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Pater Peter Uzor: „Der Geist der Liebe aus dem Herzen Gottes springt durch Jesus auf uns über“

Seine Auslegung des Evangeliums (Joh 16,12-15) am Dreifaltigkeitssonntag leitet unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor zu Beginn der heutigen Messfeier in St. Marien Sonnefeld in Oberfranken mit folgenden Worten ein:

„Eine Woche liegt Pfingsten hinter uns und damit der Abschluss der Osterzeit. Nun gilt es, wieder in die „Zeit im Jahreskreis“ hineinzufinden – nach Möglichkeit mit österlich-pfingstlich inspiriertem Elan. Heute richtet sich dafür der Blick noch einmal auf das Zentrum des christlichen Gottesglaubens. Denn am Dreifaltigkeitssonntag geht es weniger um komplizierte theologische Ideen als vielmehr darum, bewusst zu staunen über das ‚Geheimnis des göttlichen Lebens‘.“

 

Anbei die Worte seiner Predigt, die Pater Peter mit „Liebe aus dem Herzen Gottes“ betitelt:

 

Zusammenfassungen können eine wichtige Hilfe sein – etwa um bei der Lektüre eines längeren Textes nicht aus dem Blick zu verlieren, worum es im Entscheidenden geht.

Der heutige Dreifaltigkeitssonntag lässt sich auch als eine Art Zusammenfassung verstehen.

Es geht darum, nicht aus dem Blick zu verlieren, worum es beim christlichen Glauben im Entscheidenden geht: Denn heute geht es darum, bewusst zu staunen über das „Geheimnis des göttlichen Lebens“ (vgl. Tagesgebet). Paulus formuliert in der Lesung aus dem Römerbrief prägnant: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Jesus Christus hat uns dazu den „Zugang“ eröffnet (Röm 5,2). Was für eine unfassbare Botschaft!

In der folgenden Überlegungen geht es darum zu entdecken, wie unseren menschlichen Gemeinschaft etwas vom inneren Leben Gottes wiederspiegeln kann.

Der moderne Mensch ist heimatlos geworden.

Unsere Gesellschaft wandelt sich rasch und ist sehr beweglich. Man wechselt leicht Wohnort und Arbeitsplatz. Traditionelle Gemeinschaftsstrukturen, in denen man sich früher zuhause fühlte (Großfamilie, Dorfgemeinschaft, usw.), zerbrechen. Ich erlebe das ja selbst: Wie oft habe ich in meinem Leben den Wohnort gewechselt, wie oft neue Aufgaben übernommen. Wie viele andere, bin ich ein „moderner Nomade“. Der Einzelne wird freier dadurch, doch auch einsamer und oft entwurzelt. Wo kann er sich noch geborgen fühlen?

Auch Jesus war ein Heimatloser!

In seinem Heimatort wurde er angefeindet. Angetrieben von seiner Sendung durchwanderte er das ganze Land und hatte „keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte“ (vgl. Mt 8,20). Auch er war ein „Nomade“!

Dennoch vermochte Jesus anderen das Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln.

Menschen fühlten sich von ihm angenommen und angezogen, so dass viele, trotz seiner anspruchsvollen Forderungen, ihm nachfolgen wollten, und sogar große Sünder sich bekehrten. Um sich herum stiftete Jesus Gemeinschaft. Auf diese Weise schuf er eine personale Beheimatung: Heimat nicht an einem Ort, sondern in einer Gemeinschaft. Warum konnte er das – er, der Heimatlose?

Jesus lebte nicht aus sich selbst! Er lebte ganz aus Gott, den er „seinen Vater“ nannte. Von ihm her empfing er Rückhalt, Kraft und Geborgenheit.

So war er unabhängig, nicht angewiesen auf menschliche Bindungen und auf Bestätigung durch die Anerkennung anderer. Darum konnte er ebenso gut Konflikte wagen (gerade in seiner Heimat Nazaret; vgl. u. a. Lk 4,16-30), wie Gemeinschaft aufbauen. Weil er sich selbst ganz vom Vater her empfing, konnte er sich ganz an die Menschen verschenken und allen „Mühseligen und Beladenen Ruhe verschaffen“ (vgl. Mt 11,28).

Darin besteht das Geheimnis der Person von Jesus: Seine wahre Heimat liegt jenseits der Menschenwelt – sie ist das innere Leben Gottes, das Leben der Dreifaltigkeit.

So offenbart sich in seiner Gestalt etwas vom tiefsten Wesen Gottes. Wenn wir seine Weise zu leben betrachten, verstehen wir auch diesen gewiss rätselhaftesten Bestandteil der christlichen Glaubenslehre besser.

Wir tun hier einen Blick ins Innere einer Gemeinschaft unvorstellbarer Intensität: Der Vater verschenkt sich ganz an den Sohn; der Sohn empfängt sich ganz vom Vater her. „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“ (vgl. Joh 14,10-11). Zwischen ihnen flutet eine Liebe, die selbst Person ist: der Heilige Geist.

Nicht aus sich selbst, sondern ganz vom andern her zu leben – das ist das innere Lebensgeheimnis Gottes.

Wenn wir unser eigenes, menschliches Person-Sein betrachten, erfahren wir uns als Wesen, die zunächst in sich stehen und von allen anderen unterschieden, ja getrennt sind. Nur selten gelingt es tiefer Liebe zwischen Menschen, diese Schranken zu durchbrechen, und dies sind dann Augenblicke höchsten Glücks, höchster Erfüllung.

Wo Menschen in lauterer, sich selbst verschenkender Liebe eins werden, spiegeln sie wohl etwas wieder von Gott, der uns „nach seinem Bild geschaffen hat“ (vgl. Genesis 1,27).

In der Gemeinschaft der „göttlichen Personen“ hingegen gibt es keinerlei Trennungen. Sie sind ganz eins, weil sie sich dauernd aneinander verschenken. Ewig kreist das Leben, die Liebe zwischen ihnen. Jede Person gewinnt ihr Selbstsein von der Beziehung zu den anderen her. So wird das für uns Unvorstellbare wirklich, dass drei Personen ein einziger, „drei-einiger“ Gott sind.

Laufend sich selbst verschenken und mit sich selbst beschenkt werden – das ist gewissermaßen das „Lebensprinzip“ Gottes.

An Jesus können wir es ablesen: Er lebt ganz aus dem Vater, gibt sich vorbehaltlos hinein in dessen Willen, verschenkt sich an die Menschen, bis zum Opfer seines Lebens. Und im Tode „übergibt er seinen Geist“ (vgl. Joh 19,30). Es ist der Geist, den er in den „Abschiedsreden“ verheißt, und der dann die Gegenwart Jesu unter den Seinen fortsetzt.

So wirkt das dreifaltige Leben Gottes in unsere Welt hinein.

Der Geist der Liebe aus dem Herzen Gottes springt durch Jesus auf uns über.

Er entreißt uns der Einsamkeit und macht uns fähig, uns – wie Jesus – an die Mitmenschen zu verschenken. So entsteht Gemeinschaft um jeden Christen herum, der sich davon ergreifen lässt.

Auch als „moderner Nomade“ bin ich darum nicht heimatlos:

Die Heimat, die Jesus stiftet, ist nämlich nicht an einen Ort gebunden.

Sie ist personal, das heißt an Beziehungen gebunden. Zuerst an die Beziehung zu Jesus selbst. Von ihm mit Gottes Liebe beschenkt, werde ich fähig, mich selbst zu vergessen und für andere zu leben, mich an sie zu verschenken – wenigstens ein Stück weit so zu leben wie Jesus. Weiterhin bietet die Gemeinschaft der Glaubenden dort, wo sie zu einer wirklichen Gemeinschaft wird, eine Beheimatung besonderer Art: Dort verschenke ich mich nicht nur, sondern werde auch wieder beschenkt – das Leben kreist, wie im inneren Leben Gottes.

Der Heimatlosigkeit des modernen Menschen können wir also etwas entgegensetzen: die „neue Gemeinschaft“ gegenseitiger Liebe und Hingabe nach dem Urbild des dreifaltigen Gottes.

Allerdings bedeutet das ein Leben gegen den Trend der Zeit: Sich selbst vergessen, sich verschenken, füreinander leben … – das steht nicht gerade hoch im Kurs. Viele haben Angst, sich selber dabei zu verlieren: „Wo bleibe dann ich? Was habe ich dann noch vom Leben?“

Zumeist kreisen die Menschen um sich selber – und bleiben in sich gefangen.

Tragfähige Beziehungen lassen sich so jedenfalls nicht aufbauen. Aus diesem Kreislauf müssen wir ausbrechen, wenn wir ein anderes Leben finden und bezeugen wollen. Das ist eine Entscheidung: gegen den bloßen Individualismus, für ein Leben in echten, ernsthaften Beziehungen. Zuerst muss der Wille dazu vorhanden sein, und die Bereitschaft, etwas dafür einzusetzen.

Dann allerdings muss niemand mehr einsam oder heimatlos bleiben. Diejenigen, die schon Beziehung zueinander haben, kommen einander näher und verstehen sich tiefer. Isolierte Menschen finden in eine Gemeinschaft hinein. Fremde lernen, einander zu verstehen und anzunehmen. Neue Freundschaften wachsen. Versöhnung geschieht.

Gottes Liebe wird sichtbar durch unsere Liebe, die die Schranken zwischen den Menschen besiegt.

Könnten unsere christlichen Gemeinden stärker von dieser Art zu leben geprägt sein? Würden sie dann wieder mehr Ausstrahlung gewinnen? Denn das ist es ja genau, was der Welt fehlt!

Wie entsteht eine solche Form von Gemeinschaft? Ein Weg dazu kann sein, unsere „inneren Welten“ füreinander zu öffnen. Jeder von uns trägt ja in sich eine ganze Welt, die ungeheuer reich und vielfältig ist: die Welt seiner Gedanken, Erfahrungen, Erinnerungen, Gefühle und Hoffnungen. Oft bleiben wir damit einander fremd.

„Einheit des Geistes“ entsteht dann, wenn wir einander an diesem menschlichen Reichtum teilhaben lassen in Begegnung, Gespräch und persönlichem Austausch.

Dafür braucht es große Aufmerksamkeit und Sensibilität füreinander, einfühlsames Zuhören, tiefes Verstehen, rückhaltlose Offenheit. Dies gelingt nicht leicht. Gewöhnlich erfordert es einen „Sprung über den eigenen Schatten“, denn fast alle von uns neigen eher zum Individualismus. Den Willen zur Begegnung, den Mut, sich füreinander zu öffnen, möge der Geist Gottes uns verleihen!

Ich möchte dazu ermutigen, diese Erfahrung immer wieder einmal zu wagen: mit dem Ehepartner, in der Familie, mit Freunden, mit Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft, und so weiter.

Wenn die „Einheit des Geistes“ einmal gelingt, bedeutet sie stets eine Sternstunde menschlicher Begegnung.

Zugleich ist sie ein zutiefst geistliches Ereignis, weil sich so in der menschlichen Gemeinschaft etwas vom inneren Leben Gottes wiederspiegelt!

Amen.