Bestseller-Autor Manfred Lütz: „Internationalität, Mitleid und Toleranz sind christliche Erfindungen“
Der Arzt und Theologe Manfred Lütz hat ein Buch mit dem Titel „Der Skandal der Skandale – Die geheime Geschichte des Christentums“ zur Geschichte des Christentums und der Kirche vorgelegt, das den Stand der Wissenschaft widergibt und damit überrascht, weil so manche vermeintliche Gewissheiten (Vorurteile) bei genauerer Betrachtung der historischen Fakten überraschenden Neubewertungen weichen müssen – auch beim Autor selbst. Im Interview mit der Westdeutschen Zeitung sprach er über die neuen Erkenntnisse.
Manfred Lütz ist überzeugt:
„Das Christentum ist die unbekannteste Religion der westlichen Welt.“
Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor begründet den Satz damit, dass die kursierenden Informationen über das Christentum „grotesk falsch“ seien und die Religion dadurch nachhaltig erschüttert und unglaubwürdig gemacht hätten.
„Es ist eigentlich peinlich, dass zwar viele Menschen in Deutschland vom christlichen Menschenbild und vom christlichen Abendland reden, aber kaum einer weiß, was das wirklich ist“,
so Lütz gegenüber der Westdeutschen Zeitung. Die Christen selbst würden sich für ihre eigene Geschichte schämen, ohne sie zu kennen. Dies sei der Grund, warum er nun „mein wichtigstes Buch“ geschrieben habe, indem nun „alle so genannten Skandale der Christentumsgeschichte auf dem heutigen Stand der Wissenschaft vorkommen“. Führende deutsche Historiker hätten nach der Lektüre die Richtigkeit bestätigt. Überrascht war Lütz selbst über den Umstand, dass die Hexenverfolgung von der weltlichen Justiz durchgeführt worden sind und von Kirchenleuten beendet wurden und die Opfer der Inquisition weit geringer waren als er angenommen hatte. Er ging von Millionen Opfer der Inquisition aus, tatsächlich fielen der spanischen Inquisition in 160 Jahren 826 Menschen zum Opfer.
Auf die Frage, welche anderen Wissenslücken bei ihm mit der wissenschaftlichen Beschäftigung der Geschichte des Christentums geschlossen wurden, antwortet Lütz:
„Dass Toleranz eine christliche Erfindung ist, wusste ich auch nicht.“
Im Lateinischen habe das Lasten tragen bedeutet, wohingegen die Christen den Fokus darauf setzten, Menschen anderer Meinung zu ertragen.
„Auch Mitleid ist eine christliche Erfindung“,
so Lütz weiter, denn erst durch das Christentum hätte der Wert des Mitleids Einzug erhalten, während die Heiden damals kein Mitleid gehabt hätten und z.B. einen Behinderten als von den Göttern bestraft angesehen haben. Darüberhinaus sei die Internationalität dem Christentum zuzuschreiben. Dazu sagt der 63-jährige:
„Und besonders aktuell: Die Internationalität ist eine christliche Erfindung. Für die Christen waren alle Menschen und alle Völker vor Gott gleich. Das hat das Reich Karls des Großen so stark gemacht, weil sich die germanischen Völker nach der Christianisierung nicht mehr gegenseitig den Schädel eingeschlagen haben.“
Explizit betont Lütz:
„Es geht nicht darum, die Kirche oder die Christen zu verteidigen, sondern nüchtern festzustellen, was war.“
Manfred Lütz ist der Meinung, dass „eigentlich jeder Christ“ dieses Buch lesen sollte sowie auch Atheisten, „damit sie verstehen, woher sie kommen, was die Grundlagen unserer Gesellschaft sind“. Das Bild des Christentums sei in vielen Köpfen immer noch geprägt von Märchen, die gegen die Christen erfunden wurden. Es gehe ihm um Aufklärung und Allgemeinbildung über die Fundamente unserer Gesellschaft.
Er hofft, dass sein Buch zu lebendigen Debatten führt, denn:
„So gut wie alle Parteien sprechen über ‚christliche Werte‘, jeder beansprucht dabei das Christentum einfach für sich. Aber was das Christentum wirklich ist, das kann man daran sehen, wie es war, wie es wirklich war.“
Das komplette Interview gibt’s unter wz.de
Einen weiteren Artikel dazu von Manfred Lütz mit dem Titel „Die Religion, die niemand kennt“ gibt’s unter welt.de
Manfred Lütz studierte Medizin, Philosophie und katholische Theologie in Bonn und Rom. 1979 erlangte er seine Approbation als Arzt, 1982 sein Diplom als Theologe. Lütz ist Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie. Seit 1997 ist er Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln-Porz, eines Fachkrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie.