Anbei die Auslegung von Pater Christoph Kreitmeir zu Lk 18, 9-14 als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Besser als andere sein zu wollen – wer kennt diese innere Regung nicht? Leider!

Man kann sie sehr gut schon bei Kindern erleben. Da ist es auch noch natürlich und gehört zur menschlichen Entwicklung dazu. Wenn man aber kindergartenähnliches Verhalten im Sinne von besser, weiter, schöner, reicher und, das greift Jesus heute auf, moralisch einwandfreier als Du noch als Erwachsener lebt und pflegt, dann wird das Ganze nicht nur peinlich und lächerlich, es wird auch ungerecht und selbstverliebt.

Besser sein zu wollen als andere, macht auch vor religiösen Grundeinstellungen nicht Halt, leider!

Da werden andere abgelehnt, weil sie nicht katholisch genug sind, nicht fromm genug, nicht oft genug in die Kirche gehen … Der Maßstab für dieses „genug“ ist dabei natürlich und wie kann es anders sein stets die eigene Einstellung.

Wir messen die Anderen an uns selbst, an dem, was wir denken, können und leisten.

Jesus führt uns heute zwei Figuren vor Augen, um eine falschverstandene Frömmigkeit zu entlarven: Der Pharisäer, der uns so bekannt ist, dass er zum Schimpfwort wurde, und der Zöllner, der von Jesus gelobt wird, nicht weil er Zöllner ist, sondern wie er betet und sich vor Gott sieht.

Wie von selbst und fast automatisch gehört diesem unsere Sympathie, während die Gestalt des selbstgerechten Frommen uns eher abstößt. Wir sollten mit unserem Urteil aber vorsichtig sein! Nicht selten braucht es einen genaueren Blick auf Menschen und auf das warum sie so geworden sind.

Schauen wir nochmal auf die Ausgangsszene. „Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten“ (Lk 18.10). Was hat sie dazu veranlasst? Gingen sie, weil sie es so gewohnt waren oder aus einem spontanen Bedürfnis heraus?

Warum gehen wir in die Kirche zum Beten oder zum Gottesdienst? Wir würden wahrscheinlich sagen: „Weil ich ruhiger werde. Weil ich es so seit meiner Kindheit gewohnt bin. Weil ich nachher zufriedener bin“. Aber irgendwie spüren wir, dass das nicht alles ist. Da ist noch ein Gefühl, das noch viel tiefer liegt und welches man schlecht in Worte fassen kann und dem nahe kommt, was manche so beschrieben haben: „Es geht mir darum, einmal ganz tief einzutauchen in eine Atmosphäre, die mir guttut. Ich möchte einmal ganz tief im Innersten berührt sein. Ich möchte einmal wegkommen von den verwirrenden und quälenden Eindrücken des alltäglichen Lebens.“

Warum gehe ich in die Kirche, in die Hl. Messe, warum bete ich?

Eine Antwort, die für mich entscheidende Antwort ist diese: Weil mich das Gebet, weil mich der Kontakt zu Gott, verinnerlicht, mich verändert. ECHTE Frömmigkeit, aufrichtiger Gottesdienst, lassen mich nicht selbstgerecht auf andere herabschauen, aber auch nicht bucklig-demütig und angstbesetzt glauben.

Echter Glaube ist ehrlich und getragen von dem gläubigen Vertrauen, trotz all meiner Fehler geliebt zu sein.

Wenn wir selbstkritisch in unser Inneres blicken, dann wird sich zeigen, dass jeder von uns etwas vom Pharisäer in sich trägt, von seiner falschen Selbstgerechtigkeit, von seiner Überheblichkeit, von seiner Verschlossenheit für das Schicksal anderer, von seinem Unverständnis für das, was mit der Botschaft Gottes gemeint ist. Wenn wir uns aber wirklich einmal ehrlich selbst anschauen, dann macht es uns betroffen und wir hören auf, uns selbst ins bessere Licht zu stellen. Dann sind wir an dem Punkt, an dem sich unser Inneres öffnet, wo uns Gott berühren kann. Und dann … fängt neues Leben an.

Gottes Maßstäbe sind andere als unsere, Gott sei Dank! Er lässt sich durch die Masken, hinter denen wir uns selbst oft verstecken, nicht täuschen.

Gott schaut nicht auf das Äußere, den Schein, das Gehabe, er schaut ins Herz. Und seinem klaren und liebenden Blick bleibt nichts verborgen.

Für mich ist das Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner ein Aufruf zur Aufrichtigkeit, zur Ehrlichkeit, zum Echtsein, zur Authentizität. Ich brauche mir, den anderen und Gott nichts vorzumachen. Ich bin aufgehoben in Gottes Liebe und muss mir diese Liebe nicht verdienen. Gott sei Dank.  Amen.

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es unter:

www.christoph-kreitmeir.de