Pater Kreitmeir: „Durch die Abschaffung des Jenseits ist das Diesseits gnadenloser geworden“
In seiner Auslegung der Sonntagslesung (1 Kor 15.12.16-20) und des Sonntagsevangeliums (Lk 6.17.20-26) widmet sich unser geistlicher Begleiter Pater Christoph Kreitmeir dem zentralen Thema des christlichen Glauben: Der Auferstehung von den Toten.
Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Text-Format:
Wir hören im heutigen Evangelium, wie Jesus Wohl- und Weherufe ausspricht. Anders als im Matthäusevangelium, wo es acht Seligpreisungen sind, sind es bei Lukas nur vier und dazu auch Wehewarnungen. Diese werden nicht gegenüber den Gegnern Jesu, sondern den Jüngern selbst ausgesprochen.
Diese Wohl- und Weherufe möchte ich zum Anlass nehmen und deren Ernsthaftigkeit auf die heutige Lesung des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth anwenden. Paulus setzt sich in seinem ersten Brief an die Korinther nämlich mit der entscheidenden Frage auseinander, ob man an Christus glauben kann, wenn man die Auferstehung der Toten verneint? Dies versuchen anscheinend einige Christen dieser Gemeinde.
Die Frage nach der Auferstehung der Toten ist nämlich seit Beginn des Christentums das zentrale Thema.
Es ist eigentlich das Alleinstellungsmerkmal dieser Religion im Chor anderer Religionen. Dies galt damals und dies gilt heute genauso, nur haben wir das Problem, dass statistisch gesehen wohl nur noch ein Drittel der Christen an die Auferstehung oder Auferweckung von den Toten glauben. Jesus hat dann nichts überwältigendes Neues gebracht, er ist dann nicht mehr als ein weiterer Glücksguru, ethischer Ratgeber oder Weisheitslehrer, wie sie schon viele im Laufe der Geschichte aufgetreten sind.
Wer an ein Leben nach dem Tod nicht mehr glaubt oder glauben kann, auch wenn er wollte, der schafft gleichsam das Jenseits ab.
Und wenn es kein Jenseits mehr gibt, worauf setzen wir Christen dann eigentlich unsere letzte Hoffnung?
Für den Theologen und Jenseitsforscher Patrick Becker liegt die wichtigste, weil zentrale Aufgabe der christlichen Kirchen in der Verkündigung des Jenseits. Wenn das Christentum auf dem Angebotsmarkt für Sinngebung Bestand haben will, muss Verkündigung und Praxis der Kirchen neben dem sozialen Aspekt der diesseitigen Nächsten- und Feindesliebe wieder den Fokus auf die eigentliche Sprengkraft des christlichen Glaubens gelenkt werden: Der Auferstehung von den Toten. (vgl. pro-medienmagazin.de)
Für mich in der Seelsorge an Kranken, Sterbenden und deren Angehörigen ist diese Glaubensbotschaft ein zentraler und sehr wichtiger Teil meines Trostes, den ich geben will und geben kann.
Ich folge in meinem gläubigen Suchen in großen Zügen den Gedankengängen von Paulus in der heutigen Lesung, wenn er sagt: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos … und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, dann sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.“ Warum? Weil wir dann auf´s falsche Pferd gesetzt haben. Wir haben dann vielleicht zwar Gutes getan, nicht nur an uns gedacht und vielleicht auch sinnvolle Werke hinterlassen. Wenn es aber dann nach dem Tod kein Leben in Christus gibt, dann wären andere Wege auf der Suche nach Sinn und Glück wahrscheinlich ertragreicher gewesen.
Der krank und schwach gewordene Glaube an die Auferstehung/Auferweckung ist wohl mit ein Grund auch dafür, dass Christen heute wohl eher eine Patchworkreligion haben: Ein bisschen Jesus, etwas Buddha, Homöopathie, Schamanentum und den Dalai Lama nicht zu vergessen. Alles irgendwie vom Zeitgeist her nachvollziehbar, aber dann ist das Christentum als etwas Eigenes zu vernachlässigen und dann kommt die nächste Folge, die ja auch schon im Gange ist: Die immer noch mehr oder weniger geltenden „Sonderrechte“ der Kirchen in unserem Land (in anderen Ländern gibt es ähnliche Entwicklungen) werden so nach und nach fallen.
Für mich aber wirklich existentiell bedeutsam ist die Frage nach dem vielfältig gebrochenem Leben, wenn es keine Auferstehung von den Toten gäbe?
Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann gibt es für die Christgläubigen auch keine Auferstehung. Dann gibt es kein Wiedersehen mit unseren Lieben, dann gibt es keine Heilung von Verletzungen, keine Wiedergutmachung von Unrecht, keinen Trost für alle, die in diesem Leben auf der Schattenseite leben mussten: Die Armen, Behinderten, Schwer- und Langzeitkranken, die Zu-früh-Gestorbenen, die Benachteiligten, Unterdrückten, Gefolterten, Missbrauchten und und und. Wenn es keine Auferweckung/Auferstehung gäbe, dann müssten wir wirklich – und unsere Zeit lebt das ja bis zum Exzess – alles in dieser Lebensspanne herausholen.
Durch die Abschaffung des Jenseits ist das Diesseits gnadenloser geworden.
Die Menschen noch vor 100 oder 200 Jahren lebten zwar viel kürzer aber mit der Ewigkeit als Ziel. Wir heutigen können gut 90 Jahre alt werden aber ohne eine Aussicht auf irgendwas. Schluss, Aus, Schwarz, Leere, Nichts…
Nee, auch, wenn ich die Auferstehung Jesu Christi nicht beweisen kann, ich weiß, wie sich seine Nachfolger und Nachfolgerinnen innerhalb kürzester Zeit nach seinem scheinbar sinnlosen und brutalen Tod nach einer Phase der Depression und Enttäuschung zu Menschen voller Sinn und Hoffnung entwickelten. Sie können keinem Märchen aufgesessen sein. Märchen haben nicht so eine lebensverändernde Kraft wie wir es von Jesu Anhängern in den ersten Jahrhunderten erleben durften.
Auch, wenn ich für mich selbst letztlich Auferstehung und Auferweckung nicht beweisen kann, ich weiß, welch sinnvolle und immer wieder neu kraft- und energiegebende Wirkung mein Glaube auf mein tagtägliches Tun hat.
Weil ich diesen Glauben immer wieder nähre und er mir gleichzeitig immer wieder neu geschenkt wird, strahle ich am Sterbe- und Totenbett unermüdlich etwas aus, was die Anwesenden nicht nur tröstet, sondern auch ansteckende Wirkung hat, nämlich Hoffnung.
Am Beginn meiner Predigt sprach ich von den Wohl- und Weherufen Jesu im heutigen Evangelium und kam dann zum Kernstück unseres Glaubens, die Auferstehung von den Toten. An das Ende dieser Predigt möchte ich gleichsam Jesus, den auferstandenen Christus sagen lassen:
- Wohl dem, der über seinen eigenen Tellerrand hinausschauen kann, der die Benachteiligten nicht übersieht und sich für sie einsetzt. Er wird nicht vergessen werden …
- Wehe dem, der nur sich und seinen Vorteil kennt. Er wird darüber hinaus nichts hinzubekommen.
- Wohl dem, der über die Grenze des Todes hinausdenkt, -fühlt und –glaubt. Ihm werden dann nicht nur die Augen übergehen, sondern er wird mit seinen Lieben und Gleichgesinnten neues und überreiches Leben erfahren.
- Wehe dem, der nur das Diesseits kennt. Er wird nach seinem Tod nur Kälte, Leere, Schwärze und Nichts erfahren. Besser gesagt, er wird es nicht erfahren, denn er wird ja voll und ganz tot sein.
Beim christlichen Gottesglauben geht es nicht um einen allgemeinen Glauben, nicht allein um das Gefühl der Geborgenheit in einer unsicheren Welt, sondern es geht um mehr. Es geht um eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus.
Diese persönliche Beziehung zwischen Jesus und mir vom Anfang meines Lebens bis zum Ende und darüber hinaus schenkt ein Gefühl der Geborgenheit in einer unbehausten Welt. Sie gibt Heimat, wo es kein Zuhause mehr zu geben scheint und schenkt Zuversicht trotz allem. Selig, wer in Jesus Christus ist und bleibt, er wird nie allein sein und ewig leben. Amen.
Am Freitag, den 11.2.22, war Pater Christoph Kreitmeir zu Gast bei Radio Horeb in der Sendereihe Lebenshilfe. In der Livesendung sprach er zum Thema „Kranksein … und seine tiefere Botschaft“.
Die Sendung zum Nachhören gibt es