Pater Christoph Kreitmeir am 3.9.23 im PG-Interview:

„Gott sei Dank gibt es den Tod!“

Aktuell erklärte die Fußball-Legende Wolfgang Overath, der am 29. September seinen 80. Geburtstag feiert, im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass er an ein Leben nach dem Tod glaube und darauf hoffe, „dass mir diese Zuversicht mal das Sterben leichter macht, wenn es so weit ist“. Wenn sein Leben morgen vorbei wäre, fände er das zugleich „auch nicht schlimm“, weil er den Rückblick auf sein Leben als wunderbar empfindet.

Überdies läuft aktuell in den Kinos der Film „Sophia, der Tod und ich“, der sich um das Besondere am Leben, die Liebe und den Tod dreht. (wir berichteten).

Das Thema Tod scheint sich aus der Tabuzone zu bewegen!

Mit seinem neuen Buch „Welche Farbe hat der Tod“ (Gütersloher Verlagshaus, 30.8.2023) trifft unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir scheinbar einen Nerv. Darin berichtet er von seinen Erfahrungen als Klinikseelsorger mit Leben und Sterben und ermutigt zur Lebensfreude in der Vergänglichkeit.

Im PromisGlauben-Interview sprach Pater Christoph Kreitmeir mit PG-Chefredakteur Markus Kosian u.a. über seine Erfahrungen als Klinikseelsorger, seinen persönlichen Weg im Glauben und seine Gedanken beim Blick auf den eigenen Tod.

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Markus Kosian (MK): Grüß Gott lieber Christoph, in deinem neuen Buch „Welche Farbe hat der Tod“ bindest du deine Erfahrungen als Klinikseelsorger mit ein. Seit wann arbeitest du eigentlich schon als Klinikseelsorger und was war die Motivation für dich, diesen Dienst anzutreten?

Pater Christoph Kreitmeir (CK): Aktuell arbeite ich als Klinikgeistlicher und –seelsorger seit Juli 2017 im Klinikum Ingolstadt. Vorher war ich schon mal 2005 für einen an Krebs erkrankten Mitbruder vertretungsweise Krankenhausseelsorger in der Asklepiosklinik in Bad Tölz und davor von 1998 – 2004 neben den Aufgaben als Kurseelsorger und Pfarrvikar Seelsorger in der Fachklinik für Orthopädie und Neurologie Enzensberg in Hopfen am See.

Warum ich jetzt Klinikseelsorger in Ingolstadt bin?

Ich wollte wieder näher an meine Heimat, dem Altmühltal, und meine vielfältigen Ausbildungen gebündelt in der Begleitung von psychisch und körperlich Kranken, Sterbenden und deren Angehörigen einsetzen.

Diese Arbeit ist sehr herausfordernd und führt nicht selten auch an Belastungsgrenzen. Besonders die Coronazeit mit all den besonders hohen Auflagen in einem Krankenhaus war sehr anstrengend.

MK: Inwieweit hilft dir dein christlicher Glaube bei diesem Dienst? Was macht das Handeln in Rückbindung zu Jesus Christus deiner Meinung nach so besonders?

CK: Ich bin Gott sei Dank vielfältig ausgebildet: Sozialpädagogik, Logotherapie, Gesprächsführung, Theologie und mittlerweile über 35 Jahre Berufserfahrung. Vor allem die Logotherapie nach Viktor Frankl hilft mir Antworten auf Sinnfragen zu finden, die sich angesichts von Schicksalsschlägen, Leiden, Siechtum, Persönlichkeitsverlust bei psychisch kranken Menschen oder dem Sterben stellen. Diese Antworten sind philosophisch-therapeutischer Natur. Das ist die eine Säule, auf die ich mein Denken, Fühlen und Tun aufbaue.

Eine weitere ist das gelebte Beispiel von Menschen, wie diese mit solchen Grenzfragen ihres Lebens vorbildlich umgegangen sind und umgehen. Diese Vorbilder sind für mich echte Kraft- und Inspirationsquellen.

Und dann durfte ich als Franziskaner und Priester im Laufe von über 35 Jahren den christlichen Glauben nicht nur in seinen vielfältigsten Variationen und Gott sei Dank auch meist positiv erfahren.

Jesus Christus ist mir dabei nicht nur „Weg, Wahrheit und Leben“ geworden, ich empfinde meine Anbindung an IHN wie eine freundschaftliche. Immer wieder darf ich mich vertrauensvoll an ihn wenden und spüre dabei, wie ein Schutz und Segen über mir und meinem Tun liegen.

Ich darf, so würde es der hl. Franz von Assisi sagen, „in seinen Fußspuren gehen“ und wie ein Schüler von ihm immer wieder lernen und dabei reifen und wachsen.

In guten und vor allem auch in schweren Zeiten (ich musste selbst schon durch schwere Krankheiten gehen) erfahre ich IHN als nah und helfend. Dafür bin ich sehr dankbar.

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MK: Macht es einen Unterschied, wenn Menschen im Leid mit Christus verbunden sind? Welche Erfahrungen hast du da gemacht?

CK: Ich habe Menschen jeglichen Alters erlebt, die tapfer und aus verschiedensten Kraftquellen heraus mit ihrem Schicksal umgegangen sind. Viele durch ihre Lebenserfahrungen geprägt, andere durch ihre familiären oder freundschaftlichen Beziehungen gehalten und getragen und wieder andere, so möchte ich es hier mal nennen, durch philosophische Grundhaltungen beeinflusst.

CK: Ein stoisch-klagloses Ertragen erlebe ich nicht selten und natürlich auch immer wieder ein Ringen mit der Warum- und der Warum-Ich-Frage.

Der Glaube kann im Ertragen von Schwerem wirklich auch zu einer großen Hilfe und Sinn- und Kraftquelle werden.

Ich erlebe das am Rande bei Moslems und Gott sei Dank auch immer wieder bei Christen jeglicher Konfession.

Wenn ich mal beim gläubigen Christen bleibe, dann erfahre ich immer wieder, dass eine gelebte Beziehung zu Jesus, dem Mitleidenden und den Erlöser und auch zu Maria, die alle Wege des Lebens mit größtem Gottvertrauen gegangen ist, sehr hilfreich ist.

Auch die Hoffnung auf den Himmel, auf ein Wiedersehen mit den Vorausgegangen ist ein „Energieträger“ im tagtäglichen Kampf.

Es gibt also verschiedenste Wege, wie jemand mit dem ihm/ihr Auferlegten umgeht.

Die persönliche Beziehung zu Lebenden (Freunden, Verwandten), zu Verstorbenen (ja, auch die können von der anderen Seite her zu einer Hilfe werden) und zu einem persönlichen Vertreter der göttlichen Sphäre (Jesus, Maria, Schutzengel, Heilige) sind dabei im „Ranking“ ganz weit vorne. Auch bei mir!

MK: Wie bist du eigentlich zum Glauben gekommen?

CK: Allen voran durch ein tolerant-gläubiges Elternhaus, dem vorgelebten Beispiel meiner Eltern und von wirklich guten Priestern. Dann später durch die harte und teilweise immer wieder vom Glauben wegführende geistig-kritische Auseinandersetzung mit Gott, Kirche, Kirchengeschichte und offenen Sinnfragen. Die Begegnung mit der Logotherapie Viktor Frankls, Begegnungen mit ihm und einigen seiner Schüler und Schülerinnen half mir sehr im inneren Ringen um Halt und Sinn und führte mich über Umwege wieder zurück zum Glauben. Dieser wurde durch tagtägliches spirituelles Training im Klosterleben und durch die permanente Seelsorge mit unzähligen Menschen in allen Lebenslagen gefördert und herausgefordert. Selbstverständlich gehört dabei das persönliche Studium von Literatur oder ähnlichem immer wieder dazu. Im Laufe der Jahre durfte ich mittlerweile schon acht Bücher schreiben, deren Inhalt sich im Zwischenbereich von Lebenshilfe und Spiritualität bewegen (siehe HIER). Das damit verbundene intensive Recherchieren und Studieren hat meinem Glauben sehr geholfen.

Viele Reisen, die ich mit Freunden in verschiedenste Länder unternehmen konnte, haben meinem Glauben Nahrung gegeben.

Der Besuch von Moscheen in der Türkei, Andalusien, Tunesien, Marokko oder Indien, von Tempeln in Indien und Sri Lanka und vor allem von unzähligen Kirchen und Kathedralen in Europa haben mich die Größe der Glaubenswelten buchstäblich spüren und atmen lassen. All diese Eindrücke haben mich sehr positiv in Schwingung gebracht.

Mittlerweile kann ich glücklich sagen, dass mein Glaube zur wichtigsten Säule und zum wertvollsten Schatz in meinem Leben geworden ist.

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MK: Was löst der Gedanke an den eigenen Tod in dir aus?

CK: Erstaunlicherweise überhaupt keine Angstgefühle, eher das Gegenteil. Der Tod, dem ich fast tagtäglich hier in der Klinikarbeit begegne, ist mir zum Begleiter, zum Beender, zum Bruder Tod geworden, wie Franz von Assisi sagen würde.

Der Tod ist für mich nicht Ende, sondern Durchgangspforte zu etwas Neuem.

Er hat neben seinem Schrecken, das ich so oft bei Patienten und Patientinnen und deren Angehörigen miterlebe, für mich nicht selten eine tröstende Natur. Er kann befreien, befrieden, er-lösen.

Ich bin mittlerweile froh, dass es den „Gevatter Tod“ gibt, der immer wieder seine Ernte einholt. Wie schrecklich wäre eine Welt und ein Leben, wenn es kein Ende gäbe. Die Gebrechlichkeit würde immer größer werden, die Last immer schwerer, das Nicht-mehr-Wollen und Nicht-mehr-Können unerträglich.

Gott sei Dank gibt es den Tod!

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MK: Was bedeutet das Bewusstsein der Endlichkeit für deine Art zu leben?

CK: Seit meiner Jugendzeit, wo ich einen schweren Fahrradunfall erleiden musste, mahnt mich meine Endlichkeit, die mir gegebene Lebenszeit so gut und sinnvoll wie möglich zu nutzen. Nicht nur für mich, sondern vor allem im Dienst an Menschen und Werten. Die/Meine Endlichkeit hat mich ca. vier Jahrzehnte gemahnt und auch getrieben, meine „Zeit auszukaufen“, jedes Quäntchen Zeit zu nutzen. Dies hat mir wirklich geholfen, aus meiner Biografie etwas zu machen, das sich sehen lassen kann. Es hat mich aber nicht selten auch überfordert.

Die Mahnung der Endlichkeit kann zu einem inneren Antreiber werden, der nicht mehr gut tut.

Dies habe ich vor einigen Jahren Gott sei Dank erkannt und lebe heute zwar immer noch vom Taktgeber der ablaufenden Sanduhr meines Lebens angetrieben, aber nun auch gelassener im Vertrauen darauf, dass das Eigentliche ein anderer macht.  Die „engagierte Gelassenheit“, ein Grundsatz der Jesuiten, ist mir dabei eine große Hilfe geworden: „Lebe in der Annahme, dass alles von dir abhängt, im Wissen aber, dass alles von Gott abhängt.“ Das habe ich verinnerlicht.

Ich engagiere mich gelassener und fühle mich dadurch getragen in meinem Tun.

Die „ars moriendi“, die Kunst, seine Endlichkeit anzunehmen, lässt die „ars vivendi“, die Kunst, zu leben, erst richtig gelingen. „Memento mori“ – Gedenke, dass du sterben musst (darfst). Nutze deshalb deine Zeit sinnvoll und über dein Sein hinausweisend.

Hinweise: 

  • Pater Christoph Kreitmeir ist geistlicher Begleiter von PromisGlauben. Regelmäßig erscheinen bei uns seine Auslegungen zum Sonntagsevangelium. Seine aktuelle Sonntagspredigt sowie viele weiter gibt es immer als Audio-Datei zum Anhören und im Text-Format zum Lesen in unserer Rubrik „Impulse und Predigten“:

HIER

  • Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es auf seiner Homepage:

www.christoph-kreitmeir.de

  • Sein aktuelles Buch „Welche Farbe hat der Tod“ gibt es:

HIER

Anbei zwei Video-Clips, die wir vor 5 Jahren mit Pater Kreitmeir aufgenommen haben: