Pater Christoph Kreitmeir: „Selbstliebe lässt sich lernen“

 

In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mt 22, 34-40) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir in besonderer Weise.

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. … und … Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Dies ist die Antwort Jesu auf die Frage, welches Gebot im Gesetz denn das wichtigste sei? Als allererstes die Gottesliebe, dann die Nächstenliebe wie die Selbstliebe, die jahrhundertelang als versteckter Egoismus übersehen, wenn nicht sogar verteufelt wurde.

Unendlich viel wurde schon über diese Worte Jesu gepredigt. Ich möchte heute mein Augenmerk auf die Selbstliebe lenken.

Selbstliebe, Selbstmitgefühl, Selbstfürsorge, Selbstrespekt und Selbstfreundschaft sind moderne Bezeichnungen für die Kunst, sich selbst annehmen, mögen und lieben zu lernen.

Wer rechtzeitig lernt, mit seinen Unzulänglichkeiten und seinem Nicht-perfekt-sein zurecht zu kommen, wer Selbstfreundschaft mit sich einübt, der wird gelassener, zugänglicher für das Glück auf dem Weg und auch im Umgang mit anderen entspannter.

Einem Nahestehenden zeigen wir meist wie selbstverständlich und auch gerne Trost und Nähe, wenn es ihm schlecht geht. Tun wir das auch uns selbst gegenüber? Eher weniger. Warum ist das so? Nicht selten geschieht Selbstabwertung oder die Konzentration auf unsere Unzulänglichkeiten.

Selbstliebe fällt vielen schwer. Sie sehen fast nur ihre Fehler, Unzulänglichkeiten und Makel. Die daraus resultierenden hohen Erwartungen und Vergleiche mit anderen machen alles nur komplizierter.

Die gute Nachricht ist: Selbstliebe lässt sich lernen.

Ganz leicht ist das allerdings nicht, denn oft ist das schlechte Bild, das wir von uns haben, tief verankert und antrainiert.

In einem gut besuchten Vortrag von mir mit dem Thema „Gut zu sich selbst sein“ biete ich 10 Tipps an, wie man Selbstfreundschaft und Selbstliebe lernen kann. In dieser Predigt möchte ich diese Tipps in Stichpunkten nur andeuten:

  1. Lächele dich an
  2. Mach Gutes zu deinem täglichen Begleiter
  3. Lass die Vergangenheit hinter dir
  4. Lerne zu verzeihen!
  5. Konzentrier dich auf Positives
  6. Dankbarkeit hilft bei der Selbstliebe
  7. Hör auf, dich mit anderen zu vergleichen
  8. Es muss dich nicht jeder gut finden
  9. Tu, was du liebst
  10. Sei mutig

Wer diese inneren Einstellungen einübt und sich zu eigen macht, der wird im Laufe der Zeit nicht nur mit sich selbst und seinen Mitmenschen besser auskommen (Stichwort: Selbst- und Nächstenliebe), er wird in seiner Spiritualität und seiner Gottesliebe auch wachsen.

Ganz konkret möchte ich hier eine Erfahrung aus meiner Seelsorgetätigkeit beisteuern. Eine reifere Frau musste über eine längere Zeit erfahren, dass ihr Gesamtzustand immer brüchiger wurde. Die sonst sehr lebenslustige und zupackende Frau konnte kaum noch gehen, das Sehen nahm rapide ab und ihr Gemütszustand verdunkelte sich zunehmends. Ein Klinikaufenthalt wurde notwendig. Nach längerem Suchen wurde Borreliose diagnostiziert und soweit es ging mit Medikamenten behandelt. Über 12 Wochen durfte ich sie während ihres Klinikaufenthaltes und auch in der Reha neben der Klinik seelsorgerlich begleiten.

Viele Monate später war es ihr und auch ihrer Familie ein Herzensanliegen, ihre Dankbarkeit Gott und der Gottesmutter Maria gegenüber mit einem „Marienmarterl“ – siehe Foto – auszudrücken. Dieses Marterl durfte ich vor kurzem mit einer Gemeinschaft von 60 Menschen segnen.

Eine der Töchter dieser Frau schuf die Darstellung der Jungfrau, der jungen Frau Maria, die ganz bewusst ohne Gesicht dargestellt ist. Ihr Gesicht will unser Gesicht sein. Die Künstlerin gab mir ihre Beschreibung dieses gelungenen modernen Glaubenszeugnisses weiter, das gleichzeitig auch ein weiterer, ein spiritueller Tipp sein will, wie man zu gelungener Selbst-, Nächsten- und Gottesliebe gelangen kann.

Wenn Du möchtest, dann kannst du in Gedanken oder mit deinem ganzen Körper die Haltung der Mariendarstellung nachempfinden:

Du stehst fest auf dem Boden.

Die linke Hand wie eine Schale vor Deinem Bauchnabel:

Was ist IN Dir, woraus schöpfst Du?

Die rechte Hand hältst Du neben deinem Körper. Sie bildet auch eine Schale. Sie ist offen, etwas von Gott zu empfangen.

Marias Botschaft

Du trägst den göttlichen Funken in dir.

Erinnere Dich an die Kraft, die in dir ist.

Deine Selbstheilungskraft.

Und: Du empfängst die Kraft, die vom Himmel kommt.

Sie macht dich stark.

Mitten im Mosaik deines Lebens begegne ich dir.

Spiegelscherben, eine Schneckenmuschel mit Loch, Muscheln,

bunte Steine aus dem Meer. Das Leben hat sie gebeutelt und geschliffen.

Gebet:

Mutter Maria, ich bitte Dich,

dass ich in das Gleichgewicht

von Körper, Geist und Seele finde

und mit Deiner göttlichen Energie

versorgt werde. Amen

Fotos: Christoph Kreitmeir

Text zum Marienmarterl: Elisabeth Engelbrecht