Anbei die Auslegung von Pater Christoph Kreitmeir zu Lk 21, 5-19 als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Wie selbstverständlich habe ich eben nach dem Vorlesen des Evangeliums gesagt: „Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus!“, und sie haben – so haben wir´s gelernt – geantwor­tet: „Lob sei dir, Christus!“

Aber das ist keine frohe Botschaft, die wir da gerade gehört haben. Da wird gesagt, dass kein Stein auf dem anderen bleibt, Kriege und Unruhen geschehen müssen, es Erdbeben, Hungersnot und Verfolgung gibt, Christen verfolgt und verraten werden.

Die Vorzeichen einer Apokalypse in unserer Zeit werden immer deutlicher: Nicht nur Klimawandel, sondern zunehmende Klimakatastrophen, Artensterben, Dürren, Fluten, verseuchte und vermüllte Meere, globaler Wassermangel, bestehende Kriege und drohende schlimmere Kriege, Völkerwanderungen und vieles mehr. All das macht uns Angst, richtig Angst und dann hören wir diese Worte des Evangeliums.

Diese Worte haben Hintergründe, die wichtig sind, zu wissen, denn zwei Ereignisse spiegeln sich im Text wider. Zum einen schaut das Evangelium auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. zurück. Sowohl für die Juden als auch für die Christen war das eine Katastrophe. Der Tempel galt als eines der sieben Weltwunder der Antike. Unverrückbar fest schien der Tempel für die Ewigkeit gebaut, der Angelpunkt für den Glauben an Gott. Mit der Zerstörung dieses herrlichen Bauwerkes bricht eine ganze Welt zusammen.

Das religiöse Zentrum war nicht mehr Sinnbild des Bundes Gottes mit seinem Volk, sondern eine Stätte der Verzweiflung. Wo war Gott? Gelten seine Verheißungen nicht mehr?

Und zum zweiten spricht das Evangelium die Verfolgungssituation der Christen an. Sie werden angefeindet und sind Verdächtigungen und Vorverurteilungen sogar in der eigenen Familie ausgesetzt. Sie werden bloßgestellt – und sogar getötet.

Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass das Evangelium sehr realistisch und nicht wirklichkeitsfremd ist. Es bietet auch keine Flucht in die reine Innerlichkeit an. Das Evangelium spricht am Ende sogar – man glaubt seinen Ohren nicht – von Hoffnung: „Lasst euch nicht erschrecken! Dann könnt ihr Zeugnis ablegen. Kein Haar wird euch gekrümmt werden.“

Der Glaube an den Lebendigen, der da kommen soll, gibt Kraft. 

Kein goldener Tempel, keine noch so gut strukturierte Kirche können Halt geben.

Apokalypse bedeutet eine schreckliche Aussicht. Echter, lebendiger Glaube ändert dies. Christlicher Glaube weiß: Der Gekreuzigte siegt, nicht die Ungerechtigkeit. Das Lamm, nicht der Löwe.

Der Autor des letzten Buches des Neuen Testamentes, der Apokalypse, der sich »euer Bruder Johannes« nennt, sieht in Tod und Auferstehung Jesu den Sieg gegen die feindlichen Mächte dieser Welt. Aber dieser Sieg muss erst noch in der Welt offenbar werden. Die Erlösung in Jesus Christus ist zwar schon geschehen. Doch sie kann sich in ihrer Fülle erst zeigen, wenn diese Welt mit ihren ungerech­ten und zerstörerischen Strukturen und Mächten zugrunde geht. Sie haben richtig gehört: … zugrunde geht!

Der Christ lernt mit der Kraft der Hoffnung die katastrophale Situation auszuhalten, sie nicht zu fliehen oder den Kopf in den Sand zu stecken. Er baut keine Bunker, um sein Überleben auf unsicheren Beinen zu sichern, er engagiert sich da, wo er kann und wo er gerade gebraucht wird, oft mitten in der Katastrophe. Er hört den Sinnanruf des Augenblicks und hilft da, wo es Not tut. Dabei überschätzt er sich nicht selbst, sondern setzt seine Kraft auf Gott, der hinter der Katastrophe Neues entstehen lassen will und wird. Das ist apokalyptisches Hoffen.

Die Erlösungsbotschaft der biblischen Worte will gerade die erreichen, die neben der äußeren Katastrophen von einer katastrophalen inneren Hal­tung geprägt sind, die pessimistisch, depressiv, hoffnungslos und verzweifelt sind, für die diese Welt im Argen liegt und keine Zukunft mehr hat.

Mitten in diese Welt hinein hat Gott sein rettendes Wort gesprochen: „Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen. Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21, 27+28)

Die Botschaft von der Erlösung wird als Trost verkündet für die, in deren Seele es dun­kel geworden ist, deren innere Sonne sich verdunkelt hat, von deren Horizont die Sterne herabgefallen sind, die also ohne Sehnsucht und Hoffnung sind.

Trotz aller Bedrängnisse, Fragen und Sorgen gibt es diese Hoffnung: Viele haben dies auch schon persönlich erfahren dürfen: dass die Hoffnung in schlimmen Situationen weitertragen kann. Und dass der Glaube an Christus Mut macht, trotz allem zu handeln und nicht zu resignieren. Unser Glaube ist eine Trotzdemkraft unseres Geistes.

Diese christliche Haltung ist nicht einfach, sie ist eine Herausforderung und ein hoher Anspruch. Aber wo steht geschrieben, dass das Evangelium etwas ist, bei dem wir uns gemütlich und bequem zurücklehnen können? Wir wissen aber, dass Gott dem, der glaubt, hofft und liebt, seinen Beistand und seine Nähe gibt!

Vor kurzem wurde ich einmal von jemandem gefragt, woher ich immer wieder meine Kraft für den Dienst an Kranken, Sterbenden und trauernden Angehörigen hernehme. Und ich wunderte mich über meine Antwort selbst. Ich antwortete ihm: Ich vertraue durch alles Schwere und Zerstörende hindurch auf die Erlösungskraft von Jesus Christus. Nach einer kurzen Weile sagte mein Gegenüber dann zu mir. Dann sind Sie ein hoffender Apokalyptiker. Da hat er wohl recht. Und manchmal bin ich sogar ein fröhlicher Apokalyptiker, weil ich in Jesus Christus meine Kraftquelle weiß.

Amen.