Anbei die Auslegung von Pater Christoph Kreitmeir zu Matthäus 4,12-23 als Audio-Datei und anschließend im Textformat:
Zwei gute Bekannte von mir erzählten mir innerhalb der beiden letzten Wochen, dass sie missionarische Werbung bekamen. Die eine Bekannte fand einen Brief in ihrem Briefkasten vor, der nach dem Öffnen einen handgeschriebenen Text zeigte, in dem zu einem Austausch über Gott eingeladen wurden. Sie zeigte mir diesen Brief, was gut war, denn der angegebene Absender war die Adresse des Königreichsaales der Zeugen Jehovas in unserem Stadtteil. Handgeschrieben und freundlich – da hat sich jemand Mühe im Einsatz für seinen Glauben gemacht.
Ich kann nur hoffen, dass niemand diesen Einladungen, die vielfach versandt wurden, gefolgt ist. Zuerst freundliche Begegnungen und Interesse an einem ändern sich im Laufe der Zeit in religiöses Pflichtprogramm mit Angstinhalten und Forderungen.
Die andere Bekannte schickte mir die Tage ein WhatsAppFoto von einer Werbung mit der Aufschrift „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“ Dieser schön aufgemachte kleine Prospekt war hinter dem Scheibenwischer ihres Autos angebracht. Ganz klein gedruckt konnten wir dann auf der Rückseite die Adresse eines Vereines zur Verbreitung der Heiligen Schrift ausmachen. Das, was darin zu lesen war, empfand ich eher als abstoßend, was ich bei diesem wichtigen Thema dann echt schade fand.
Was ist da los in unserer Stadt? Und wahrscheinlich auch in anderen Städten.
In unsicheren Zeiten, wie wir sie seit einiger Zeit wieder erleben, befällt einen schon mehr oder weniger das Gefühl der Angst, des Unwohlseins, der Suche nach Beruhigung, Ablenkung … oder vielleicht auch nach Tieferem, wie Gottes Schutz oder Fragen nach einem Wohin?, einem Sinn, einem Himmel, einer Ewigkeit.
Im heutigen Evangelium hören wir von Jesus, wie er nach und nach öffentlich auftrat, den Menschen verkündete „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ und seine ersten Jünger berief. Er tat dies nicht durch Briefe oder Flyer hinter Windschutzscheiben, er tat dies durch sein authentisches Auftreten, die Art, wie und was er redete und vor allem durch seine Ausstrahlung. Die muss wirklich außergewöhnlich gewesen sein, wenn gestandene Berufsfischer nach seinem Ruf alles stehen und liegen ließen und ihm in die Unsicherheit eines Wanderpredigerlebens folgten.
Ich stelle mir vor, wie das heute wäre. Würde Jesus wirklich die Menschen zur Umkehr bewegen können? Würde seine Ankündigung des nahen Himmelreiches heute überhaupt noch irgendjemand interessieren? Und könnte er heute Menschen, Frauen und Männer, die mitten im Leben stehen, dazu bewegen, alles aufzugeben, umzukehren, mit ihm zu gehen und dadurch ihr Leben radikal zu ändern?
Ich habe, und das erschreckt mich fast ein wenig, da gehörige Zweifel.
Man sieht es ja, dass Ordensgemeinschaften und Priesterseminare keinen bis fast keinen Nachwuchs haben. Als ich vor knapp 40 Jahren bei den Franziskanern eintrat, da änderte ich wirklich mein Leben, ich folgte IHM und seinem Programm, durfte dabei reifen und zu dem werden, der ich heute bin. Geschadet hat es mir nicht, überhaupt nicht. Und ich konnte für unzählige Menschen zu einem Wegweiser auf IHN hin werden. Bereut habe ich es auch nicht, auch wenn ich kränker, älter, unbeweglicher und auch skeptischer geworden bin. Der Funken von dem Licht, von dem der Prophet Jesaja spricht, ist in mir immer noch am glimmen: „Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“
In unsicheren Zeiten kommt es darauf an, neu für Jesus offen zu werden, sich von ihm durch verschiedenste Weisen ansprechen zu lassen, seine hoffnungsvollen und lichtstarken Worte an sich arbeiten zu lassen und dabei selbst kraftvoller und freudiger für eine frohe Botschaft einzutreten, die auch heute gilt: Das Leben ist stärker als der Tod! Das Licht ist stärker als die Finsternis! Jesus ist stärker als alle anderen Sinnangebote und vor allem die Falschpropheten.
Auf meinem Schreibtisch steht ein Tischkalender, wo für diese Woche folgende Worte stehen: „Du hast drei Möglichkeiten im Leben: Nachgeben, aufgeben oder alles geben.“
Alles Drei kenne ich, das „alles geben“ möchte ich wieder neu in den Blick nehmen, denn es schenkt, wenn auch anstrengend und mit Umwegen verbunden, wirklich Flow, Glück und Sinn. Wer für etwas oder für jemanden lebt, der empfindet sich auf dem Weg der Wahrheit, des Glücks und des wirklichen Lebens. Amen.