Pater Christoph Kreitmeir: „Wir dürfen die Freundschaft mit Gott immer mehr einüben“

 

In seiner Auslegung zur Lesung (Gal 3, 26-29) und zum Evangelium (Lk 9, 18-24) am heutigen Sonntag ermutigt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir der Frage nachzugehen: „Für wen hältst du Jesus?“

 

Anbei die Worte der Predigt von Pater Kreitmeir als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Jesus stellt seinen Jüngern im Evangelium heute eine wichtige Frage, mit der sie sich persönlich auseinandersetzen müssen: „Für wen halten mich die Leute?“ Es folgen dann verschiedene Antworten, das halt, was die Jünger so von den Leuten mitbekommen haben.

„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Petrus gab daraufhin ein christologisches Bekenntnis ab, er offenbarte damit seinen Glauben, dass Jesus der Christus, der Erlöser sei. Aus was für Gründen auch immer befahl (!) ihnen Jesus dann, dies niemandem zu sagen. Ich möchte hier nicht auf die eventuellen Gründe eingehen, sondern eher der Frage nachgehen: „Für wen hältst du Jesus?“

Lassen wir uns mal gut Zeit, damit diese Frage uns in unserem Inneren erreichen kann.

In einem kleinen theologisch-spirituellen Austausch mit meinem Kollegen in der Klinikseelsorge sprachen wir über die Notwendigkeit, dass in Zeiten schwindender Kirchenbindung und verschwommener Gottesvorstellungen die Kirche einerseits klare Glaubensvorgaben geben muss, andererseits aber jedem einzelnen Gläubigen die Chance geben soll, seinen Weg mit Gott und zu Gott zu finden. Dabei fanden wir Aussagen des Freiburger Fundamentaltheologen Magnus Striet wirklich interessant, die wir gefunden hatten. In einem Artikel zitiert dieser den während des zweiten vatikanischen Konzils theologischen Berater Joseph Ratzinger mit folgenden Worten: „Es sollte vielleicht auch stärker, als es gemeinhin geschieht, eine innerkirchliche Toleranz geben, die nicht versucht, die eigene Form dem anderen unter allen Umständen aufzuzwingen, sondern die legitime Möglichkeit anderer Wege und Weisen der Frömmigkeit zuläßt und nicht meint, für jeden müsse alles passen oder alle müßten für das gleiche geschaffen sein.“ 

Auch wenn diese Ansicht sich beim späteren Kardinal und dann auch Papst geändert hat, sie gilt, denn das Leben kann einen manchmal schon zum Schlucken bringen … und zu tieferen Fragen und zu Zweifeln. Es kann uns auch dazu verführen, unser Gottesbild nach einem „Wünsch-Dir-was-Gott“ zu gestalten und einem Glauben, der allen Schwierigkeiten ausweichen will.

Die Frage, wer Jesus für uns ist, kann an den Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt, aber nicht vorbeigehen. Das hat Jesus deutlich gezeigt in seinem Leben, seinem Wirken und auch seinem Leidensweg, auf den er in der heutigen Evangelienstelle auch deutlich hinweist.

Wer Jesus nachfolgen will, wer, so heißt es ja ausdrücklich, „hinter Jesus hergehen will“, dem bleibt es nicht erspart, durch Dick und Dünn zu gehen!

Es bleibt ihm nicht erspart, dunkle und gefahrvolle Wege zu gehen. Krankheiten, Schmerzen, Ängste, Sorgen und vieles mehr sind und bleiben Teil unseres Lebens.

Für Gott ist es keine Frage, in all dem in Jesus uns voran zu gehen und an unserer Seite zu sein. Die Frage ist nur: Sind wir in all dem an der Seite Gottes. Trauen wir ihm zu, dass er mit uns durch Dick und Dünn geht? Wollen wir einen solchen Gott überhaupt?

Wenn mir der Schönwettergott lieber ist, bei dem ich nur mit dem Finger zu schnippen brauche, und alles ist gut – ist das wirklich so? – , dann bin ich bei dem Gott, von dem Jesus erzählt, falsch. Und dann bin ich auch bei Jesus falsch.

Der Gott, von dem Jesus erzählt, ist nicht der Erfüllungsgehilfe unserer menschlichen Wünsche oder Erwartungen, nicht der Neunmalkluge, der immer schon wusste, wie Leben geht, nicht der, der Leben von oben herab betrachtet.

Der Gott und Vater des Jesus von Nazareth ist am Leben der Menschen interessiert, so interessiert, dass er ganz auf Augenhöhe mit diesem Leben geht, dass er sich selber auf dieses Leben einlässt – mit allem, was dazu gehört.

Sich auf den anderen einlassen, so wie er ist, mit allem, was dazu gehört, sich einlassen auf seine Freuden und seine Hoffnungen, sich einlassen auf seine Ängste und seine Zweifel – so muss Freundschaft sein.

Und wenn wir unseren Glaubenshorizont immer wieder weiten, dann können wir die ganze Fülle der Offenbarung Gottes nach und nach entdecken.

Wir dürfen die Freundschaft mit Gott immer mehr einüben und dabei staunen, was diese Freundschaft alles ermöglicht und wie gut sie unserem Leben tut.

Das kann und will unsere Aufgabe im Hinterhergehen von Jesus, in der Nachfolge Jesu durch Dick und Dünn sein. Anstatt am Leben immer fest­zu­hal­ten zu müssen, fin­det es den Sinn im Los­las­sen. Es braucht nicht ein immer Mehr an Selbst­ver­wirk­li­chung. Es braucht ein: Sein Kreuz anneh­men und hin­ter Jesus her­ge­hen. Das über­for­dert nicht. Jesus spricht sogar von der leich­ten Last (Mt 11, 28-30). Wir sind ja nicht allein in der Spur Jesu, wir dürfen gemeinsam in seinen Fußspuren gehen, wie der heilige Franz von Assisi immer wieder sagte. Amen.

Quelle: Der Sprung in die Gegenwart, Vierzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von Magnus Striet, in:          59. Jahrgang – 30. September 2007 – Freiburg, https://web.archive.org/web/20070927175551/http://www.christ-in-der-gegenwart.de/aktuell/artikel_angebote_detail?k_beitrag=904410

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es auf seiner Webseite unter:

www.christoph-kreitmeir.de