Musikerin Anica Russo wünscht sich weniger Vorurteile gegenüber Gläubigen

Foto credits: Shinto

Anica Russo traut sich was. Die Sängerin hat sich über die Jahre eine internationale Fangemeinde aufgebaut. Jetzt spricht sie in ihrem Song „Sunday Service“ das erste Mal über ihren Glauben (wir berichteten).

Im Interview mit dem christlichen Internetportal Jesus.de (SCM Bundes-Verlag) ging Anica Russo aktuell auf ihre Beweggründe zu diesem Song ein und gab Auskunft zu ihrem Christ-Sein.

Das Interview führte Pascal Alius (Jesus.de)

Pascal Alius (PA): Hallo Anica, warum glaubst du?

Anica Russo (AR): Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen. Beten war eine der ersten Sachen, die ich als Kind gelernt habe. Und wir sind jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Außerdem gibt mir der Glaube unglaublich viel Halt. Ich habe dadurch das Gefühl, dass ich nicht allein bin.

Mein Glaube hilft mir, Dankbarkeit, aber auch Ängste auszudrücken.

Symbolbild von Pixabay (CC0 1.0)

PA: Wie hat sich dein Glaube seit deiner Kindheit verändert?

AR: Ich stelle mir Gott nicht mehr als Mann vor, der hinter den Wolken sitzt, vor.

Der Satz „Ich bin der Ich-bin-da“ bringt mein Gottesbild auf den Punkt.

Ich sehe Gott mehr als eine höhere Kraft, die überall präsent ist. Er ist für mich nichts Fassbares, sondern etwas Unfassbares.

PA: Eine höhere Kraft, zu der du aber eine persönliche Beziehung hast?

AR: Ja, total. Das ist zwar wieder anthropomorph, aber dadurch, dass ich von klein auf jeden Abend ein Gespräch mit ihm führe, ist Gott für mich doch auch wieder etwas Fassbares.

Ich spüre, dass ich in Kontakt mit Gott bin und das ist schön.

Symbolbild von Dennis auf Pixabay (CC0 1.0)

PA: Auf Instagram schreibst du, dass du dich erst als „gläubig“ bezeichnet hast, dann eine Zeit lang als „spirituell“ und jetzt wieder als „gläubig“. Warum dieser Wechsel?

AR: Als Jugendliche habe ich vieles hinterfragt und versucht, meinen Platz im Leben zu finden. Es gab eine Phase, wo es plötzlich total uncool war, zu sagen, dass man religiös oder gläubig ist. Viele Leute haben einen komisch angeguckt und nicht verstanden, warum man so einen Quatsch glaubt.

Für mich war mein Glaube trotzdem immer Bestandteil meines Lebens.

Ich habe aber aufgehört, jedem davon zu erzählen, dass ich vor dem Essen bete. Wenn ich mit Leuten im Restaurant war, habe ich das ein bisschen versteckt. Ich fand es blöd, komisch angeschaut zu werden oder immer wieder Diskussionen führen zu müssen.

PA: Wie ging es dann weiter?

AR: In dieser Zeit habe ich mich auf eine Erkundungsreise in die Spiritualität begeben und unter anderem meditiert. Da habe ich gemerkt, dass Meditieren nichts anderes als Beten ist. Man zeigt zum Beispiel seine Dankbarkeit jemandem gegenüber, ob man das jetzt Universum oder Gott nennt, spielt für mich keine Rolle.

Ich habe viele Parallelen entdeckt, die meinen Glauben bereichert haben.

Wenn mich jetzt jemand nach meinem Glauben fragt, dann kann ich sagen: So gesehen ist ein Gebet nichts anderes als eine Meditation. Das eröffnet Anknüpfungspunkte und ermöglicht Dialog.

Die beiden Ebenen sind auf gar keinen Fall identisch, aber sie haben Schnittpunkte. Die finde ich superschön und habe sie für mich zu der Art und Weise, wie ich heute glaube, zusammengefügt.

Symbolbild von Gerd Altmann auf Pixabay (CC0 1.0)

PA: Auf Instagram schreibst du auch, dass du nicht mehr in die Kirche gehst. Warum?

AR: Zur Kirche zu gehen war bei mir ein Familienritual, was nicht komplett aus eigener Motivation kam. Irgendwann kamen mehrere Faktoren zusammen, wo ich mich dann in der Institution Kirche nicht mehr wohlgefühlt habe – unter anderem weil meine Werte nicht ganz mit denen der katholischen Kirche übereinstimmen.

Aber nur weil ich nicht zur Kirche gehe, bedeutet das nicht, dass ich keine Christin bin.

Mein Glaube ist von der Kirche abgekoppelt.

PA: Würdest du deinen Glauben gerne mehr in Gemeinschaft mit anderen Christen leben oder ist das nichts für dich?

AR: Für mich ist mein Glaube eine persönliche Sache. Die Bedeutung dahinter und die Message des Glaubens an sich teile ich jedoch gern mit anderen und freue mich natürlich auf Menschen zu stoßen, die meine Gedanken teilen. Ich brauche nicht zwingend eine Gemeinschaft, um meinen Glauben zu leben. Wenn es sich aber ergibt, dann ist das natürlich etwas ganz Besonderes.

PA: Anlässlich deines neu erschienen Songs „Sunday Service“ hast du das erste Mal öffentlich über deinen Glauben gesprochen. Wie haben deine Fans auf dein Glaubensbekenntnis in Songform reagiert?

AR: Tatsächlich richtig schön. Ich habe angefangen „Sunday Service“ vor der Veröffentlichung auf TikTok zu teilen, um zu schauen, wie der Song ankommt.

Anica’s Song „Sunday Service“

Irgendwann habe ich dann auch von der Message erzählt.

Ganz viele junge Leute haben mir gesagt: „Hey, ich fühle genauso. Ich traue mich auch nicht so wirklich über meinen Glauben zu sprechen, aber ich glaube an Gott.“ Das hat mich total positiv überrascht, weil ich das sonst gar nicht so wahrgenommen habe.

Viele haben in der Kommentarsektion kurz von ihren eigenen Erlebnissen und Situationen gesprochen. Das hat mir in dem Moment auch voll gutgetan, zu wissen, dass man nicht alleine ist, sondern andere Leute im selben Alter auch so fühlen. Das hat mich bestärkt, „Sunday Service“ zu veröffentlichen und diese Message zu teilen.

PA: Wird dein Glaube in Zukunft weiterhin eine Rolle in deinen Songs spielen?

AR: Auf jeden Fall. Songs sind, wie Gebete, für mich eine Möglichkeit mit Gott zu connecten. In ihnen verarbeite ich meine Ängste und Sorgen. Sie sind ein Ventil dafür.

Ich finde es schön, dass Stars und Musiker aus den USA in Reden, wenn sie zum Beispiel einen Preis gewonnen haben, Gott danken. Sie sprechen offen über ihren Glauben, wie Justin Bieber oder Kanye West es tun.

In Amerika ist es ein viel präsenteres Thema, mit dem in der Popmusik offener umgegangen wird als in Deutschland.

Der Blick auf US-amerikanische Popstars bestärkt mich darin, ebenfalls über meinen Glauben zu sprechen.

PA: Du würdest dir also wünschen, dass sich auch in Deutschland mehr Menschen trauen, offen über ihren Glauben zu sprechen?

AR: Ich würde mich freuen, wenn jeder offen glauben kann, was und wie er oder sie möchte, ohne Angst haben zu müssen, dass man doof angeguckt wird oder in unangenehme Diskussionen reinkommt. Das ist alles, was ich mir wünsche.

Wenn man nicht glaubt, ist das auch gar kein Problem. Es ist aber schade, dass man es sich zweimal überlegt, ob man vor großem Publikum in Deutschland Gott dankt oder nicht.

Symbolbild von Anemone123 auf Pixabay  (CC0 1.0)

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen über Anica Russo und ihren neuen Song “Sunday Service“ findest du auf ihrer Webseite.

Das Interview ist zuerst bei Jesus.de erschienen.

Jesus.de ist ein christliches Internetportal, das zum SCM Bundes-Verlag gehört. Seit 1996 verbindet das Portal Menschen, die sich mehr Gott + Glauben in ihrem Leben wünschen.

Anbei der Song „Sunday Service“ von Anica Russo: