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Pater Christoph Kreitmeir: „Wenn Gott so ist, wie es uns Jesus erzählt, dann haben wir alle eine Chance“

Seine Auslegung zum Sonntagsevangelium (Lukas 15,1-10) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir unter den Titel „Gott ist anders“.

 

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:

 

 

Es war ein langes Gespräch in einer kalten Bergnacht vor einigen Jahren. Ein Hüttenwirt und Schäfer hatte einen Mitbruder von mir zur Übernachtung in seine private Hütte, eingeladen, weil die nahe gelegene Hütte überfüllt war.

Im Laufe des Abends kam es bald heraus, dass es ein Pater war, den er sich da als Schlafgast eingeladen hatte. Da sprudelte es aus dem Hirten, der knapp 800 Schafe zu versorgen hatte, nur so heraus: „Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich das Evangelium von den 100 Schafen höre. Es ist unverantwortlich, wegen eines einzigen schwarzen Schafes die 99 anderen im Stich zu lassen. Das hätte ich deinem Jesus gerne einmal gesagt.“

Vor lauter Ärger über eine ihm bekannte Situation hatte er den weiteren Fortgang des Evangeliums überhört. Jesus erzählt ja dann auch noch das Gleichnis von jener Hausfrau, die ein Geldstück verliert und einen riesen Aufwand betreibt, um die Münze wiederzufinden. Als ihr dies gelungen war, hätte sie am liebsten vor Freude mit ihren Nachbarinnen ein Fest veranstaltet. Das alles wegen einer Münze, wenn man doch noch neun andere hat … Tststs …

Gehört der Himmel den Verrückten? Oder sollten wir die Bibel „vernünftig“ umschreiben und umdeuten? Das würde dann bedeuten, alle Stellen, die uns unmöglich erscheinen, zu streichen. Bislang haben solche Versuche immer zum Verlust an Unmittelbarkeit und Kraft geführt.

Wer die Bibel mit Vernunft und Sachverstand reinigen will, der bringt sich um ihre Botschaft, die oft in einem widersprüchlichen oder mehrdeutigen Gewand daherkommt.

Man kann und darf Gottes Wort nicht nach Lust und Laune umschreiben und umdeuten, denn dann würde Entscheidendes in unserem Leben fehlen UND Gottes Wort würde verfälscht werden.

Gottesworte erwarten nicht, dass sie vernünftig erklärt und gedeutet werden. Schließlich ist Gott selbst in unserem Sinne höchst unvernünftig – er ist in unserem Glauben der immer ganz andere, der, welcher nicht einzuordnen ist.

Die Lösung ist eine ganz andere: Wir sollten darauf achten, dass seine besondere Wahrheit zu unserer Wahrheit wird. Sonst leben wir an dem vorbei, was die Bibel uns sagen will, was sie uns zu unserer Rettung schenken will.

Gott ist nicht nur anders, er ist „verrückt“, d. h. er verrückt unsere Anschauungen, Wertvorstellungen und unsere Urteile.

Für uns ist das schwarze Schaf, das sich von der Herde trennt, selber schuld, wenn es verloren geht. Für uns handelt die Frau einfach dumm, wenn sie so einen unvernünftigen Aufwand treibt.

Hinter unseren vernünftigen Beurteilungen zeigt sich der Ärger darüber, dass dem schwarzen Schaf mit besonderer Sorge nachgegangen wird. Wir sind sauer, dass Gott so anders ist, als wir ihn gerne oft hätten. Gott hat doch auf der Seite der Anständigen und Gerechten zu stehen … und nicht selten sind wir überzeugt, dass wir zu diesen gehören.

Gott aber handelt wie es sich kein Schäfer im Blick auf die ganze Herde leisten kann. Gott zeigt sich verschwenderisch wie diese Frau, die alles daran setzt, die kleine Münze wiederzufinden.

Es gibt viele kluge Deutungen dieser Gleichnisse, die Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten erzählte, weil sie sich darüber empörten, dass er mit Sündern und Zöllner aß.

Aber ein Impuls ist mir heute besonders wichtig: Wenn wir uns dem Geheimnis Gottes nähern wollen, sollten wir als Erstes unseren so genannten gesunden Menschenverstand und unsere Klugheit beiseitelegen und Gottes Worte mit dem Herzen hören. Denn frei nach Antoine de Saint Exupery kann man sagen: „Man hört nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für unsere Augen unsichtbar.“

Mit dieser anderen Wahrnehmung, die in den Augen der Welt naiv und dumm sein mag, fangen wir dann zuerst leise und dann immer stärker an, uns darüber zu freuen, dass die Außenseiter vor Gott eine Chance haben, nicht nur die Gerechten.

Herzensbildung ist gefragt und nicht reine Vernunftbildung!

Denn wenn Gott so ist, wie es uns Jesus erzählt, dann haben wir alle eine Chance. Gott sei Dank ist Gott anders, als wir oft meinen … !

Amen.