Thomas Middelhoff rät Führungskräften: „Lasst den nächsten Schritt aus, wenn es Eurem Charakter widerstrebt“

Thomas Middelhoff war einer der einflussreichsten Manager Deutschlands. Nach der Pleite von Arcandor wurde er zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Untreue zu Lasten des Handelskonzerns verurteilt. Er erlebte den Verlust seines Vermögens durch eine Privatinsolvenz, die Scheidung nach 45 Ehejahren und eine schwere Krankheit. Im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger erklärte er aktuell, wie sehr ihn diese Zeit geprägt hat. Waren es früher materielle Dinge und das Streben der Beste um jeden Preis zu sein, was er anvisierte, so ist es heute der christliche Glaube, der seinem Leben Sinn und Richtung verleiht.

Thomas Middelhoff gibt im Interview zu verstehen, dass er erst ganz unten landen musste, um zu verstehen, was im Leben wirklich wichtig ist und was wirklich trägt. Auf die Frage, was der Weg von einem der angesehensten Top-Manager Deutschlands bis nach ganz unten ins Gefängnis mit ihm gemacht habe, antwortet der 65-jährige u. a.:

„Das ist eine Entwicklung, die im Ergebnis zu einem bewussteren Leben führt und zu einer anderen Definition von Glück, die mit materiellen Dingen eigentlich nichts mehr zu tun hat.“

Weiter betont er, dass er sich seither in seiner Persönlichkeitsstruktur und in Bezug auf seine charakterlichen Eigenschaften verändert habe.

In seiner Zeit als Spitzenmanager hab er immer mehr gearbeitet, zuletzt bis zu 90 Stunden in der Woche, ohne Orientierung an bleibenden, tragenden Werten. Dazu sagt er:

„Ja, das war eine Art Sucht. Was ich nicht verstanden hatte: Je inhaltsleerer ich eigentlich war, desto mehr wollte ich immer noch obendrauf legen – immer noch mehr Arbeit, immer noch mehr materielle Dinge, für die ich sowieso keine Zeit hatte.“

Er habe sich dabei selbst überholt, so Middelhoff rückblickend.

Wirkliche Erfüllung habe er dagegen bei seiner Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel gefunden, so der frühere Bertelsmann- und Arcandor/Karstadt-Quelle-Manager. Wenn er heute noch einmal für das Führungsstruktur-Konzept von Bertelsmann verantwortlich wäre, würde er die Führungsnachwuchskräfte für vier bis sechs Wochen in die Werkstatt für behinderte Menschen nach Bethel schicken und ihnen sagen:

„Lernt Demut! Kümmert Euch um diese Menschen! Baut eine Beziehung auf! Ich bin sicher, dass man dann bei der Entscheidung, ob man Arbeitsplätze abbaut, etwas nachdenklicher sein würde.“

Jungen Führungskräften rät er heute aufgrund seiner gesammelten Erfahrung:

„Behaltet euren Charakter! Lasst euch nicht einreden, dass Ihr eine Entscheidung umsetzen müsst, nur um etwas zu beweisen. Lasst den nächsten Schritt aus, wenn es Eurem Charakter widerstrebt.“

Sich selbst gesteht er reumütig ein, dass er all das als Spitzenmanager „leider nicht gemacht“ habe.

Das Streben nach materiellen Dingen relativiert er heute aus eigener Erfahrung. Wenn Menschen über einen Ferrari oder eine Yacht bei St. Tropez staunen, dann könne er sagen: „Mein Gott, wenn Ihr das hättet – Ihr wärt nicht glücklich. Denn ich weiß es! Es macht nicht glücklicher“, so Middelhoff.

Diese im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger formulierte neue Lebensorientierung erhielt Thomas Middelhoff durch seine Beziehung zu Gott, die er im Gefängnis suchte und fand. Darüber sprach er im Mai 2018 auf dem 101. Katholikentag in Münster bei einem Podiumsgespräch. Im Gefängnis habe er seinen in der Kindheit vermittelten katholischen Glauben, der eine lange Zeit in seinem Leben keine Rolle gespielt habe, wiedergefunden. Dort habe er regelmäßig in der Bibel gelesen und täglich den Rosenkranz gebetet. Auch sei er zum ersten Mal seit seinem 16. Lebensjahr wieder zur Beichte gegangen.

Thomas Middelhoff erkennt nach der Berg- und Talfahrt in seinem Leben für sich heute:

„Gott hat mich auf einen Weg zurückgeführt, den ich verlassen hatte.“

Quellen: ksta.de und nw.de