Harald Lesch: „Die Frage nach einem freien Willen des Menschen würde ich immer mit ‚Ja‘ beantworten“

Der Astrophysiker und Naturphilosoph Prof. Dr. Harald Lesch besitzt die Gabe, Themen vom Klimawandel bis zur Künstlichen Intelligenz auf eine Weise so zu erklären, dass dies viele Menschen zum Mitdenken anregt. Zum 10-jährigen Bildschirmjubiläum im ZDF äußerte sich der gläubige Christ, der nach eigenen Angaben Protestant vom Scheitel bis zur Sohle ist, sehr besorgt um die Schöpfung, betont des Weiteren den „freien Willen“ des Menschen und plädiert für den Wert der Ruhe. Darüber sprach er mit dem Magazin Prisma.

Obgleich über den Klimawandel „viel“ berichtet werde, sei „die Größe des Themas bisher weder in unsere Hirne noch in unsere Herzen eingedrungen“, so Lesch im Interview mit dem Magazin Prisma. Mit einem dramatischen Appell formuliert er:

„Wenn wir nicht ganz schnell handeln, wird uns die Welt um die Ohren fliegen.“

Ein weiteres Thema, das seiner Ansicht nach in den Mittelpunkt der Diskussion rücken sollte, ist die synthetische Biologie, da die Wissenschaft „sehr bald“ in der Lage sein wird, künstlich Leben zu erzeugen, was „unsere Welt enorm verändern“ werde.

Einen Wissenschaftsbereich, den er für „am meisten überschätzt hält“ sei die Hirnforschung. Als Bespiel nennt er die Frage nach einem freien Willen des Menschen. Dazu betont er:

„Ich würde sie (Anm.: die Frage nach dem freien Willen) immer mit „ja“ beantworten.“

Diese Frage sei wissenschaftlich kaum zu beantworten,

„da die Innenperspektive eines Menschen nicht messbar ist“.

In diesem Bereich werde man durch Forschung nicht „nennenswert weiterkommen“, so der 58-jährige Professor für Physik an der TU München.

Was unserer Zeit heute abgeht, ist in den Augen von Lesch der Wert der Ruhe. Dazu führt er aus, dass neben Rationalitär auch die „Freude am Leben“ eine gute Gesellschaft ausmache. Rationalität und damit verbunden, rationale Entscheidungen zu treffen, brauche aber Ruhe. Das schneidet sich mit dem Phänomen unserer Zeit, dass viele Menschen heute „auf unterschiedliche Art ständig unter Druck“ seien. Dazu betont Lesch ein altes Sprichwort und sagt:

„‚Gut Ding will Weil haben‘ – heißt es. Die angesprochene Ruhe haben aber die meisten Menschen heute aber nicht mehr.“

Ein Problem sieht er diesbezüglich auch im stetigen Streben nach noch größerer Effizienz und plädiert dafür, sich „von jenen digitalen Diktatoren“ zu lösen, „die unser Leben im Griff halten“. In diesem Zusammenhang äußerte er weiter folgenden Wunsch:

„Schön wäre es, in einem Land zu leben, das großzügiger, langsamer und nicht so verrückt nach Geld wäre.“

Er selbst verschaffe sich einfach Ruhe. Ein unglaublicher Zeitgewinner sei es, dass er kein Smartphone besitze. Dabei ist ihm bewusst, dass er, der aus einfachen Verhältnissen stammt, heute priviligiert ist, wofür er sich im Prisma-Interview dankbar zeigt.

Bezüglich des Zusammenhalts einer heutzutage durch Neo-Liberalismus auseinanderdriftenden Gesellschaft betont Lesch den Wert der Solidarität und des ehrenamtlichen Engagements. Das Gefühl der Solidarität sei auch heute in der Gesellschaft immer wieder zu spüren, etwa bei Überschwemmungen. Solidarität werde nur „zu wenig belohnt“.

Für ehrenamtliche Tätigkeiten, die früher normal gewesen seien, fehle den Menschen heute einfach die Zeit. So habe er als Student noch schlendern können, während seine Studenten heute im Zuge der europäischen Studienreform von Bologna „keinerlei freie Zeit“ mehr hätten, was Stress erzeuge und unglücklich mache.

Diesbezüglich gibt Harald Lesch appellierend zu bedenken:

„Wir unterwerfen unser Leben immer mehr einer Taktung – und die Digitalisierung unterstützt diesen Prozess. Wir müssen daran arbeiten, dass wir unser Leben wieder weniger getaktet, sondern in freieren Rhythmen leben.“

Quellen: prisma.de, theologie-naturwissenschaften.de und zdf.de

Eine Hilfe bei der Lebensbewältigung könnte ein „Gefühl und Geschmack für das Unendliche“ sein. Dieses Bild von Gott diskutierte Harald Lesch mit dem evangelischen Theologen Dominik Metz: