Rita Süssmuth: „Wir brauchen Gott – aber er braucht auch uns Menschen“

In einer aktuellen Umfrage des Magazin stadtgottes unter prominenten Persönlichkeiten zur Frage, was die Bibel für deren Leben bedeutet, bezog auch die ehemalige Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestages Rita Süssmuth Stellung, die bis heute mit dem II. Vatikanischen Konzil „neue Nähe zu Gott“ verbindet und den Glauben als elementar für das menschliche Leben betrachtet.

Auf die Frage, welche Lehren Sie aus der Bibel ziehe, betonte die 83-Jährige, dass sie in den Bildern sowie „verborgenen und offenen Botschaften“ des Neuen Testaments erkenne, dass „Jesus immer auch für die am Rande da“ war. Dazu erklärte sie:

„Nehmen wir den barmherzigen Samariter oder die Weisung ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘. Mit anderen Worten: Nehmt einander an, seid füreinander Botschafter.“

Weiter betonte sie, dass sie eine Besonderheit in der Beziehung zu Gott sehe, die „aber viel zu wenig von uns Christen vertreten“ werde, was sdie CDU-Politikerin wie folgt näher ausführte:

„Es gibt kein einseitiges Gottesverhältnis! Wir brauchen Gott – aber er braucht auch uns Menschen. Denn von uns Menschen hängt es ab, ob die Botschaft verstanden und gelebt wird.“

Diese Botschaft dürfe auch nicht in einer Schwarz/Weiß-Einteilung im Sinne von „hier die Probelmatischen, dort die Geretteten“ ausgelegt werden, so Rita Süssmuth weiter.

 

Schon vor Jahren brachte sie gegenüber katholisch.de zum Ausdruck, dass sie eine destruktiven Glaubensvermittlung problematisch findet. In einer Rückschau auf das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) erklärte Rita Süssmuth im Oktober 2012, dass in der vorkonziliarischen Zeit ihrer Kindheit stets der strafende Gott im Mittelpunkt gestanden habe. Mit dem Konzil aber sei der Retter in den Blick gerückt; Gott, der keinen Menschen verloren gehen lässt, wie es in einem Konzilsdokument heißt. Bis heute verbindet Rita Süssmuth mit dem Konzil eine „neue Nähe zu Gott“. Die Heilige Messe habe sie fortan als „etwas, das verbindet“, erlebt, so die Politikerin weiter.

 

Im Interview mit dem Magazin stadtgottes betonte Rita Süssmuth im Dezember 2019, für wie wichtig sie den Glauben für das menschliche Leben hält. In diesem Zusammenhang erklärte sie u.a.:

„Ich muss sagen, ich habe oftmals Glück gehabt, mehr über das Menschliche zu gehen, als über das rein Rationale.“

Und:

„Für mich spielt der Glaube schon eine zentrale Rolle.“

Dabei wies die ehemalige Spitzenpolitikerin darauf hin, dass sie durch die Hirnforschung mit Blick auf das menschliche Lernen und Leben gelernt habe:

„Die emotionale und soziale Seite sind genauso wichtig, wie die kognitive.“

Diesbezüglich beklagte die am 17. Februar 1937 in Wuppertale Geborene, dass sie das Lernen oft als Drill empfand und auch heute bei Bildungstests „nur auf das Wissen, das Rationale geachtet“ werde. Die alten Pädagogen wie zum Beispiel Pestalozzi seien da „sehr viel weiter“ gewesen, weil sie „ganzheitlich“ gedacht und „den gesamten Menschen mit allen seinen Kräften“ gesehen hätten. Dazu sagte sie weiter:

„Heute ist es doch so: Wenn ich bei diesem Thema das Wort „Glauben“ nehmen würde, wäre das ja gestrig und veraltet. Aber, ich lass mir das nicht nehmen.“

In diesem Zusammenhang lege sie „Wert darauf, dass selbst die Hirnforschung, das zum Tragen bringt, was wir in der menschlichen Zivilisation vernachlässigt haben“, so Rita Süssmuth weiter.

Im Gegensatz zu vielfachen Stimmen, die den Glauben als etwas gestriges abtun, hält Süssmuth den Glauben für einen Wert, der für uns Menschen fundamental ist, insbesondere weil es ohne Glauben auch keine Hoffnung gäbe. Dazu betonte die Politikerin:

„Tatsache ist doch: Wir alle machen unsere Erfahrungen – egal, ob Jung oder Alt. Wichtig ist dabei doch nur: Auch bei Misserfolgen den Glauben nicht zu verlieren. ‚Vertrau auf Dich. Glaube an Dich.‘ Heute gescheitert, morgen weitermachen – das sollte die Prämisse sein.“

 

Im Interview mit dem Deutschlandfunk brachte Rita Süssmuth im Februar 2013 zum Ausdruck, dass wir in der Tiefendimension des Lebens entdecken könnten, dass es weit mehr als bloße Zufälle gebe. Dazu erklärte sie:

„Ich glaube nicht an Zufälle.“

Auch wenn es zufällige Ereignisse im Leben gebe und auch so manches „im ersten Augenblick“ als zufällig erscheinen möge, so stelle man bei genauerer Betrachtung in der Reflexion oft fragend fest:

„War es eigentlich ein Zufall? Oder ist aus dem Zufall eine Langzeitgeschichte entstanden?“

So ist für sie die Kraft, die sie aus dem katholischen Glauben bezieht, seit jeher wichtig mit Blick auf die Ereignisse in ihrem Leben, was sie an anderer Stelle im Deutschlandfunk-Interview nochmals wie folgt hervorhob:

„Glaube ist für mich eine wichtige Kraft, ganz wichtige. Deswegen glaube ich auch nicht an Zufälle.“

Diese Perspektive dürfte auch der Motor für ihr vielfältiges gesellschaftliches Engagement sein, wie etwa als Ehrenpräsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland oder als „Botschafterin für Alphabetisierung“ beim Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e. V.. Für ihre Verdienste wurde Rita Süssmuth vielfach geehrt.

Quellen: stadtgottes.de (1), katholisch.de, stadtgottes.de (2), deutschlandfunk.de