Charly Hübner: „Man muss den Tod wieder reinholen in die Gesellschaft“

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Gerade ist das neue Buch „Welche Farbe hat der Tod?“ von unserem geistlichen Begleiter Pater Christoph Kreitmeir erschienen, in dem er von seinen Erfahrungen als Klinikseelsorger mit Leben und Sterben berichtet (Mehr dazu gibt es HIER).

Aktuell läuft in den Kinos nun der Road Movie „Sophia, der Tod und ich“ von Charly Hübner nach einem Roman von Thees Uhlmann, der sich um das Besondere am Leben, die Liebe und den Tod dreht. Regisseur Hübner und Buchautor Uhlmann standen in Interviews zum Film bzw. zum Buch Rede und Antwort, warum sie sich dem Thema Tod und den damit verbundenen existenziellen Fragen künstlerisch widmen und was das auch mit ihrem eigenen Leben zu tun hat.

In „Sophia, der Tod und ich“ klopft der Tod zu Beginn ganz klassisch an die Tür und will den Ich-Erzähler, den in Berlin lebenden Altenpfleger Reiner, mitnehmen, was aber nicht so richtig gelingt. Der Erzähler begibt sich mit dem Tod auf Reisen und wird im Umgang mit ihm zunehmend entspannter. Auf ihrer Reise, bei der auch Reiners Ex-Freundin Sophia mit dazustößt, wird das Trio von Gott und Erzengel Michaela beobachtet.

 

 

Bereits im Herbst 2015 erschien der Roman von Thees Uhlmann, der die Grundlage des aktuellen Kinofilms bildet. Mit diesem Buch feierte Uhlmann, der im Hauptberuf erfolgreicher Rock-Musiker ist, sein Debüt als Schriftsteller.

Im Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag erklärte der Musiker und Schriftsteller im Jahr 2019 in einem anderen Kontext zu seinem künstlerischen Wirken:

„Obwohl ich evangelisch-protestantisch bin, sehe ich es schon katholisch: Kunst ohne Schmerz ist nichts wert.“

 

Im Interview mit PlanetInterview schilderte Thees Uhlmann zum Erscheinen seines Buches im Herbst 2015, warum er sich bei seinem Buch-Debüt ausgerechnet mit dem Tod auseinandersetzte. Danach gefragt, warum er im Jahr 2015 im Alter von seinerzeit gerade einmal 41 Jahren einen Roman über den Tod verfasste, erklärte Uhlmann, dass der Tod ein Thema sei, das „viele Künstler umtreibt“ und auch in seinen Songtexten „immer schon vorgekommen“ ist. Weiter betonte er:

„Ich hatte einfach Lust, über den Tod zu schreiben und ihm so eine Honkigkeit zu verleihen.“

Bei seiner Reise mit dem Tod werde der Protagonist im Umgang mit demselben immer entspannter, fügte Uhlmann an.

Zu seiner persönlichen Sicht auf den Tod berichtete der Autor, dass er im Kindesalter Angst vor dem Tod hatte und er schon früh mit dem Thema konfrontiert war. Dazu sagte er:

„Aufgrund meiner Biografie, weil mein Vater schon lange lange krank ist, hat sich der Tod bei uns eben immer so rumgeschlichen.“

Seine Angst vor dem Tod ließ aber immer mehr nach. Im Alter zwischen 21 und 28 Jahren habe er sich sogar „wirklich im wörtlichen Sinn unsterblich gefühlt“. Auf diese Zeit zurückblickend beschrieb Uhlmann:

„Das ist wohl der süße Vogel Jugend, die letzte Sonne vor dem Beginn des Schattens…. Da habe ich mich auf jeden Fall unsterblich gefühlt und trotzdem viel über den Tod nachgedacht.“

Auch dass der Protagonist seine alte Freundin Sophia in einem Altenheim kennengelernt hat, ist kein Zufall. Im Gespräch mit PlanetInterview teilte Thees Uhlmann mit, dass er „aus familiären Zusammenhängen“ den Ort des Altersheims kenne und sich gedacht habe, dass man darüber „auch mal schreiben“ könne. Zum einen bringe es „einfach Spaß“ mit sich, „über Sachen zu schreiben, auf die man bis jetzt noch nicht so richtig geguckt hat“, und zum anderen gehe es ihm auch darum, ein Bewusstsein für die „sehr harte Arbeit für Kopf und Körper“, die von Pflegekräften „für viel zu zu wenig Geld“ geleistet wird, zu schaffen. Dazu betonte der Buchautor:

„Unsere Gesellschaft muss sich auf jeden Fall in die Richtung bewegen, dass diese Arbeit mehr respektiert wird.“

Respekt könne einfach dadurch geschaffen werden, dass im Altersheim tätige Menschen, nicht noch einen zweiten Job haben müssten, „um sich über Wasser zu halten“.

Zudem übt Uhlmann in seinem Buch auch Kritik, wenn er die Oberflächlichkeit thematisiert, mit der Menschen im Angesicht der eigenen Sterblichkeit an dem vorbei leben, was eigentlich existenziell wichtig ist. So findet sich in seinem Buch die schöne Beobachtung, dass sich „Topmodels wie Soldaten über den Laufsteg bewegen“. Wütend macht den Autor, dass bei dem „Topmodel-Ding“ Menschen „so öffentlich und so perfide“ bewertet werden, was er „einfach verachtenswert“ findet. Im Planet-Interview 2015 betonte er mit Blick auf die Macher solcher Sendungen weiter:

„Man sollte denen mal einen netten Brief schreiben und fragen: Wissen Sie eigentlich, wie viele Leben von jungen Mädchen sie zerstören?“

Das Argument, dass die jungen Frauen, freiwillig an diesen Shows teilnehmen würden, lässt Uhlmann dabei nicht gelten. Mit Blick auf Umfragen, in denen zwei Drittel der befragten Mädchen mit Essstörungen Klums „Germany’s Next Top Model“ einen Einfluss auf die Ausprägung ihres Krankheitsbildes zuschreiben, erklärte Thees Uhlmann:

„Ich frage mich: Wie kann Heidi Klum nachts noch ruhig schlafen? Sie hat so viel Geld, die könnte irgendwas anderes machen.“

 

Aktuell läuft in den deutschen Kinos der Film zur Buchvorlage von Thees Uhlmann. Der Regisseur des Films, Charly Hübner, der als Schauspieler neben dem Grimme-Preis viele weitere bedeutende Auszeichnungen erhielt und nun sein Debüt als Spielfilmregisseur feierte, erklärte kurz vor dem Kinostart bei der Vorstellung seines Films „Sophia, der Tod und ich“ beim Fünf-Seen-Filmfestival in Starnberg, dass es einen Film über den Tod brauche. Dabei plädierte er für eine Beschäftigung mit dem Tod:

„Man muss ihn wieder reinholen in die Gesellschaft, der Tod ist ja da.“

Im BR-Interview erklärte Hübner, dass ihn der Mix aus lustigen Formulierungen und vertrauten existenziellen Einsichten am Buch von Thees Uhlmann gereizt habe. Zu seinen Beweggründen sich als Regisseur dieses Themas anzunehmen, fügte er an:

„Wenn jemand stirbt, der berühmt ist, dann kommt immer die Frage: Krass, warum? Obwohl wir das alle wissen – vom ersten Tag unseres Lebens an ist das ja klar, dass das auch irgendwann enden wird – trotzdem ist da die große Fragestellung.“

Er habe dann die Motivation verspürt dem Buch, das „ja auch eine top Vorlage“ sei, noch mal was hinzuzufügen.

 

Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen erklärte Charly Hübner, dass es für ihn in der Kindheit „immer ein wenig gespenstisch“ gewesen sei, die Bestürzung zu erleben, die in der „Erwachsenenwelt“ bei Trauerfällen herrschte. Als ein existenzielles Ereignis in sein Leben trat, kommt es zu einer anderen Sicht auf den Tod. Diesbezüglich ließ der heute 50-Jährige wissen:

„Als ich selbst mal mit einer Blinddarmentzündung in der letzten Sekunde ins Krankenhaus kam und auf der Schippe stand, dachte ich: Beim Leben ist nur eines klar, es wird enden.“

Er empfinde es heute als „abstrus“, dass sich der Großteil der Gesellschaft „erst kurz vor Schluss“ mit dem eigenen Ableben beschäftigt.

An der Romanvorlage packten ihn auch die darin mit dem Tod einhergehenden existenziellen Fragen wie etwa „Warum lebt man? Wie ist es, wenn du jenseits aller Stereotypen, wie sie in Magazinen dargestellt werden, in einem einkommensschwachen Stadtteil wohnst und alte Menschen pflegst?“ 

Als Antwort auf den Sinn des Lebens sei im Film der Wert der Familie von großer Bedeutung, berichtete Hübner. Weiter teilte er mit, dass für ihn persönlich der Wert der Schöpfung wichtig ist, die er in seiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern mit „sehr viel Wald, sehr viel Feld, sehr viel Wasser, keine Autobahn, ganz wenig Bahnhöfe, gar keine Flugzeuge“ erlebt. Dazu sagte er:

