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Pater Dr. Peter Uzor: „Gott buchstabiert sich durch die Menschheit Jesu“

In seiner Auslegung des heutigen Sonntagsevangeliums (Mk 6,1-6) schildert unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor, dass das Phänomen des Unglaubens kein neues ist. Dabei beschreibt er, wie schon zur Zeit Jesus und bis heute Unglaube und Ablehnung den Zugang zum Heil verhinder(te)n.

 

Anbei die Worte seiner Predigt:

 

Gerne würden auch wir heute mit dem Finger auf die Leute aus Nazareth zeigen. Da wohnen sie mit Jesus, dem Christus, gleichsam Wand an Wand, und sind doch wie borniert. Da haben sie den Messias als Nachbarn, können buchstäblich über den Gartenzaun ins Reich Gottes schauen. Sie haben das, wovon wir träumen: Blickkontakt mit Jesus, sie sind per Du mit ihm und sie begreifen überhaupt nichts. Er fällt ihnen schon auf. Sie staunen, wie er predigt. Sie entdecken seine Weisheit. Und sie sehen die Wunder und sie streiten ihm das auch gar nicht ab. Sie werden schon aus ihrem Alltagstrott gerissen und sie sind eigentlich ganz nahe dran:

Weisheit und Wunder – das hat mit Gott zu tun.

Sie könnten schon begreifen, aber irgendwie wollen sie nicht. Und der Grund: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. – Er ist einer von uns! Und das heißt eben nicht nur: Er stammt aus Nazaret und „von den kleinen Leuten“. Sondern das heißt allemal noch: Er gehört auch dorthin. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Und dann wird all das genannt, wodurch wir Leute definieren: Beruf und Herkunft! Was hat er gelernt, was verdient er, wo ist er angestellt? Und aus welcher Familie stammt er, und wie geht’s da zu? „Weißt du, ich hab’ schon den Großvater gekannt, da weiß man Bescheid.“ Und wenn er nicht so ist: Dann ist er ganz schlicht und einfach verrückt. Und vielleicht sagen sie noch dazu: Es ist halt ein Provinznest – sie können nicht einmal etwas dafür.

So begegnet Jesus in seiner Heimat Unglaube und Ablehnung. In seiner Heimatgemeinde kann Jesus nicht heilsam wirken.

Dort wo all dem, was mit Jesus zu tun hat, Ablehnung und Unglaube entgegenschlägt, kann Heilsames und Heilendes nicht erfahren werden, damals wie heute.

Dort, wo Menschen kein Vertrauen riskieren können, kann nichts Heilsames sich ereignen. Wo Misstrauen und Vorurteile herrschen, kann kaum etwas Gutes wachsen und gedeihen. So ist es auch mit Jesus. Dort, wo Menschen alles über diesen Jesus zu wissen glauben, wo Vorurteile und Ressentiments herrschen, wo man das mit Jesus und dem Wort Gottes für Quatsch oder für überflüssig hält, das man getrost vergessen kann, dort ist eine heilende, Mut machende und Hoffnung schenkende Erfahrung nicht möglich.

Gott will das Heil der Menschen, aber er kann nicht Heil wirken, wenn Menschen sich verschließen. Wie seine Macht unser Heil ist, so ist unser Unglaube seine Ohnmacht.

Und ehrlich gesagt: Was tun Sie selbst, wie verhalten Sie sich, wenn Sie einem Menschen begegnen, dessen Familie Sie kennen? Schauen Sie zuerst in seine Augen, hören sie zuerst zu, was er ihnen sagt? Folgen Sie ihm, wenn er davon spricht, was ihm wichtig ist, was ihm ein Anliegen ist, was er erlebt und erlitten hat? Oder sagen sie zuerst und schnell: „Ganz der Papa; ganz der Onkel …; da schaut die Großmutter aus dem Gesicht heraus.“

So wird es vielleicht auch damals gewesen sein: Sie kennen die Familie und sehen nur den „Allerweltsbub“ aus Nazaret, „Mary‘s Boy“ mit Note 2 in Aramäisch, und sie sagen: „Der doch nicht!“ – Sie sortieren ihn in eine Schublade ein, und damit ist es um ihren Glauben geschehen. Können – konnten – auch sie wirklich nichts dafür?

Und die anderen? Die, die mit ihm waren und an ihn glaubten. Die, die ihn täglich als seine Jüngerinnen und Jünger um sich hatten: Was ist bei denen anders, dass sie das ganz Besondere in der Person Jesu erkennen konnten? Sie, die ihn aus intimster Nähe erlebt haben. Im banalsten Alltag, in all seiner Menschlichkeit. Erlebten ihn hungrig, müde und in den unterschiedlichsten Stimmungen. Ganz trivial, ganz einfach, ganz menschlich. – Und schließlich unter dem Kreuz sahen sie auch nur den Menschen, der da starb. Keinen Glanz über dem Haupt, keinen offenen Himmel. Keinen Gott sahen sie. – Warum gelang es ihnen zu begreifen, um wen es sich tatsächlich handelte?

Bei allen, die wir hier betrachtet haben, ist es so, dass Gott sich nicht an der menschlichen Seite vorbei in diese Welt hereinbuchstabiert. Er buchstabiert sich durch die Menschheit Jesu zu seinen Jüngern.

Das sieht man sehr deutlich an dieser Geschichte aus Nazaret. Das sieht man auch anderswo: Was hat den Zachäus überzeugt? Die Göttlichkeit Jesu? Oder seine gütigen Augen? Warum haben die Mütter ihm ihre Kinder gereicht, damit er die Kinder segnen konnte? Sie haben es erraten. Jedem halten sie ihre Kinder nicht so einfach hin. Warum hat man ihn so gerne zum Mahl geladen (zum Essen eingeladen)? Nicht wahr, nicht jeden möchte man so ohne weiteres am Tisch haben – schon gar nicht zum essen. Und warum ist er so gerne den Einladungen nachgekommen? Na klar, weil er die Leute gemocht hat.

Das Entscheidende buchstabiert Gott über die menschliche Schiene, und nicht direkt mit Blitz und Donner aus dem offenen Himmel, mit Visionen und Träumen und Offenbarungen, mit Katechismen und Texten des Lehramtes. „Für uns und zu unserem Heil ist er vom Himmel herabgestiegen und ist Mensch geworden. Er ist herabgestiegen vom hohen Thron, er ist einer von uns geworden. Er hat unsere Menschennatur angenommen, damit das Göttliche bei uns ankommen kann. Aber auch übersehen werden kann, so wie es uns mit vielen Menschen geht, die nur durch einen Gartenzaun von uns getrennt sind.

Da stellt sich dann aber hier in Nazaret – und hier unter uns – die Frage: Wie entdecke ich genau in all diesem Menschlichen das Ureigene, Originale, Unverwechselbare eines einzelnen konkreten Menschen? Hinhören und fragen, was dieser eine, dieses Individuum zu sagen und zu geben hat, und nicht eine Schublade aufziehen, in der ganz Nazaret drinsteckt.

Beim Hinhören und beim Fragen, da begegnen wir dem einzelnen.

Zu fragen: Wie meinst du das? Erzähl’ etwas von dir! – das ist das Tor zur Begegnung, das ist auch das Tor zum Glauben.

Eine solche Haltung wird uns Jesus selbst begegnen lassen, und damit Gott. Und eine solche Haltung wird die menschlichen Beziehungen gesunden lassen.

Hörende sein – „Hörer des Wortes“ (Karl Rahner!) zu sein. Nicht alle Nazarener sind übrigens an Jesus vorbeigegangen. Es hatte doch noch gefunkt in Nazaret. Jedenfalls zwei kennen wir mit Namen, die es doch noch kapiert haben: Maria, seine Mutter. Irgendwann war sie bei ihm, und wahrscheinlich nicht erst unterm Kreuz. Und einer von denen, die da aufgezählt wurden, heißt: „Jakobus der Herrenbruder“. Er ist der, der dem Petrus in die Leitung der Jerusalemer Gemeinde dann später nachgefolgt ist. Jesus hat eben doch überzeugt: seine Botschaft und gerade auch seine Menschlichkeit. Und damit wird diese Unglaubensgeschichte am Schluss des Evangeliums vom heutigen Tage doch noch zu einer Verheißung: Er hat überzeugt, er überzeugt eben doch. Amen.