Pater Christoph Kreitmeir: „Stark sind die, die bleiben, wenn es einfacher ist zu gehen“

In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Joh 6, 60-69) erörtert unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir Gründe, sich von der Kirche abzuwenden, und Gründe, dabei zu bleiben. Im Zuge dessen stellt er Kriterien kirchlichen Handelns auf, damit Menschen ihrer Kirche nicht den Rücken zukehren. Dabei betont er: „Stark sind die, die bleiben, wenn es einfacher ist zu gehen.“

Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:

 

 

„Viele der Jünger, die ihm zuhörten, murrten über seine Worte, die ihnen zu hart und zu fordernd vorkamen und zogen sich zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“ So haben wir es gerade im Evangelium gehört.

Ach ja …

Das kennen wir nur allzu gut. Den Kirchen, der katholischen und auch der evangelischen, laufen seit Jahren die Gläubigen in Scharen davon. Gründe gibt viele und:

Es sind wohl weniger die Worte Jesu, welche die Menschen nicht mehr hören können, sondern viele andere Tatsachen.

Erhebungen, Befragungen und Studien machen folgende aus:

  • Die leidige Frage der Kirchensteuer
  • Der Reichtum der Kirche
  • Die Geschichte der Kirche (Kreuzzüge, Hexenverfolgung …)
  • Die Rolle der Frau in der Kirche
  • Doppelmoral: Wasser predigen, Wein saufen…
  • Weltfremde Ansichten zu eigentlich allem, was heute wichtig ist
  • Missbrauchsskandale
  • Finanzskandale
  • Weltfremde und unmögliche Kirchenvertreter
  • Die Kirche lebt nicht das, was Jesus eigentlich wollte
  • Ich habe keinen Bezug zu einer Kirchengemeinde
  • Ich bin auch ohne Kirche religiös und spirituell
  • Ich brauche keine Religion für´s Leben

Und noch einige mehr …

Ich will mich gar nicht weiter darüber auslassen, vieles schmerzt mich selbst an meiner Kirche und ich habe für mich schon mehrmals und oft auch nicht leicht entschieden, der Sache Jesu und der Kirche treu zu bleiben, auch wenn es manchmal wirklich nicht leicht ist.

Die Monate der Coronazeit – und Studien werden hier auch Interessantes zu Tage fördern – sind sogar für die, die der Kirche durch Gottesdienstbesuche, Engagement in Kirchengremien oder –vereinen, ehrenamtlichen Engagement und vielem mehr bisher treu geblieben sind, zu schmerzlichen Prüfsteine geworden. Wie viel Einschränkung, Beschränkung, Nichterlauben durch Corona-Auflagen verträgt eine Kirchenzugehörigkeit? Ich befürchte, dass Corona für viele Christen zur Totengräberin ihres bisherigen religiösen Tuns geworden ist oder werden wird…

Nachdem Jesus im heutigen Evangelium viele seiner Jünger verlassen hatten, fragte er die Zwölf: „Wollt auch ihr weggehen?“ Und Petrus antwortete ihm: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“

Was hält die Menschen heute (noch) am Glauben, an ihrer Kirchenzugehörigkeit? Antworten könnten sein:

  • Weil ich religiös bin
  • Weil mir der christliche Glaube etwas bedeutet
  • Weil ich meine Taufe ernst nehme
  • Weil es mir Freude bereitet, dabei zu sein
  • Weil ich mich mit den Zielen der Kirche identifiziere
  • Weil sie wichtige ethische Wert vertritt
  • Weil ich meine Sympathie trotz allem mit der Kirche zeigen möchte
  • Weil ich so meinen Glauben bezeugen kann
  • Weil sie zum Zusammenhalt der Gesellschaft beiträgt
  • Weil ich den Einfluss der Kirche stärken möchte
  • Weil ich eine Gemeinschaft brauche
  • Weil sie etwas für Arme, Kranke und Bedürftige tut
  • Weil Kirchengebäude in der Stadt und im Dorf nicht verschwinden dürfen
  • Weil ich dann in der Kirche auch mitreden kann
  • Weil meine Eltern auch in der Kirche sind bzw. waren
  • Weil sie mir inneren Halt gibt
  • Weil ich einmal kirchlich bestattet werden möchte

Ganz entscheidend wichtig, so sagt es eine Analyse, der ich nur beistimmen kann, sind folgende Kriterien kirchlichen Handelns, damit Menschen ihrer Kirche nicht den Rücken zukehren:

  1. Eine klare und verständliche Sprache
  2. Verständliche und öffentlich dargelegte Zielstellungen kirchlicher Arbeit
  3. Geschwisterliche Teilhabemöglichkeiten
  4. Eine dem Auftrag entsprechende Führungskultur und Aufgabenwahrnehmung und nicht eine reine Männerkirche und ein Von-oben-herab
  5. Moralische Integrität kirchlicher Amtsträgerinnen und Amtsträger im Ehrenamt wie in der beruflichen Tätigkeit
  6. Und nicht zuletzt: Ein integres, transparentes, effektives und effizientes Finanzgebaren

Und Jesus fragt: „Wollt auch ihr weggehen?“

Und wer von uns antwortet ihm: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“

Amen.