„Ich habe gemerkt, das ist wie ein Kiel oder ein Sockel für mich.“

Auch wenn er viel unterwegs sei und auch eine Sehnsucht des Weiterziehens in sich trägt, lösten in ihm die Landschaften im Süden Mecklenburgs mit ihrer Mischung aus Hügelland, dichten Wäldern und klarem Wasser „ein anderes Gefühl“ aus. Dazu schilderte der Regisseur und Schauspieler weiter:

„Alles beiseitelegen und nur noch herumliegen. Das kann ich auch richtig lange. Da ist absoluter Stillstand.“

Darauf angesprochen, dass dies in der heutigen schnelllebigen Zeit nicht gerade angesagt wäre, antwortet Hübner:

„Es gibt schon Generationen, die sauer werden, wenn du mal zwei Tage nicht aufs Handy guckst. Die denken, du hast mit ihnen ein Problem. Aber für mich ist es nicht mein Sein. Ich hadere damit, wenn man mir das zum Sein machen will.“

 

Auch das Jenseits wird im Film zum Thema. Dabei schildert Hübner die göttliche Sphäre sehr nüchtern pragmatisch, frei von Spiritualität und Transzendenz. Gott stellt er als alten schweren Mann dar, der dem Tod die Funktion zuschreibt, dass alle an Hoffnung und Erlösung glauben. Diese nüchterne Darstellung dürfte mit der Biographie Hübners in Verbindung stehen. Im Interview mit dem BR teilte der Künstler, der am 4. Dezember 1972 in Neustrelitz geboren wurde, mit:

„Also ich bin ja in der DDR groß geworden und bin nicht kirchlich groß geworden.“

Und weiter:

„Also die große, weite Welt der Bibel, mit allem, was die Kirche damit versucht hat, zu gestalten oder zu manipulieren, damit hab ich nichts am Hut“.

Für ihn sei das einfach ein Sinnbild, eine Bündelung unserer Sorgen, Schrecken und Hoffnungen und damit immer Teil des Lebens. Dazu führte er weiter fort:

„Also ich komme über Gott dann auch wieder bei mir an. Dass wir gehen werden allesamt – dafür braucht man ein Sinnbild.“

 

Als Charly Hübner sich im Juli 2013 im Magazin Chrismon existenziellen Fragen stellte, äußerte er sich auch zu seiner Vorstellung von Gott. Damals berichtete er von einer existenziellen Erfahrung, die er im Zuge einer Erkrankung gemacht habe. Dabei habe er „gemerkt, dass Gott irgend etwas meint, dass es in mir diesen Drang zu etwas nicht Greifbarem gibt“. Weiter sagte er:

„Ich habe sozusagen die Standleitung zu Gott gespürt.“

Zudem gebe es auch Vorahnungen, die er mit Gott in Verbindung bringt. So erzählte Hübner, dass er sich eine Stunde vor einem Autounfall mit jemandem darüber unterhalten habe, was zu tun sei wenn bei 150 Stundenkilometer der Reifen platzt, und sie dabei zum Ergebnis kamen, dass auf keinen Fall gebremst werden sollte. Als dann eine Stunde später tatsächlich sein Reifen geplatzt sei, habe er am Steuer sitzend das getan, was im Gespräch zuvor Thema war, und sei dem folgend „langsam auf der Standspur ausgerollt“. Dazu sagte der Schauspieler:

„Da denkst du: Okay, dieses System Gott existiert.“

In der Reflexion über dieses Ereignis sei ihm klar geworden, dass er ohne das kurz vorher stattgefundene Gespräch „eigentlich gebremst“ hätte.

 

Vielleicht inspiriert das Werk „Sophia, der Tod und ich“ die Zuschauer bzw. die Leser zu ähnlichem Nachdenken über Grundsätzliches im Leben, wie es der Regisseur Charly Hübner und der Buchautor Thees Uhlmann in ihren Ausführungen zum Film und darüber hinaus anklingen lassen.

Quellen: ndr.de, planet-interview.de, manager-magazin.de, shz.de, rnd.de, merkur.de, br.de, augsburger-allgemeine.de, chrismon.evangelisch.de

 

Hinweis: Das neue Buch „Welche Farbe hat der Tod“ unseres geistlicher Begleiters Pater Christoph Kreitmeir widmet sich dem Umgang mit dem Tod. Mehr dazu gibt es HIER.

Anbei ein Doppel-Interview zum Film „Sophia, der Tod und ich“ mit Buchautor Thees Uhlmann und Filmregisseur Charly Hübner: