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Pater Christoph Kreitmeir: „Das Eigentliche im Leben ist ein Geschenk“

In seiner Auslegung zur heutigen Sonntagslesung (Weish 9, 13-19) und zum Sonntagsevangelium (Lk 14, 25-33) schildert unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir, was es bedeutet, als Christ in den Fußspuren Jesu zu gehen und dadurch weise zu werden.

 

Anbei die Worte der Predigt von Pater Kreitmeir als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

Die heutige Lesung und das Evangelium bringen mich wieder in Kontakt mit einem Wunsch, den ich als junger Mann schon hatte, der aber im Laufe des Lebens immer wieder verblasste oder sich andere vor ihn schoben. Als junger Mann wusste ich länger nicht, was ich beruflich machen, in welche Richtung ich gehen sollte. Irgendwann fragte mich mein Vater dann einmal: „Christoph, was willst du einmal werden?“ Meine damalige Antwort wundert mich heute noch, denn ich sagte: „Ich will weise und glücklich werden.“ Mein Vater war klug und weise genug, dies nicht als Hirngespinst oder lebensfremd abzutun, sondern es als Antwort gelten zu lassen.

Gut vierzig Jahre später – und ich entschied mich für die Nachfolge Christi als Ordensmann und Priester und erlernte dabei mehrere Berufe – gut vierzig Jahre später kann ich sagen, dass ich diesen besonderen Wunsch nicht verloren habe.

Ich habe gelernt, dass ein wichtiger Teil von Weisheit es ist, sich in den Wechselfällen des Lebens nicht aufzureiben, nicht permanent meinen Kopf durchzusetzen, sondern auf Gottes Plan mit mir zu vertrauen.

Der ist fast nie deutlich sichtbar, er kann aber manchmal reflektierend und meditierend entdeckt werden.

 „Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen oder wer begreift, was der Herr will?“, so hieß es gerade in der Lesung aus dem Buch der Weisheit. Ja, genau, so ist es. Man denkt, plant, sorgt sich, aber nachher erweist sich vieles doch anders als gedacht. Unser Mühen bleibt oftmals ohne den erhofften Erfolg und Schicksalsschläge durchkreuzen unsere Pläne. Zusammenhänge erschließen sich uns meist nicht und viele Fragen an das Leben bleiben unbeantwortet.

Den Überblick zu haben, den Durchblick zu bekommen und den Sinn von allem zu begreifen – ja, das ist eine Kunst, ein Geschenk der Weisheit und Einsicht und letztlich ein Geschenk von Gott.

Das Eigentliche im Leben ist ein Geschenk, wir können es nicht machen, wir können aber den Sinnanruf der jeweiligen Situation entdecken und darauf aktiv antworten.

Der Psychiater Viktor Emil Frankl sagte einmal einen sehr weisen Satz, den ich verinnerlicht habe: Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt. Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte, der dem Leben zu antworten – das Leben zu ver-antworten hat.“

Ein weiser Mensch hat ein hörendes Herz. Daraus folgt dann entweder Tun oder Lassen.

Die österreichische Psychologin und Weisheitsforscherin Judith Glück nennt fünf Prinzipien für ein gelingendes Leben (Glück, Judith (2016). Weisheit. Die fünf Prinzipien des gelingenden Lebens. München: Kösel Verlag):

  • Offenheit für neue Perspektiven
  • Einfühlungsvermögen
  • Reflektiertheit
  • Ein kluger Umgang mit den eigenen Gefühlen (Emotionsregulation)
  • Selbstvertrauen

Um also ein weiser Mensch zu werden, darf man eine Haltung der Offenheit, des Mitgefühls und der Reflektion entwickeln, indem man Erfahrungen auswertet, schwierige Situationen annimmt und neue Perspektiven zulässt.

Dabei ist es wichtig, seine Gefühle im Griff zu haben, für andere Verständnis aufzubringen und das Wissen, dass man nur eine begrenzte Kontrolle über das Leben hat. Selbst schwere Lebensereignisse, die als Zumutung empfunden werden, können in einem geistige und seelische Widerstandskräfte entwickeln (Resilienz, Trotzmacht des Geistes, Weisheit). Geduld ist eine der Früchte, die zu einer Lebensweisheit führen können.

Als Christen dürfen wir in den Fußspuren Jesu gehen, ihm nachfolgen und von ihm lernen, auch wenn das oft nicht leicht ist.

Das heutige Evangelium, wo er uns zur Nachfolge aufruft, spricht davon. Es ist von Kreuztragen die Rede. Wer weise auf das Leben sieht, wird erkennen, dass es immer darum gehen wird, Schweres aushalten zu können, Leid, Unglück und Belastendes zu tragen und zu ertragen.

Der Christ weiß sich aber in seinem Tragen und Ertragen nicht allein.

Er trägt sein Kreuz hinter Jesus her, er hat Blickkontakt mit ihm und weiß, dass durch Jesus das Kreuz nicht das letzte Wort hat. Schwere Lebensereignisse können zum entscheidenden Auslöser für die Entwicklung von Weisheit sein.

Mit Jesus hat man das vor Augen, was hinter und nach dem Kreuz kommt: Auferstehung, Heil, neues Leben, Erlösung, Heimat, Liebe …

Als junger Mann suchte ich Weisheit und Glück. Ich entdeckte im Laufe der Jahre und Jahrzehnte, dass Weisheit mehr ist als Glück, sie geht tiefer, gibt länger wirkliche Nahrung. Glück ist wie Kuchen, Weisheit wie Schwarzbrot. Ich entdeckte immer mehr für mich selbst, dass das, was Paulus im ersten Korintherbrief sagte, wirklich stimmt: „Wir (dagegen) verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit,  für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. (1 Kor 23-25)

Wenn ich das erkenne – und anerkenne, dann bin ich bereit, mich mit Jesus auf den Weg zu machen und mein Leben so zu gestalten, dass ich offen für Gott bleibe, dass ich meine Beziehungen und meine Besitztümer immer wieder hinterfrage und revidiere, so dass mein Fühlen, Denken und Handeln durchsichtig bleibt und ich hinter allem immer wieder Gott glauben, ahnen und gelegentlich auch erkennen kann. Das echte Glück heißt dann: Gott/Jesus geht mit dir und „Wer glaubt, ist nie allein“ (Papst Benedikt XVI). Amen.

Hinweis: Mehr geistliche Impulse von Pater Kreitmeir gibt es auf seiner Webseite unter:

www.christoph-kreitmeir.de