Christine Lieberknecht: „Heranwachsende brauchen einen festen Bezugspunkt. Kirche kann das bieten“

Die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die 1958 in Weimar geboren wurde, war bis 1990 als Pastorin tätig. Nach dem Mauerfall machte sie Karriere als CDU-Politikerin: Bevor sie 2009 Regierungschefin von Thüringen wurde, war sie bereits Ministerin, Fraktionschefin und Landtagspräsidentin. Orientierung gab ihr zu allen Zeiten ihr Glaube. Im Interview mit der Kirchenzeitung Glaube + Heimat (Ausgabe vom 22. August) verlieh die 63-Jährige ihrer Hoffnung Ausdruck, dass wieder mehr Menschen „mit dem Leuchtfeuer des Evangeliums“ angesteckt werden.

Nicht im Verwalten, sondern in der aktiven Zuwendung zu den Menschen sieht Christine Lieberknecht den Schlüssel für ein künftiges Erstarken der Kirche. Diesbezüglich betonte sie, dass Gott den Menschen neben dem Glauben im Herzen auch zwei Hände zum Anpacken gegeben habe. Sie ist überzeugt:

Wenn den Menschen klar sei, dass Jesus für alle gestorben ist, könnten sie auch theologische Unterschiede ertragen und dem Gegenüber in dieser Weite begegnen.

Dabei zog sie einen historischen Vergleich, indem sie mit Blick auf die friedliche Revolution, die 1989 in der DDR mit den Montagsgebeten in Kirchen ihren Anfang nahm, hervorhob:

„Bei den Friedensgebeten 1989 haben sich alle im Geist Jesu versammelt.“

Wenn man dies heute noch mal wage, könne es gelingen, ganz andere und viel mehr Menschen zu erreichen als bisher. Dazu erklärte sie:

„Man muss die Menschen mögen. Es gibt sicher viel mehr, die man gewinnen könnte, wenn man sie nur anspricht.“

Solange es Christen gebe, die andere mit dem Leuchtfeuer des Evangeliums anstecken, sei ihr um die Kirche nicht bange. Auch wenn es heute oft nicht leicht sei, junge Menschen für den Glauben zu begeistern, ist sich Christine Lieberknecht gewiss:

„Heranwachsende brauchen einen festen Bezugspunkt. Kirche kann das bieten.“

Dazu braucht es ihrer Meinung nach aber das „Brausen vom Himmel“, mit dem in der Apostelgeschichte im Neuen Testament das Pfingstwunder beschrieben wird.

Im Magazin der Schönstatt-Bewegung „basis“ schrieb Christine Lieberknecht im Mai 2021 in einem Kommentar, was Pfingsten und damit das „Brausen vom Himmel“ für sie bedeutet. Das „Brausen vom Himmel“, das in der Apostelgeschichte beschrieben wird, sei die „großartige Verständigung unter den Völkern, die uns als Botschaft von Pfingsten gleichsam mit dem Geburtstag unserer Kirche ins Stammbuch geschrieben ist“. Dadurch seien die Jünger Jesu in Bewegung gekommen, hätten ihre Furchtsamkeit überwunden und seien auf andere Menschen zugegangen, so dass lebendige christliche Gemeinden mit dem Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit entstanden. Mit Blick auf die Corona-Pandemie, „einer Zeit, in der Menschen so viele offene Fragen haben“, betonte die ehemalige thüringische Ministerpräsidentin:

„Es ist der Geist Gottes, der Christen zum Pfingstfest unter den gegenwärtigen pandemiebedingten Einschränkungen nicht angsterfüllt verzagen lässt, sondern der uns ermutigt, die Sorgen und Nöte der Menschen (…) in unsere Kirchen zu holen und uns ebenso als Kirche in Bewegung dorthin zu setzen, wo die Menschen sind.“

In diesem Sinne sei Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden der Ort der Glaubensweitergabe und Nächstenliebe sowie „der Ort, an dem Erneuerung durch Gottes Geist beginnt“. Weiter betonte Lieberknecht:

„Hier ist der Ort, an dem wir zum Pfingstfest mit neuem Schwung das Bild der Zukunft unserer Kirche in leuchtenden Farben malen dürfen: rot, weiß und blau, grün, violett, gelb… wie auch immer jeder von uns die Lebendigkeit Gottes erfahren mag.“

Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie forderte die evangelische Theologin die Kirchen auf, näher bei den Menschen zu sein. Im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärte sie diesbezüglich u.a., dass „in einer Zeit, in der Menschen mehr als sonst nach dem Zusammenhang von Leben und Tod und nach den Grenzen ihrer Existenz fragen“ die Kirchen den Auftrag haben, das zu verkünden, „was nur sie verkünden können: Nämlich die mutmachende und tröstende christliche Botschaft, zu der auch eine ganzheitliche Sicht des Menschen gehört“, so Lieberknecht. Dabei betonte sie auch den Wert der Freiheit, den der christliche Glauben bietet.

Im April 2021 erklärte Christine Lieberknecht im Podcast „Mit Herz und Haltung“ der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, dass sie sich eine größere „Erkennbarkeit“ von Christen und Kirchen in Politik und Gesellschaft wünsche. Diesbezüglich sagte sie weiter:

„In einer zunehmend säkularen Welt ist es heute nicht weniger wichtig, die Bezugspunkte des christlichen Glaubens zu benennen, aus denen heraus sich ein bestimmtes politisches Handeln begründet.“

Quellen: meine-kirchenzeitung.de, pro-medienmagazin.de, domradio.de (1), deutschlandfunk.de, schoenstatt.de, uni-bamberg.de, basis-online.net, chrismon.evangelisch.de, evangelisch.de, domradio.de (2), katholisch.de