nur ahnen, was sie aus ihrem wieder gewonnenen Leben gemacht hat. Ist sie vielleicht Jesus nachgefolgt?
Welchen Gewinn können wir aus dieser wunder-vollen Geschichte für unser Leben und Glauben bekommen?
Ein mir bekannter spiritueller Begleiter sagte vor kurzem einen Satz, der hier für Jairus und auch für uns seine Gültigkeit hat: „Wenn Du wissen willst, was Gott von Dir will, dann musst Du wissen, was Du selbst willst.“
Wer nichts will, der muss sich auch nicht wundern, wenn er nichts bekommt! Wer sich nicht auf den Weg macht, der muss sich nicht wundern, wenn er äußerlich und auch innerlich stehen- und steckenbleibt! Wer eine Treue im Glauben lebt – und das ganz besonders in schweren Zeiten – , der kann überraschende und aufbauende Entwicklungen in seinem Leben erfahren!
Jesus nimmt unser Aufbrechen und Suchen wahr.
Er lässt sich bitten und macht sich mit uns auf den Weg und verändert somit das uns auferlegte Schicksal.
Jesus kann das!
Er tut dies aber nicht in Selbstdarstellung oder mit Showeffekten, nein, er vollzieht den Wandel vom Tod zum Leben im Beisein der Betroffenen und seiner besonderen Schüler.
Die Gaffer, Neugierigen und immer etwas Besonderes Suchenden, die ihn auslachen, weist er in die Schranken und stellt sie damit außerhalb des Eigentlichen. Sie waren bei der Erweckung nicht dabei und sehen nur das Ergebnis. Sie erfahren keine eigene innere Erweckung und reagieren deshalb entsetzt und fassungslos.
Gott und Gottes Handeln wird heute bezweifelt, ausgelacht und ins Lächerliche gezogen. Gott handelt trotzdem.
Der draußen vor der Tür, der welcher nicht existenziell betroffen ist, der reine Beobachter erfährt keine innere Wandlung, der Glaubende und Gläubige aber schon.
Mit Jesus ist das Reich Gottes bereits angebrochen, Gott hat Gutes mit den Menschen im Sinn und führt jeden zu neuem Leben, der sich ihm im Glauben zuwendet.
Amen.