In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mt 16,21-27) beschreibt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor die Aufgabe Jesu als Messias. Dabei betont er Kreuzesnachfolge und Leidensbereitschaft als wesentliche Merkmale eines Christen.

Hier die Worte seiner Predigt mit dem Titel „Menschsein ganz für andere“:

Eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt Petrus mit diesem Jesus von Nazareth.

Zwischen himmelhochjauchzend und am Boden zerstört wird die Stimmung des Ersten der Apostel wohl geschwankt haben. Kaum von seinem Meister seliggepriesen, wird er im nächsten Augenblick schon von ihm unerwartet schroff beschimpft. Wie ist es dazu gekommen?

Wenige Verse vor unserem heutigen Evangelium – wir haben es am vergangenen Sonntag gehört – wird eine Szene berichtet, in der Petrus wohl eine Sternstunde auf seinem gemeinsamen Weg mit Jesus hatte. Auf dessen Frage hin, für wen die Leute ihn halten, antwortete er, offensichtlich einer tiefen Eingebung, einer inneren Inspiration folgend: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Was sich keiner zu sagen traute oder allenfalls nur ausweichend beantworten wollte, das spricht dieser Petrus in aller Deutlichkeit und mit allem Mut aus. Jesus preist ihn dafür selig, will ihn zum Felsenfundament machen, auf den er seine Kirche aufbauen möchte, und vertraut ihm die Schlüsselgewalt für diese seine Kirche an.

Nun ist ausgesprochen, wer dieser Jesus ist, was seine Sendung ist, welche Aufgabe er für sich beansprucht und sich vorgenommen hat. Doch ist damit schon wirklich Klarheit gegeben?

Was soll es letztlich bedeuten, was soll es denn heißen, wenn einer behauptet, der lang ersehnte Messias, der Heiland und Retter zu sein?

Petrus hat wohl ganz eigene Vorstellungen davon, Vorstellungen, die geprägt sind von den Erwartungen in seinem Volk, das unter der römischen Besatzungsmacht leidet. Ein Messias, das muss doch ein Befreier sein, einer, der sich in die politischen Verhältnisse einmischt, der seine Leute in den Kampf führt gegen die Feinde, einer, der gegen die Mächtigen aufsteht und sie vom Throne fegt, um dann selbst darauf Platz zu nehmen. Der Messias – er muss Heil bringen, und das heißt vor allem: hier und jetzt sich gegen die verhassten Machthaber, gegen Unrecht und Unterdrückung stellen. Er darf nicht klein beigeben. Da passt es überhaupt nicht ins Konzept, was Jesus unmittelbar im Anschluss an das Messias-Bekenntnis des Petrus von sich sagt: Nach Jerusalem müsse er gehen, dort durch die religiösen Anführer des Volkes vieles erleiden und sogar getötet werden; jedoch werde er am dritten Tage auferstehen. Petrus hört nur Leid und Tod heraus, etwas, was mit seinem Messias-Bild überhaupt nicht überein geht, und weil er eine herausragende Rolle innerhalb des Jünger-Kreises hat, nimmt er sich heraus, Jesus zurechtweisen zu wollen: „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen!“ Zu sehr merkt Petrus, dass mit diesen Aussichten hier auch seine eigenen Zukunftspläne durchkreuzt werden, dass sich dann auch die Frage stellt, wie es mit ihm weitergehen soll, dass dann auch für ihn das Scheitern schon vorprogrammiert ist. Ob das nicht eine Rüge des Meisters durch seinen Schüler rechtfertigt?

Doch Jesus lässt sich das nicht gefallen. Ihn darf nichts von seinem Weg abbringen, nicht einmal der gerade zuvor noch hochgejubelte Petrus. Doch damit nicht genug. Nicht nur er, Jesus, will Kreuz und Leiden auf sich nehmen, nein, alle sollen das tun, die zu ihm gehören wollen.

Kreuzesnachfolge, Leidensbereitschaft wird zum Merkmal eines Jüngers Jesu – nicht nur vor 2.000 Jahren, sondern auch heute.

Zu wichtig ist die Sendung, die Jesus übernommen hat. Darum die rüden Worte an den Ersten der Jünger, darum die Ermahnung und Zurechtstutzung dessen, der eben noch Fundament der Kirche werden sollte: „Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast das im Sinn, was die Menschen wollen, nicht aber das, was Gott will.“

Was Gott will – darauf kommt es an.

Der Wille Gottes besteht nicht darin, dass in unserem Leben immer alles gut läuft und klappt und wir erfolgreich und glücklich sind. Wer diese Erwartungen hat, denkt menschlich, allzu menschlich. Selbstverständlich gibt es auch diese Erfahrungen, Wünsche und Hoffnungen. Aber es gibt eben auch die dunklen Zeiten, die nicht immer Krankheit, Leid und Tod bedeuten, aber doch das, was Jesus mit „Kreuz“ umschreibt. Auch das müssen wir aus Gottes Hand annehmen, wie Jesus als Sohn Gottes das Kreuz tragen musste.

Wer in Jesu Spuren gehen will, hinter ihm hergehen und sein Jünger bzw. seine Jüngerin sein will, muss bereit sein, auch ein Kreuz zu tragen.

Dabei kann das Kreuz ja ganz vieles bedeuten. Das Kreuz sieht für jeden und für jede anders aus. Mein Kreuz auf mich nehmen kann bedeuten, dass ich eine Krankheit annehme, die plötzlich auftaucht bei mir oder bei einem meiner Liebsten. In Seelsorgegesprächen sind mir schon ganz unterschiedliche Ereignisse oder Umstände begegnet, die Menschen als ihr Kreuz empfunden, angenommen und getragen haben.

Vielleicht denken wir manchmal von Menschen: Die haben es gut, die haben es leicht im Leben – und dabei tragen auch sie ein Kreuz, unter Umständen ein  schwereres, als wir es tragen könnten.

Wer weiß schon wie es im Inneren anderer Menschen aussieht?

Und so sagt Jesus zu Petrus: Du hast das im Sinn, was die Menschen wollen, nicht aber das, was Gott will.

Was Gott will – darauf kommt es an. Darin steckt das Leben.

Jesus geht nach Jerusalem für die Menschen, für unsere Erlösung und Rettung. Aus Liebe zu uns. Deshalb ist er so harsch zu Petrus. Weil der sich der Liebe in den Weg stellen will; der Erlösung, die Gott uns aus Liebe schenken will.  Jesu Aufgabe als Messias ist es, sich hinzugeben für andere, um ihnen das wahre Leben zu ermöglichen. Nicht mit politischen Zielen, nicht mit Gewaltmitteln will er das tun; das wäre unmöglich und aussichtslos.

Jesus geht nicht den Weg der Macht, sondern der Ohnmacht, der ohnmächtigen Liebe.

Petrus muss das erst noch begreifen, wie alle Jünger.

Erst wenn man sein Leben hingibt, gewinnt man es, das eigentliche Leben. Nicht Erfolg, Ansehen, Macht und Reichtum, nicht der „Gewinn der ganzen Welt“ verhelfen zum wahren, zum tiefsten Glück, sondern nur die sich verschenkende Liebe.

Jeder muss sein tägliches Kreuz auf sich nehmen, die Aufgaben bewältigen, die sich ihm tagtäglich stellen, jeder soll nicht den eigenen Nutzen und Genuss nur im Blick haben, sondern – weit wichtiger – den des anderen und das, was bleibt und echten Bestand hat. Dafür tritt Jesus ein, und dazu ruft er auch uns auf.

Jesus war, wie es ein Theologe einmal formulierte, „Mensch ganz für andere“.

Sein Lebensinhalt waren immer die anderen, waren die Menschen und deren Leben. Das ist nicht mit Kampf, nicht mit Gewalt, nicht mit Machtherrschaft zu schaffen, sondern nur mit Liebe, mit Vertrauen, mit Freundschaft, mit Selbsthingabe.

Petrus, der Erste der Jünger, musste das noch lernen. Doch er steht stellvertretend für uns alle. Auch wir müssen begreifen, immer neu und immer tiefer, was Gottes Wille ist. Ganz sicher geht es ihm nicht um das, was vergänglich ist, was keinen Halt bieten kann, was nur vordergründiger Schein ist. Es geht ihm um das, was bleibt; es geht ihm um das wahre Leben.

Dazu, zum Gewinn dieses Lebens, will er uns führen, manchmal eben auch durch Kreuz und Leiden hindurch.

Ein Mann erzählte mir vor kurzem von seinem Herzinfarkt, der ihn bedrohlich an den Rand des Todes gebracht hatte. Doch zugleich, so sagte er mir, sei das für ihn auch ein sehr heilsamer Schock gewesen. Seither reduzierte er ganz deutlich seine Überstunden im Beruf, seine Hektik und sein Engagement andernorts. Stattdessen widme er sich nun viel mehr seiner Familie. Und das tue ihr gut – und auch ihm selbst.

Amen.

Hier ein passender Song aus dem aktuellen Kino-Film „I still believe“, über den wir bereits berichteten.