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Pfarrer Christoph Kreitmeir: „Es ist an der Zeit, sich von Jesus neu ansprechen zu lassen“

In seiner Auslegung zur Sonntagslesung (1. Johannes 5,1-6) und zum Sonntagsevangelium (Johannes 20,19-31) richtet unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir am Barmherzigkeitssonntag seinen Blick auf das sich in unseren Breiten präsentierende Christentum und plädiert dafür, frischen Wind in verschlossene Räume wehen zu lassen.

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

 

Verschlossene Türen aus Angst – davon haben wir gerade gehört.

Und wir haben von Jesus gehört, der durch verschlossene Türen hindurch, gleichsam durch die Wand geht, um seine verschreckten Jünger aufzurichten und zu entängstigen. Er spricht ihnen Auferstehungskraft zu, die sie wieder nach Draußen, an die frische Luft, raus aus der Isolation hin zu den Leuten schickt.

Es könnte sein, dass bei Ihnen nun genau diese Sehnsucht angerührt wird:

  • Endlich wieder raus aus der Isolation, der Vereinsamung, der Depression. Endlich wieder Frühling, Blumen, Farbe, Bewegung, Freiheit, Reisenkönnen, wohin man will.
  • Endlich wieder ungezwungen sich mit anderen treffen können.
  • Endlich die Masken ablegen und frei und furchtlos durchatmen.
  • Endlich keine Angst mehr haben vor Corona, Inzidenzwerten und ich weiß nicht was noch alles.

Die heutige Geschichte aus dem Evangelium können wir in der Osterzeit 2021 nach über einem Jahr Pandemie wirklich sooo nachvollziehen.

Damals war es die Angst der Jünger vor den Juden, die sie als Sekte eines Mannes ansahen, der sogar nach seinem Kreuzestod alles durcheinander bringt. Und so ein Durcheinanderbringen war noch nie erwünscht!

Heute ist es die Angst vor einem unsichtbaren Virus, der die ganze Welt durcheinanderbringt und Menschen gefährlich depressiv, niedergeschlagen und kraftlos werden lässt.

Jesus hängt immer noch in vielen privaten und auch öffentlichen Räumen an der Wand und verändert leider fast nichts mehr in unserem Leben und in unserem Herzen.

Unvergesslich ist mir eine Erfahrung vor Jahren in einer bayerischen Gastwirtschaft, in der über dem Stammtisch der sog. Herrgottswinkel, also ein Kreuz mit Blumen angebracht war. Was am Stammtisch geschimpft, geflucht oder über andere hergezogen wurde und die Leute dort überhaupt nicht mehr wahrnahmen, dass über ihnen ein Kreuz war, das zeigte mir, wie kraftlos religiöse Zeichen im Laufe der Zeit werden können.

Heute hören wir von Jesus, wie er gleichsam durch die Wand ging, um Verschrecktes und Kraftloses wieder mit neuem Leben zu erfüllen. „Ein Mann geht durch die Wand“ – so hieß eine Komödienromanze mit Heinz Rühmann aus dem Jahr 1959.

Der kleine Steuerbeamte dritter Klasse mit niedrigem Selbstvertrauen, Herr Buchsbaum, entdeckt eines Tages zufällig, dass er durch Wände hindurch gehen kann. Mit der Zeit nutzt er diese Fähigkeit nicht nur dafür, sich gegen ungerechte Behandlung seines Chefs zu wehren, sondern er versucht auf nicht legalen Wegen seiner Nachbarin und seinem Freund Gutes zu tun, was zu reichlich Chaos und Verwirrung führt. Am Ende überwindet er seine Schüchternheit und begegnet durch eine wachsende Liebe seiner Nachbarin neu. Dabei entdeckt er am Ende des Filmes, dass er sich jetzt nicht mehr durch Wände hindurch mogeln muss, sondern ganz offen und frei anderen begegnen kann.

Es wäre wirklich wieder an der Zeit, dass Jesus nicht mehr kraftlos am Kreuz an der Wand hängt, sondern kraft- und wundervoll durch Wände, Ängste, Gewohnheiten und Verschlossenenheiten uns nicht nur aufrichtet, sondern uns ermuntert, inspiriert, begeistert und aus der Enge hinaus in die Weite führt.

Unsere Schüchternheit will sich durch wachsende Liebe zu aufrichtigem, ehrlichem und entschiedenem Handeln wandeln. Das Bewusstsein, dass mich tiefe Glaubenserfahrungen nicht nur selbstbewusster sondern auch mitteilungsfähiger machen, will wachsen.

Die Geschichte Jesu begann schon damit, dass für Maria und Josef mit dem neugeborenen Jesuskind kein Platz in der Herberge war. ER begann sein Heilswerk in einem Stall. Am Neubeginn seines erlösenden Tuns – nach seiner Auferstehung – überwand er trennende Mauern, Türen, Wände und abgesperrte Herzen und sagte zu einem seiner Jünger: „Sei nicht mehr ungläubig, sondern gläubig!“

Es ist an der Zeit, dass ein laues und osterfreies Christentum den Staub des Bedrückenden abschüttelt und sich von Jesus neu ansprechen und im Innern berühren lässt, damit die Idee von der Kraft Gottes wieder Hand und Fuß bekommt.

Durch uns?

Durch uns!

Amen.