Beatrice von Weizsäcker: „Ich mag die Sakramente als Zeichen der Nähe und Gegenwart Gottes“

Die Juristin und Publizistin Beatrice von Weizsäcker trat in diesem Jahr, in einer Zeit in der Menschen in Scharen sich von der Kirche abwenden, in die katholische Kirche ein. Diese Entscheidung begründet die 63-Jährige mit einer Sehnsucht nach Geborgensein, Zuhausesein und Beheimatetsein, die ihr „eigenes Innerstes“ betrifft.

Im Interview mit katholisch.de betont Beatrice von Weizsäcker, die viele Jahre in der evangelischen Kirche engagiert war, unter anderem im Präsidium von evangelischem und ökumenischem Kirchentag, dass ihre Konversion keine Entscheidung gegen die evangelische Kirche war. Bi ihrer Entscheidung spielte weniger Theologie oder Kirchenpolitik eine Rolle, als vielmehr die Gemeinschaft, die vom Glauben getragen ist, und die sie über Jahre insbesondere in einem katholischen Chor erlebte. Dieser Chor sei „nicht nur eine sangesfreudige Gemeinschaft“ gewesen, sondern auch „eine Gemeinschaft des Fröhlich-miteinander-Seins und des Füreinander-da-Seins, ohne aufdringlich zu werden“. Diese Form von Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu erleben, eine „Form von Gemeinschaft, die mit Worten nicht zu fassen ist, die ein Licht gebracht hat – und mit dem Licht auch Wärme“, habe „immer großen Eindruck“ auf sie gemacht und sie schlussendlich bestärkt in die katholische Kirche einzutreten, erklärte Beatrice von Weizsäcker.

Dazu kam, dass es sie ansprach, dass der katholische Gottesdienst überall auf der Welt nach dem gleichen Ritus abläuft und in ihm mehrere Sinne angesprochen werden, wie etwa durch den Weihrauch oder das Kreuzzeichen, dass man „an sich selbst vollzieht, also visualisiert“. Weiter sagte die Juristin:

„Ich mag die Sakramente als Zeichen der Nähe und der Gegenwart Gottes. Sie bedeuten mir viel.“

Dabei erkennt sie „Sakraments-Menschen“, die für sie wie Engel sind, die Gott ihr „in bestimmten Situationen“ begegnen lasse. Zusammenfassend betont Beatrice von Weizsäcker gegenüber katholisch.de:

„Das sind Dinge, die ich anziehend finde und mag: dieses Geborgensein, dieses Zuhausesein, dieses Beheimatetsein.“

Bei diesem Schritt, der mit einer Erwachsenen-Firmung in einem regulären Samstagabend-Gottesdienst vollzogen wurde, ließ sie sich geistlich begleiten.

Danach gefragt, warum sie in einer Zeit, in der sich katholische Christen rechtfertigen müssen, warum sie dieser Kirche noch angehören, den entgegengesetzten Schritt geht, erklärt Beatrice von Weizsäcker, dass es bei ihrer Entscheidung um ihr eigenes Inneres gehe.

Auch wenn sie den Reformbedarf in der katholischen Kirche als „enorm“ einstuft und etwa die Haltung zur Segnung homosexueller Paare als „vollkommen falsch“ bezeichnet, verweist die 63-Jährige darauf, dass es bei der Entscheidung für eine Glaubensgemeinschaft auch um etwas anderes gehe als um die Sicht auf Kirchenpolitik und Strukturen. Vielmehr gehe es bei dieser Entscheidung um „die Frage nach dem Glauben“. Die Ambivalenz dessen beschreibt die Publizistin wie folgt:

„Es geht einmal um Macht, Politik und Strukturen – und einmal um mein eigenes Innerstes. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das eine interessiert mich, das andere macht mich aus.“

Dass die derzeitigen Missstände jedoch abgestellt werden müssen, stehe für sie außer Frage.

 

Bereits im Jahr 2013 hob Beatrice von Weizsäcker im Interview mit dem Magazin Chrismon den Wert der Glaubensgemeinschaft hervor. Damals sagte sie:

„Die Kirchen sind wichtig wegen der Gemeinschaft, ihretwegen gehen wir zum Gottesdienst.“

In diesem Interview sprach die Juristin über ihren Glauben und den damit einhergehenden Zweifeln, die für sie zum Glauben dazugehören.  Dazu sagte sie:

„Zweifel und Glaube sind meine Begleiter, seitdem ich denken kann.“

Dabei ist ihr aber klar, dass das Geheimnis „Gott“ kein Geheimnis wäre, wenn wir auf ­die Theodizee-Frage eine klare Antwort hätten. Weiter erklärte sie:

„Der Zweifel kommt aus dem Verstand, der Glaube aus dem Innern.“

Ihr gehe es gut in Zeiten, in denen „Innen und Außen übereinstimmen“. Dass sie nach Wahrheiten suche, passiere von ganz alleine, weil sie ihr Herz dazu dränge. Überhaupt zeigt sich Beatrice von Weizsäcker gewiss, dass jeder Mensch „an etwas“ glaube, auch diejenigen die das offen verneinen. Dazu erläuterte sie:

„Atheisten glauben an Nicht-Gott, den sie ebenso wenig beweisen können wie Glaubende ihren Gott. Sie verneinen zwar Gott, sprechen aber oft von Schicksal, manche verwenden Begriffe wie Fügung.“

Weiter verwies sie darauf, dass es im Zuge eines Unglücks in der Familie „oft um die Frage nach Gott“ gehe, also nach jemandem, an den eigentlich nicht geglaubt wird.

Zu ihrem Gottesbild sagte Beatrice von Weizsäcker damals:

„Gott ist für mich die Quelle, er ist mein Begleiter, und er schützt mich. Er ist da, egal wo ich bin und wie es mir geht.“

In ihrer Beziehung zu Gott sei sie aber „immer kritisch“ und lasse sich nichts einreden. Dazu erklärte sie weiter:

„Ich höre nur auf mein Inneres. Die Stimme meines Herzens ist die Stimme Gottes.“

Wenn Soziologen wie etwa Siegfried Kracauer den Glauben als einen „Schleichweg der Schwachen“ beschreiben, steht von Weizsäcker dem konträr gegenüber. Für sie ist der Glaube „ein aufrechter Gang der Stärke“, gerade deshalb „weil ich mich vor den Fragen des Lebens und des Todes nicht drücken kann, weil ich die Frage, was nach dem Sterben kommt, nicht mit einem einfachen ‚Nichts‘ beantworten kann, weil ich mich dem Geheimnis stelle, weil ich es muss. Gerade weil ich den Zweifel kenne und darum infrage stelle, was ist und was kommt“, so die Publizistin damals gegenüber Chrismon. Weiter betonte sie, dass die Behauptung, dass der Glaube nur etwas für Schwache oder gar der Weg des geringsten Widerstands sei, nur von jemandem aufgestellt werden könne, der „keine Ahnung“ habe, „wie sehr einen der Glaube umtreiben kann“ und wie stark man den Glauben in Zweifel ziehen könne und damit verbunden auch sein eigenes Leben.

Sie entdecke den Glauben insbesondere, wenn sie im Leben gefordert sei und ihr dabei eine Kraft zuwachse, die jenseits von Adrenalin in ihr stecke und die sie als göttliche Kraft empfindet.

 

Im Buch „Haltepunkte“, das vor kurzem im Herder-Verlag erschienen ist, schreib Beatrice von Weizsäcker zusammen mit dem Theologen und Pfarrer Norbert Roth über die Orte, an denen sie Gott neu und anders erfahren haben: Berlin, Jerusalem, Heiligenkreuz, St. Ottilien und nicht zuletzt München, auch auf dem Oktoberfest. Es geht um Leid, Glück, Stille, Sehnsucht, Schuld und Tod, aber auch Themen wie Sterbehilfe und Konfessionsunterschiede. Ein Buch über die Gottsuche im Lärm und in der Stille.

Quellen: katholisch.de, herder.de, rp-online.de, tagesspiegel.de, chrismon.evangelisch.de