Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, 2018-06-09 Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig by Sandro Halank–070, cropped, CC BY-SA 3.0

Linken-Politikerin Petra Pau: Zugang zum Religionsunterricht sollte jedem Kind offenstehen

In einer Zeit, in der der Säkularismus, der alles Religiöse am liebsten aus der Gesellschaft verbannen würde, en vogue zu werden scheint und die Regierungspartei, die den Bundeskanzler stellt, einen „Arbeitskreis Säkularität und Humanismus“ einsetzt, überraschen Vertreter einer Partei, von der man es vermutlich am wenigsten erwarten würde, mit dem Hinweis, dass die Religion einer Gesellschaft gut tut. Die Linken-Politiker Gregor Gysi und Petra Pau heben aktuell die Bedeutung der Bibel und von Religion im Allgemeinen für die Gesellschaft hervor.

Im Interview dem Magazin „GRANDIOS“ erklärte Gregor Gysi erneut, dass er als nicht-religiöser Mensch nicht in einer religionslosen Gesellschaft leben wolle. Dabei würdigte er christliche Feste und die Bibel, insbesondere die Bergpredigt.

Schon allein wegen der christlichen Hochfeste Weihnachten, Ostern und Pfingsten wolle er nicht in einer religionslosen Gesellschaft leben. Ähnlich wie zuletzt Ende Januar im BR-Stammtisch, wo er appellierte, dass wir ohne die Bergpredigt „überhaupt keine allgemeinverbindliche Moral“ hätten (wir berichteten), wies der 74-Jährige auch gegenüber GRANDIOS darauf hin, dass in einer religionslosen Gesellschaft viele Normen wie etwa das allgemeine Tötungsverbot nicht mehr so einfach zu vermitteln wären.

Die Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium (Mt 5,1 – 7,29) habe ihn selbst geprägt, teilte Gysi weiter mit. Dazu erklärte er:

„Da steht drin, ich soll meine Feinde lieben. Das kann ich nicht. Aber eines konnte ich: Ich habe nicht zurückgehasst, wenn ich gehasst wurde. Das hat mich souveräner gemacht.“

Auf eine einsame Insel würde er sodann auch die Bibel mitnehmen, weil er darin „alles“ finde.

Auch wenn er selbst angesichts seiner Gehirnoperation im Jahr 2004 nicht angefangen habe, sich Gott zuzuwenden, lasse er die Möglichkeit des Glaubens in seinem Kopf „als Fragezeichen“ zu. Diesbezüglich führte er fort:

„Ein gläubiger Mensch hat mir gesagt, dass Gott mich liebt. Das hat mich sehr gefreut. Wenn es ihn gibt, hoffe ich, dass es auch so bleibt.“

 

Auch Linken-Politikerin Petra Pau, die seit 2006 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages ist, hob aktuell die Bedeutung der Bibel hervor. Gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, die in einer Serie der Frage nachgeht, welche Religionspolitik die im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen wollen, erklärte Pau, dass sich Kinder mit der Bibel vertraut machen und sie als kulturellen Reichtum wahrnehmen sollten. Dabei hob die 58-Jährige hervor, dass sie sich dafür einsetze, dass der Zugang zum Religionsunterricht jedem Kind in seiner Religion offensteht. Auch wenn ihre Partei „Die Linke“ in ihrem Programm für einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler eintrete, werde dadurch nicht der Zugang zum Religionsunterricht in Frage gestellt, betonte Pau. Vielmehr gehe es darum, dass jeder in der Gesellschaft über Religion Bescheid wisse, so etwa „warum der Nachbar im Ramadan fastet und was Christen mit Ostern und Pfingsten verbinden“.

Auch nahm Petra Pau Stellung zur Ablehnung der Linken „einer (automatischen) Mitgliedschaft von Kindern in Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften“, wonach erst ein Beitritt nach Erreichen der Religionsmündigkeit erfolgen dürfe, was folglich eine Abschaffung der Kindestaufe in Kirchen implizieren würde.  Sie setze sich dafür ein, dass diese Position nicht mehr im nächsten Wahlprogramm stehen wird. Dazu betonte Pau:

„Wir sind keine atheistische Partei.“

Gegenüber IDEA nahm Petra Pau auch Stellung zu ihrer persönlichen Glaubenshaltung. Dazu sagte sie u.a.:

„Ich bezeichne mich als gläubigen Menschen.“

Ihre Haltung zur Bibel und zum Religionsunterricht habe auch mit ihrer eigenen Sozialisation zu tun, sagte Pau, die in der DDR getauft und konfirmiert wurde, einen evangelischen Kindergarten und auch die Christenlehre besuchte. Wie bei Wikipedia zu lesen ist, bezeichnet sich Pau, die im Alter von 16 Jahren aus der Kirche austrat, inzwischen als konfessionslos.

 

Im September 2019 äußerte sich Petra Pau bei einer Lesung aus ihrem Buch „Gottlose Type“ bei der Deutschen Evangelischen Allianz in Berlin bereits zur Bedeutung von Religion für die Gesellschaft und berichtete dabei auch von persönlichen Erfahrungen. Wie das christliche Medienmagazin Pro dazu berichtete, schilderte die Politikerin ein Aha-Erlebnis während ihrer DDR-Ausbildung zur Kunsterzieherin. Aufgrund ihrer christlichen Prägung wusste sie im Gegensatz zu ihren Kommilitonen über biblische Geschichten Bescheid. Diese kannten die Geschichten hinter den Bildern nicht. So habe sie damals festgestellt, „dass es ein Defizit im Bildungssystem der DDR gab“, so Pau.

In diesem Kontext hob sie hervor, dass sie das Bescheidwissen über Religion für eine wesentliche Grundlage der Gesellschaft hält. Die Kenntnisse über die jeweilige Religion gehöre für sie zu den Grundlagen des Respekts vor dem anderen Menschen und vor seiner Würde. Überdies sei es ihr wichtig zu betonen, „dass wir sehr viel ärmer wären ohne die Menschen und ihren Glauben, den sie leben und aus dem sie ihre Motivation auch für gesellschaftliches Engagement schöpfen“.

 

Im Oktober 2015 schrieb sie in der Sonntags-Zeitung (Ausgabe 4 / 2015) einen Artikel zu ihrem Glauben, nachdem sie im ZDF bei Thomas Gottschalk im großen Bibel-Test gewann. In dem Beitrag, der auch auf ihrer Webseite veröffentlicht ist, erklärte sie, dass Glaube „natürlich mehr als Kultur oder Geschichte“ ist. Dazu schrieb sie weiter:

„Ja, es ist etwas Heiliges und zugleich Persönliches. Viele bekennen sich öffentlich, ich tue es nicht. Es ist mein Glaube. Auch was und wie ich glaube, gehört allein mir.“

Auch wenn sie der Kirche als Privatperson „entsagt“ habe, tue sie dies als Politikerin nicht. Diesbezüglich erklärte sie:

„Sobald es um Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität geht, bin ich gerne Partnerin, auf Kirchentagen ebenso wie alltäglich vor Ort.“

 

Als sie sich im April 2014 in der Karwoche an einer kirchlichen Prozession durch die Mitte Berlins beteiligte, antwortete sie im Interview mit dem Rogate-Kloster auf die Frage, ob der Karfreitag für sie persönlich religiös geprägt sei, mit folgenden Worten:

„Die mit der Prozession ausgedrückte Solidarität mit dem Schmerz und dem Leiden Christi und damit der Welt ist mir sehr nahe.“

Zudem sagte Petra Pau, dass sie sich freue, „mit engagierten Menschen, die ihre Motivation aus der Bibel, dem Kapital von Karl Marx oder anderen Quellen ziehen, diese Solidarität und Verantwortung öffentlich zu demonstrieren“.

Zu ihrem Verhältnis zu Gott ließ sie wissen, dass dieses „ein sehr persönliches“ sei, das aber im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr losgelöst von der Institution Kirche sei.

Quellen: grandios-online.de, idea.de (1), idea.de (2), pro-medienmagazin.de, petrapau.de, rogatekloster.com