Schauspieler Edgar Selge: „Nur Konsument zu sein reicht nicht aus, um 70, 80 Jahre sein Leben gern zu leben“

Der Schauspieler Edgar Selge wurde in der Ein-Mann-Inszenierung von Michel Houellebecqs kontroversem Roman über eine Islamisierung Europas, wozu am Mittwoch in der ARD eine Fernsehfassung des Abends gesendet wird, zum Schauspieler des Jahres. Diesbezüglich sprach Edgar Selke in einem bemerkenswerten Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung auch über die Religiosität in der Gesellschaft und über seine eigene Religiosität.

In einer von so manchen befürchteten Islamisierung des Abendlandes und den im Zuge dessen viel beschworenen christlichen Wurzeln, sieht Edgar Selke eine Sehnsucht nach Religion im allgemeinen. Dazu sagt er:

„Die Gefahr ist doch, dass wir im Turbokapitalismus unser Heil nur noch im Konsum suchen. Und dass uns jede metaphysische Erdung fehlt.“

Durch die vielen Migranten, für deren Identität Religion „eine ganz wesentliche Rolle“ spiele, komme „viel Religion ins Land“. Das sei vor allem für Menschen, die areligiös sind, sich dabei aber nach tieferem Sinn sehnen, irritierend. Dazu sagt Selke wörtlich:

„Das provoziert natürlich, bewusst und vor allem unbewusst. Dass die etwas mitbringen, was wir nicht mehr haben – das macht, glaube ich, viele wütend.“

Und weiter gibt der 70-jährige zu bedenken:

„Ich denke, ein Abfallprodukt des Kapitalismus ist eine Lebensmüdigkeit. Aber nur Konsument zu sein reicht nicht aus, um 70, 80 Jahre sein Leben gern zu leben.“

Auf die Frage, ob denn für ihn persönlich Religion eine wichtige Rolle spiele, betont Edgar Selke:

„Ja, sie (Religion) spielt eine große Rolle, und sie hat meine Kindheit geprägt. Ich bin protestantisch aufgewachsen mit Eltern, für die der Glaube nicht nur eine Konvention war, sondern ihr Lebensinhalt.“

Im Alter von 14 Jahren sei ihm dann seine Religiosität abhandengekommen und durch den Umgang mit Literatur und Musik ersetzt worden. Aber im Laufe seines Lebens sei dann sein religiöses Bewusstsein wieder erwacht. Dazu sagt er:

„Im Alter kommt sie wieder, und ich blicke auf die vergessene Religiosität meiner Kindheit zurück wie auf einen verwilderten Garten. Und ich finde doch irgendwie schön, dass sie da ist. Ich kenne mich auch in der Bibel gut aus. Und es fällt mir nicht so schwer, meine metaphysischen Bedürfnisse zu entdecken.“

Der Houellebecq-Abend frage ganz stark, was den Menschen ihre eigene Religiosität eigentlich noch wert sei. Das sei dann auch für ihn ein Anlass gewesen, „über den Zusammenhang von Christentum und Humanismus, Menschenrechten und Demokratie nachzudenken“.

Das komplette Interview von Daniel Benedict mit Edgar Selge gibt’s auf der Homepage der Neuen Osnabrücker Zeitung

Quelle: noz.de