Beatrice von Weizsäcker: „Ich merkte, dass Gott überhaupt nichts von mir verlangt“

Die Juristin, Autorin und freie Journalistin Beatrice von Weizsäcker wechselte vor drei Jahren von der evangelischen Kirche in die katholische Kirche. Insbesondere die Sakramente „als Zeichen der Nähe und der Gegenwart Gottes“ bedeuten ihr heute viel (wir berichteten). Kürzlich kam nun ihr Buch „Vaterunser – Gebet meiner Sehnsucht“ (Herder-Verlag) auf den Markt, in dem sie das Gebet, das Jesus lehrte, Satz für Satz reflektiert. Insbesondere die Auslegung von „Dein Wille geschehe“ wurde für sie lebensrelevant.

In der Zeit-Beilage „Christ & Welt“ schrieb Beatrice von Weizsäcker aktuell über ihre Sicht vom Himmel, mit der sie sich schon in Kindertagen beschäftigte. Während sie sich als Kind vor der Unendlichkeit des Firmanents fürchtete, hofft die 64-Jährige heute, eines Tages in Gottes Reich mit geliebten Menschen vereint zu sein.

Kraft und Orientierung auf ihrem Lebensweg gibt ihr das Vaterunser-Gebet, das sie in ihrem neuen Buch Satz für Satz reflektiert. Im Interview mit domradio.de sprach von Weizsäcker über ihre Beweggründe für ein Buch über dieses „Gebet, das man von Kindesbeinen und von jedem Gottesdienst kennt“. Im Gebet bringe sie ihre Dankbarkeit, Hoffnung, Verzweiflung oder auch Sehnsucht nach Gott zum Ausdruck. Diese Motive seien „sehr stark“ im Vaterunser präsent, „wenn es um das Reich geht, den Willen, den Himmel, das Brot, die Schuld“, so die Autorin.

Insbesondere die vernunftbegründete Reflexion der Zeile „Dein Wille geschehe“ wurde für Beatrice von Weizsäcker lebensrelevant, als vor wenigen Jahren ihr Bruder Fritz in Berlin ermordert wurde. Die allzu einfache Auslegung, dass alles, was auf Erden geschieht, Gottes Wille sei, konnte hier nicht mehr greifen. Diese Tat, die sie „aus der Bahn geworfen“ habe, werde „immer unbegreiflich“ sein. Für Beatrice von Weizsäcker wurde in der Reflexion darüber klar:

„‚Dein Wille geschehe‘ heißt nicht im Umkehrschluss, alles, was geschieht, ist dein Wille.“

Und weiter:

„Der Gedanke daran, dass Gott etwas mit dieser Tat zu tun hat, ist vollkommen absurd für mich.“

Vielmehr habe sie das ‚Dein Wille geschehe‘ „ein bisschen wie ein Mantra gebetet“, was „eine erstaunliche Kraft“ in ihr entfaltet habe. Insbesondere dadurch, dass sie diese Zeile auf sich bezog, habe ihr die Kraft gegeben, auf dieses existenzielle Ereignis zu reagieren und sich zu kümmern. Dabei wurde ihr die frohe Botschaft des Evangeliums offensichtlich, was Beatrice von Weizsäcker mit folgenden Worten darlegt:

„Ich merkte auch, dass Gott überhaupt nichts von mir verlangt. Er verlangte nicht, dass ich in die Kirche gehe, eine Kerze anzünden, bete oder sonst irgendwas.“

Aus dieser Perspektive entdeckte sie, „dass es offensichtlich nach meinem Glauben Sein Wille war, dass ich umgeben war mit Menschen, die mir halfen“. Dazu betont sie weiter:

„Und das, finde ich, ist ein Teil von ‚Dein Wille geschehe‘. Nicht die Tat, aber was dann für mich an Hilfe kam.“

Zudem legte Beatrice von Weizsäcker die Bedeutung der Vaterunser-Worte „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ sowie „Führe uns nicht in Versuchung“ im Domradio-Interview dar und zeigte auch dabei, dass sie das Vaterunser in der befreienden Weise des Evangeliums erfährt.

 

Wie nah ihr der Autor des Vaterunser-Gebets im Leben ist, schilderte Beatrice von Weizsäcker in ihrem Buch „Haltepunkte. Gott ist seltsam, und das ist gut“ (Herder-Verlag), das sie zusammen mit dem evangelischen Pfarrer Norbert Roth verfasste. Darin beschreibt sie Besuche in Marias Geburtskirche St. Anna und der Todesangst-Basilika mitten im Garten Gethsemane. An diesen Orten wurde der Glaube für sie greifbar verbunden mit der Erfahrung, dass Jesus wirklich bei ihr ist, als Freund, Vertrauter, als neuer Bruder.

Als sich Beatrice von Weizsäcker im Herbst 2022 mit dem Redakteur der Münchner Kirchenzeitung, Joachim Burghardt, für die Reihe „Über Gott und die Welt“ zum Gespräch traf, erklärte sie mit Blick auf die Zumutungen des menschlichen Lebens:

„Das Gute an Jesus ist: Er kennt ja den ganzen Mist.“

Dabei räumte sie auch ein, dass sie auch ihre Klagen vor Jesus bringt, wobei sie sich der Unergründbarkeit Gottes bewusst ist. Davon zeigte sie sich wiederum „tief fasziniert“ und begreift diese wie „ein Geschenk, das man nie ganz auspacken kann“.

Im Sommer 2022 erklärte Beatrice von Weizsäcker in einer Folge des Aufwacher-Podcasts „Um Gottes Willen!“, dass sie der Glaube in ihrem Leben zuversichtlicher und gelassener werden ließ. Dazu sagte sie:

„Dass ich meine Freude und meine Trauer teilen kann, entlastet mich und macht mich frei.“

Quellen: zeit.de, herder.de, domradio.de, rp-online.de, jesus.de, mk-online.de