Pater Peter Uzor: „Wen Jesus sendet, der wird hineingenommen in eine göttliche Dynamik“
In seiner Auslegung zum Sonntagsevangelium (Mt 9,36 – 10,8) beschreibt unser geistlicher Begleiter Dr. Pater Peter Uzor, was die Weisung Jesu „Geht – Verkündet – Heilt“ für ein Leben im christlichen Dienst heute bedeutet.
Seinen Gottesdienst am Sonntag, den 18.6.23, in der St. Marienkirche in Sonnefeld bei Coburg (Oberfranken) einleitend, erklärte Pater Peter:
„Wir sind zusammengekommen, um unseren Glauben zu feiern und die frohe Botschaft zu hören. Heute muss uns das Evangelium direkt ins Herz treffen. Jesus sendet seine zwölf engsten Mitarbeiter aus. Er beginnt mit ihnen, dann waren es viele andere im Laufe der Geschichte, heute sind es wir. Wir alle! Alle auf Christus getauften Menschen sind verpflichtet, Zeugnis abzulegen vom lebendigen Gott, der uns liebt und verzeiht, der uns zusammenführt und im Frieden miteinander leben lassen möchte. Dieses Zeugnis gilt es nicht nur zu bekennen, sondern selbst danach zu handeln. Kein Mensch ist unfähig, jede/jeder ist geeignet und hat eine Sendung. Jesus sendet uns mit der Vollmacht, mit der er selbst gewirkt hat. Selbst der Schwächste ist ‚mächtig‘.“
Anbei die Worte der Predigt von Dr. Pater Peter Uzor zu Mt 9,36-10,8 – Geht – verkündet – heilt:
Im Evangelium erzählt Matthäus heute von der Aussendung der zwölf Apostel. Bevor sie ausgesandt werden, werden sie alle einzeln mit Namen genannt. Das beeindruckt mich. In unserer Gesellschaft spielt sich so vieles anonym ab. Im Netz kannst du anonym surfen und auch Hassbotschaften einstellen: „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Und immer wieder heißt es: „einer von den Flüchtlingen“, „ein Franke, ein Bayer“, „ein Priester, ein Mitarbeiter … „. Die Formel heißt „einer von … “.
Jesus kennt und nennt seine Apostel alle mit Namen. Er schickt nicht eine anonyme Truppe zu den Menschen, sondern ganz konkrete Personen.
Jeder dieser Namen ist ja verbunden mit einer konkreten Geschichte, mit Eigenschaften und Fähigkeiten, mit Schwächen und Begrenztheiten. Jesus sendet konkrete Menschen, die einen Namen haben – und die mit ihrem Namen für das stehen, was sie, jeder auf seine Art, im Auftrag Jesu wirken.
Ich wünsche mir sehr, dass unsere Kirche eine Gemeinschaft ist, in der jeder einen Namen hat, in der der Pfarrer die Namen seiner Kommunionkinder kennt und sie nicht anredet „Du da mit dem gelben Shirt in der dritten Reihe …“, eine Kirche, die den konkreten Menschen im Blick hat mit dem, was ihn freut, und mit dem, was ihn beschwert. Jeder dieser Menschen ist einmalig und jedes Schicksal ist konkret – verbunden mit einem Namen.
Diese, seine „nam-haften“ Apostel schickt Jesus mit einer dreifachen Sendung auf den Weg: „geht – verkündet – heilt“.
Der Auftrag Jesu setzt die Apostel in Bewegung – nicht irgendwo hin, sondern zu den Menschen:
- geht in die Schulen, in die Familien, zu den Kranken;
- geht zu den Verlorenen, die sich verloren fühlen, heillos, voll Sehnsucht nach Erlösung, nach Lebenssinn; – geht zu allen Menschen und Völkern.
Wer sich von Gott rufen und senden lässt, wird zu keinem bequemen Leben eingeladen. Das ist keine Berufung zur Würde, zum Thronen und Residieren, zum Hofhalten, zum Ruhen in sich selbst und in der göttlichen Gnade.
Wen Jesus sendet, der wird hineingenommen in eine göttliche Dynamik, der empfängt einen Auftrag, der in Bewegung setzt.
Diese Dynamik ist abzulesen am Leben Jesu selbst. „Er hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein ….. “ Es drängte ihn zu uns Menschen. So erklärt es auch der heilige Augustinus: „Die Sehnsucht Gottes ist der Mensch.“ Darum ging Jesus auf die Menschen zu, nicht zuletzt auf die Kleinen, auf die ganz unten: damit sie Gottes wirkliche Gestalt erkennen, die Gestalt des menschenfreundlichen Gottes.
„Geht, und nehmt nichts mit auf den Weg!“ (Lk 9,3) sagt Jesus denen, die er sendet. Nichts? Doch – jeder nimmt sich selbst mit. Wenn du im Namen Gottes zu den Menschen gehst, dann brauchst du nicht mehr. Du selbst bist Reichtum genug. Deine Reichtümer stellen sich nur zwischen dich und die Menschen.
Begegnung von Mensch zu Mensch, dazu ermutigt uns Jesus, wenn er uns einlädt: „Geht!“
Verkündet: So lautet der zweite Auftrag Jesu. Es ist naheliegend, dabei an den Dienst des Wortes zu denken: Sagt den Menschen „Das Himmelreich ist nah!“ – Gott ist euch nah, er liebt euch, er will euer Glück, das Gelingen Eures Lebens.
Verkündet „Gott allein ist der Herr, keiner sonst!“ Unsere Welt hat zu viele kleine und selbsternannte Herrgötter! Erzählt, was ihr von Gott gehört und gelesen habt, bringt den Menschen das Evangelium nah, so dass sie spüren: Hier geht es um mein eigenes Leben. Ladet die Menschen ein, sich darauf einzulassen, dieser Botschaft zu vertrauen – damit ihr Leben und die Welt heil wird.
Verkündigen ist aber noch mehr. Der heilige Dominikus hat seinen Brüdern Predigern ins Stammbuch das Wort geschrieben:
„contemplata tradere“. Das meint: Was ihr sagt, soll durch euch selbst hindurchgegangen sein.
Wer darum den Auftrag „verkündet“ wahrnehmen will und soll, muss sich zunächst selbst Gott vertraut machen: ihn meditieren, studieren, zu ihm beten und eine lebendige Beziehung zu ihm pflegen. Von Berthold Brecht stammt das Wort: „Kein Mann, dem seine Sache keine Freude macht, darf erwarten, dass sie irgendjemand sonst Freude macht!“ Nur wenn mein eigenes Herz voll ist, kann der Mund überfließen.
Übrigens: verkündigen kann ich nicht nur mit Worten, sondern durch mein Leben – und das ist die überzeugendste Art der Verkündigung!
Heilt: So lautet der dritte Auftrag. Im Glaubensbekenntnis sprechen wir: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel herabgestiegen.“ Das ist Gottes Absicht mit uns: dass wir heil sind und heil werden.
Welches Interesse könnte der Mensch an Gott haben, wenn nicht das, dass sein Leben gelingt – dazu gehört: Heilung.
Es gibt so viel Verwundetes in uns, um uns und in dieser Welt: verwundete Körper auf den vielen großen und kleinen Kriegsschauplätzen dieser Welt, die vielen Opfer von Terror und Gewalt. Es gibt verwundete Schicksale, Menschen, deren Lebensentwürfe zerbrochen sind und die auf Trümmern sitzen. Nicht zuletzt sind da verwundete Seelen: Suchende, Fragende, Gescheiterte, Ausgegrenzte, Fernstehende. Für die Kirche, so unterstreicht es auch immer wieder Papst Franziskus, stellen sie eine besondere Herausforderung dar: Begegnet gerade auch ihnen mit besondere Aufmerksamkeit. Versucht, niemanden auszuschließen, versucht vielmehr, sie zu integrieren.
Dieser Sendungsauftrag an die konkreten Apostel (Jeder ist mit seinem Namen bekannt) scheint auf den ersten Blick ein Sendungsauftrag an Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent/innen, kurz an Menschen im kirchlichen Beruf zu sein. Das ist sicher auch so – aber das ist nicht alles.
In diesen Sendungsauftrag ist jede und jeder von uns mit seinem/ihrem Namen hineingenommen: „Johannes, geh, verkündige, heile.“
Ja, liebe Gemeinde, der Herr schickt tatsächlich immer wieder Mitarbeiter in seinen Weinberg. Mit Taufe und Firmung sind bei uns alle berufen, für das Reich Gottes zu arbeiten. Es gibt bei uns in der Kirche keine Unberufenen. Manchmal brauchen sie etwas Mut und Vertrauen, aber dann – dann müssen wir sie auch machen lassen. Ich bin sicher, wir werden erstaunt sein, was in uns Menschen alles steckt.
Anbei ein schöner Song von Samuel Harfst, der die Worte von Pater Peter schön nachklingen lässt: