Anbei die Auslegung von Pater Christoph Kreitmeir zu Lukas 18,1-8 als Audio-Datei und anschließend im Textformat:
Dieses gerade gehörte Evangelium (Lk 18,1-8) hinterlässt in uns verschiedene Gefühle und erinnert uns an eigene Erfahrungen. Wie die Witwe, die sich gegen einen Widersacher wehren will, kennen auch wir die Erfahrung, dass wir uns dahinter klemmen müssen, um unser Recht zu bekommen. Die Frau im Evangelium macht es richtig. Sie lässt nicht locker. Darum kommt sie auch zu ihrem Recht, auch wenn die Motivation des als ungerecht bekannten Richters nicht die des Rechtes ist, sondern die der Angst. Er hat einfach Angst vor der Frau und ihren evtl. handgreiflichen Argumenten.
Jesus bringt diese doch sehr eindrückliche und vielleicht auch etwas dick aufgetragene Geschichte ins Spiel, um verdeutlichen zu wollen, wie unser Verhältnis zu Gott sein sollte.
Nicht aus Angst, weil wir zudringlich sind, wird Gott uns unser Recht verschaffen, sondern weil er ein gerechter und kein ungerechter Richter ist. Noch mehr: Gott handelt, so sagt es uns Jesus an anderen Stellen häufig, Gott handelt nicht nur gerecht, sondern barmherzig.
Wie die Witwe sollen wir in der Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten des Lebens und den verschiedensten Widersachern es nicht aufgeben, uns immer wieder an ihn zu wenden. Irgendwann, einmal schneller, einmal länger dauernd wird Gott uns beistehen und helfen. Wir kennen alle solche Erfahrungen aus unserem Alltags- und auch aus unserem Glaubensleben.
Für mich verwunderlich ist nach dieser Beispielgeschichte von Jesus der Satz, der am Ende des heutigen Evangeliums zu lesen oder zu hören ist: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“
Würde er heute, hier und jetzt kommen ‑ was würde ER vorfinden?
Manchmal neige ich dazu, diese Frage pessimistisch zu beantworten, wenn ich auf die Entwicklungen in unserer Welt und auch in unserer Kirche schaue. Wen wundert´s? Aber das ist wie so oft nur der oberflächliche Blick.
Sicherlich fände der Herr einen allgemeinen und eher unverbindlichen Glauben vor, denn viele sagen: Irgendein höheres Wesen muss es ja geben. An irgendwas glauben wir alle. An irgendwas, hm. Wenn ich dann z. B. Aussagen vom pseudomodernen Glauben an das Universum höre, dann kann ich nur noch den Kopf schütteln.
Was ist aber aus dem Glauben an Gott geworden, der sich geschichtlich und konkret in Jesus geoffenbart und uns angesprochen hat und der im Hl. Geist uns durch die Geschichte und unser Leben begleitet?
Der Herr fände bei nicht wenigen wohl auch einen Glauben vor, in dem man einige Glaubenssätze für wahr hält, der aber im Alltag nicht die alles bestimmende Kraft unseres Lebens ist. Das wäre kein Glaube, der lebendiges Gebet pflegt, den Dialog mit Gott. Es wäre ein Glaube – und nicht selten erleben wir das ja gerade jetzt – , der immer mehr verdunstet, der keine persönlichkeitsprägende und gellschaftsgestaltende Kraft hat.
„Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“, frägt Jesus. Er behauptet nicht, dass der Menschensohn keinen Glauben mehr vorfindet. Er lässt die Frage offen. Er will uns mit der Frage nachdenklich machen, uns aus der Gleichgültigkeit herausführen, uns auf den Weg des Glaubens bringen. Und genau das erlebe ich immer wieder im Krankenhaus. Hier finde ich neben einigem „Universumsgeschwafel“, unausgegorenem Nichtnachgedachthaben, praktischem Umgehen mit den Zumutungen des Lebens und so manch anderen mehr oder weniger hilfreichen Antworten auf Krankheit, Krise und offenen Fragen wirklich echten Glauben.
Ich darf Menschen treffen, Junge und Alte, Reiche und Arme, Gebildete und bodenständig Einfachgestrickte, Deutsche und Menschen anderer Nationalitäten, die ihren vergessenen Glauben wieder neu entdecken und aktivieren oder die ganz neu zu Gott und Jesus finden.
Meine Arbeit im Krankenhaus lässt mich vom zweifelnden Skeptiker, was den Glauben in unserem Land angeht, wieder mehr zum hoffenden und in der positiven Überraschung Lebenden werden, der sogar von Patientinnen und Patienten in seinem Glauben positiv beeinflusst und gestärkt wird.
„Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“, frägt Jesus. Ich meine JA, denn der Glaube ist eine Trotzdemkraft, die vor allem in der Krise wächst und genau darin zeigen kann, was in ihr steckt.
Der Glaube an Gott, den Vater, den Sohn und den Hl. Geist hält uns aufrecht im Leben und er stärkt unsere Resilienz, unsere Widerstandskraft.
Und die brauchen wir in diesen Zeiten wieder. Amen.
Pater Christoph Kreitmeir ist Klinikseelsorger im Klinikum Ingolstadt. Mehr geistliche Impulse von ihm gibt es unter: