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Pater Christoph Kreitmeir: „Die Tiefe von Gottes Wort kann nur mit dem Herzen wahrgenommen werden“

In seiner Auslegung zur heutigen Sonntagslesung (Dtn 4, 1 – 2, 6-8) und zum heutigen Sonntagsevangelium (Mk 7, 1-8.14 – 15, 21-23), in dem Jesus mit deutlichen Worten heuchlerischen Glauben ohne Herz zurechtweist, fordert unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir: „Lass die Liebe in deinem Herz wurzeln!“

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Wenn ich will, dass mir jemand zuhört, dann muss ich manchmal auch laut werden und das, was ich sagen will, nicht selten immer wieder wiederholen. Wenn ich aber will, dass mir jemand wirklich zuhört, dass das, was ich ihm sagen will, er sich echt zu Herzen nimmt, dann muss ich leise, sanft und werbend zu ihm sprechen. Mein Gegenüber wird das Wohlwollen spüren, das in meinen Worten mitschwingt.

Und genauso stelle ich es mir vor, wenn Gott zu uns spricht. Das stete und vielleicht auch autoritäre Wiederholen von Geboten und Verboten wird wenige Früchte tragen. Die einen werden das Gesagte offen ablehnen, die anderen eher widerwillig, vielleicht sogar aus Angst annehmen. Und wieder andere werden zu Spezialisten im eifrigen Übererfüllen oder zu listigen Verdrehern. Solche Verhaltensweisen haben wir gerade von den Pharisäern im Evangelium gehört.

Ein Satz aus unserer heutigen Lesung aus dem Buch Deuteronomium lässt mich aufhorchen, ja, er lockt mich richtig: „Hört und ihr werdet leben!“ (Dtn 4,1) Dieser Satz schmeckt nach Mehr, nach Sinn, nach Leben.

„Glauben kommt vom Hören“ (Röm 10, 17), so betont Paulus in seinem Brief an die Römer. Nicht nur vom akustischen Hören kommt das Glauben, sondern mehr noch vom Lauschen nach Innen und mit dem Herzen. „Höre Israel“ (Dtn 6, 4), diese werbende Aufforderung begleitet Israel von Anfang an und so führt echtes Hören/Horchen/Lauschen nicht nur zum Glauben, sondern auch zu echtem Leben„Höre Israel“ – mit diesen Worten beginnt das israelitische Glaubensbekenntnis. Es erinnert an die befreienden Taten Gottes in der Geschichte. Das „Höre Israel“ hat für die Menschen der Bibel und das jüdische Volk bis zum heutigen Tag eine sehr große Bedeutung. Es ist das Morgen- und Abendgebet des frommen Israeliten: schəma jisrael adonai elohenu adonai echad  – Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Diese Worte finden sich auf Pergament geschrieben in einer Schriftkapsel, der Mesusa, an den Türpfosten der Häuser. Die Mesusa wird beim Gehen und Kommen ehrfürchtig berührt – ähnlich wie Katholiken das Weihwasser nehmen und sich damit benetzen.

„Hört und ihr werdet leben.“

Gott ist Leben und er will Leben, er will, dass ich und Du zum Leben kommen, wirklich lebendig werden.

Leider haben wir heutzutage sehr viele Voraussetzungen für lebendig machendes Hören verloren: Stille, Sammlung, Meditation, keine Ablenkung, innere Ruhe, Fokussierthiert und Achtsamkeit. „Man sieht nicht nur mit dem Herzen gut“ (Antoine de Saint Exupery), sondern man hört auch nur mit dem Herzen gut.

Ist unser Herz, mit dem wir eigentlich und wirklich hören, überhaupt noch frei und ein Resonanzkörper für Gottes Wort?

Gottes Gebote werden von gläubigen Juden und Christen als Weisheit, Bildung, zielführende Wegweiser empfunden, nicht als Knechtung oder Entmündigung. Die Worte der heutigen Lesung sprechen von dieser positiven Natur der Weisungen Gottes.

Die Tiefe von Gottes Wort kann nur mit dem Herzen wahrgenommen werden.

Unser Herz ist mit allem möglichen besetzt und nicht frei. Es braucht Leere, damit Gott wahrgenommen werden kann, damit er uns und unsere unstet umher irrenden Gedanken mit Frieden, Liebe und Leben erfüllen kann.

Das Herz gilt seit jeher als das Organ der Liebe und Jesus – das heutige Evangelium zeigt es in aller Deutlichkeit – ist gekommen, um uns durch Gottes Gebote und Weisungen hindurch wieder zum Pfad der Liebe zurückzuführen.

Wo Liebe fehlt, die Gesinnung schlecht und unrein ist oder sich nur von Routine und Oberflächlichkeit leiten lässt, da wird sogar das Frömmste und Beste unrein und schlecht und unnütz.

Wenn unser Denken, Fühlen, Reden und Tun aber von Liebe geprägt sind, dann können wir scheinbar Kleines leisten, es ist gut und wird vor Gott wertvoll werden.

Und genau das ist die Erkenntnis von Aurelius Augustinus, der uns vor gut 1600 Jahren folgenden wahren Satz geschenkt hat: Lass die Liebe in deinem Herzen wurzeln, und es kann nur Gutes daraus hervorgehen. Liebe – und tu was du willst!“ Mit dieser Empfehlung fasst der heilige Augustinus in ermutigende Worte, was Jesus immer wieder lehrte und so oft missverstanden wurde.

Wer in aller Aufrichtigkeit und zugleich im Wissen um seine eigene Unvollkommenheit versucht, die Liebe zur Grundlage seines Lebens zu machen, dessen Denken, Fühlen, Reden und Tun wird Gutes hervorbringen.

Dieses Gute ermöglicht eine fruchtbare Verbindung zu Gott und zugleich zu sich selbst und  den Mitmenschen. Wenn jemand in seinem Innern für Reinheit, Klarheit, Wahrhaftigkeit, Liebe und Frieden gesorgt hat, der wird nie von niederen Trieben wie Neid, Feindschaft oder gar Hass zerfressen werden. Wer liebevoll lebt, der schaut keineswegs mit einer rosaroten Brille in die Welt, aber mit einem freundlichen Blick. Er nimmt wahr, wie viel Gutes in seiner Welt wie auch in seinem eigenen Leben vorhanden ist, und ist dankbar dafür.

In der Dankbarkeit liegt ein wesentlicher Schlüssel zum Glück, denn kein Mensch kann dankbar und unglücklich zugleich sein.

Ein liebevoller Mensch hat somit die besten Voraussetzungen, dankbar durchs Leben zu gehen und auf diese Weise Glück, Sinn, Liebe und Gott zu finden.

Lass die Liebe in deinem Herzen wurzeln, und es kann nur Gutes daraus hervorgehen. Liebe – und tu, was du willst!“

Amen.

 

Liebe und tu, was du willst!

‚Schweigst du, so schweige aus Liebe.
Redest du, so rede aus Liebe.
Kritisierst du, so kritisiere aus Liebe.

Verzeihst du, so verzeih in Liebe.
Lass all dein Handeln in der Liebe wurzeln,
denn aus dieser Wurzel erwächst nur Gutes.‘

(Augustinus von Hippo, 354–430)