Klinikseelsorger Pfr. Christoph Kreitmeir: „Wir Menschen sind immer wieder trostbedürftig“

In seiner Auslegung zur heutigen Sonntagslesung (Jes 40,1-5.9-11) führt unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir die Trostbedürftigkeit des Menschen vor Augen und zeigt Wege des aufrichtigen Tröstens auf.

Hier die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

Es ist schon wieder passiert. Der erste Satz aus der heutigen Lesung (Jes 40, 1) trifft mich tief drinnen in meiner Seele: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.“

Es ist das Wort TROST, das bei mir ganze Gefühlswelten in Bewegung bringt.

Nicht zuerst, weil Trösten-können ja eine meiner Fertigkeiten als Seelsorger sein sollte, sondern, ich gebe es offen und frei zu, weil ich selbst Trost bedarf. In letzter Zeit immer wieder und immer mehr.

Als ich selbst längere Zeit Patient sein musste und auch nicht an einem Gottesdienst teilnehmen konnte, entdeckte ich das gute alte Radio wieder. Auf Bayern 1 gibt es sonntags immer von 10.00 – 11.00 Uhr die katholische und die evangelische Morgenfeier. Immer wieder spricht mich das von Seelsorgern und Seelsorgerinnen Vorgetragene an, am 15.11. aber besonders. „Denn sie sollen getröstet werden“ war das Thema der evangelischen Professorin Johanna Haberer aus Erlangen.

Wir Menschen sind immer wieder trostbedürftig. Verlust, Trennung, Trauer, Schmerz – es gibt unzählige Momente im Leben, in denen der Mensch vor allem eines braucht: Trost!

Doch was genau ist der Trost, was macht er mit uns? Trost hat viele Gesichter und es gibt unterschiedliche Quellen des Trostes: den Glauben, das tröstende Wort, den stillen Beistand geliebter Menschen, Musik, Kunst oder einfach der Blick in eine Landschaft ….

Es gibt unterschiedliche Quellen des Trostes. Frau Haberer erwähnte etwas am Anfang ihres Beitrages, das mich aufhorchen lies: Der erste Trost im Leben schmeckt süß: Das Neugeborene trinkt süße Milch und spürt die Wärme der Mutter. Nach dem Stress der Geburt sollen sie getröstet werden – alle Menschenkinder. Mediziner sagen: Der Stresspegel, den ein Baby hat, wenn es sich durch den Geburtskanal zwängt, wird im Laufe des Lebens in der Regel nicht mehr getoppt.

Nach der Geburt haben wir den größten Stress, die schlimmste Angst schon hinter uns gebracht. Und dann beginnt das Leiden am Leben.

Der bohrende Hunger, die Sehnsucht nach Nähe und nach Wärme. Danach schreit ein Säugling – so wie alle Säugetiere! Und die Hebamme legt das Neugeborene der Mutter an die Brust. Näher kann man sich nicht sein.

In diesen Augenblicken der Nähe verschwindet die Angst vor dem Leben.

Wir Menschen sind ein Leben lang trostbedürftig! Aber das Wort des Trostes können wir uns nicht selber sagen. Ich benötige ein Gegenüber, das mich beruhigt, ermutigt, aufrichtet, unterstützt, tröstet.

Das lateinische Wort für „trösten“ „consolare“ (con = mit; solo = allein) bedeutet, mit jemandem zu sein, der allein und einsam ist, ihm zur Seite zu stehen. Im Trösten geht es in erster Linie um Treue, um für den Betrübten da zu sein in jeder Lage, es geht um die Fähigkeit ihm gut zuzuhören, mitzufühlen, ihm ein aufrichtiges Wort zu sagen, konkrete Hilfe anzubieten und ihn vielleicht sogar zum Tröster-Gott zu führen.

Aufrichtiges Trösten nimmt dem Traurigen das Gefühl, allein gelassen zu werden, aktiviert seine inneren Kräfte, öffnet ihm eine neue Lebensperspektive und bringt die stärkste Seelenkraft zurück, die Hoffnung.

Trost ist eine überaus wichtige und süße Nahrung für die verwundete Seele.

Nicht jeder, nicht jede kann trösten. Aber man kann bestimmte Haltungen und Handlungen des Tröstens bedenken und einüben:

  • Wer trösten will, der darf seine eigene Trostbedürftigkeit kennen und reif bearbeitet haben. Trösten heißt nicht, sofort eine Lösung parat zu haben. Es bedeutet auch nicht, den anderen in einen fröhlichen Menschen zurückverwandeln zu müssen. Trösten heißt zunächst einfach: da sein. Da darf es auch immer wieder mal still werden.
  • Trost spenden heißt Halt geben: Eine Berührung, ein verständnisvoller Blick, eine Umarmung, einfach zuhören und den anderen in seinem Sein spüren und in Schwingung kommen.
  • Trösten heißt auch, Gefühle zuzulassen: Tränen, Bitterkeit, Wut, Enttäuschung, Verletzung, was auch immer es ist. Es darf sein und zur Sprache gebracht werden.
  • Manchmal ist Trösten einfach auch das übernehmen, was der andere gerade nicht kann: Einkaufen, Behördenkram erledigen, eine Suppe kochen. Manchmal tut ein bisschen Ablenkung gut, manchmal will der andere aber einfach nur in Ruhe gelassen werden.
  • Trösten heißt vor allem auch und immer wieder Geduld haben. Geduld gepaart mit Liebe führt weiter.
  • Nicht selten kann auch ein Ritual, auch ein religiöses Ritual trösten, denken Sie an die Krankensalbung oder die Beerdigung. Wenn liebevoll und einfühlend vollzogen, können solche Rituale nicht nur wirklich trösten, sondern auch den Blick für Gott, den obersten Tröster öffnen. Der Apostel Paulus bringt dies sehr gut auf den Punkt, wenn er im 2. Korintherbrief schreibt:  „Gott tröstet uns in all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem wir von Gott getröstet werden“ (2 Kor 1,4).

Der erste Satz in der heutigen Lesung hatte mich sehr angesprochen – Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. – und jetzt kann ich mein eigenes Trostbedürfnis und die Aufgabe, andere zu trösten auch besser in Einklang bringen, denn:

Je mehr ich mich von Gott trösten lasse, in ihm Geborgenheit und Halt erfahre, desto fähiger bin ich, meinen Mitmenschen Trost zu spenden.

Und dies macht froh, beide Seiten, den zu Tröstenden und den Tröster. Amen.

Hier der Song „Trost und Kraft“ von Songwriter Martin Pepper: