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Pater Peter Uzor: „Das Kreuz ist ein Geschenk der Liebe“

In seiner Homilie während der Karfreitagsliturgie in St. Marien Sonnefeld (bei Coburg) erklärte unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor die Bedeutung der Passion Jesu für unser heutiges Leben im Privaten sowie in Gesellschaft und Kirche.

 

Hier die Worte seiner Besinnung zu Passion am Karfreitag, die er unter den Titel „Immer wieder wird unser Gott gekreuzigt“ stellte:

 

„Were you there, when they crucified my Lord …“

Warst du dort, als sie meinen Gott kreuzigten?

Warst du dort, als sie ihn ans Kreuz nagelten,

als sie seine Rippen durchbohrten,

als die Sonne sich weigerte, zu scheinen,

als sie ihn ins Grab legten?

Warst du dort, als sie meinen Gott kreuzigten?

Ja, wir waren dort, wir sind dort, heute am Karfreitag. Durch die Worte, die wir gehört haben, sind wir mit hineingenommen in die Passion. Wir erleben mit, wie sie ihn gefangen nehmen, wie sie seinen Tod fordern, wie sie ihn ausfragen, verspotten, verhöhnen, grausam foltern und schließlich zum Tod verurteilen. Wir sind dort, auf Golgota, als er mit seinem Kreuz auf der Schädelhöhe ankommt, als sie ihn ans Kreuz schlagen, um sein Gewand das Los werfen.

Wir stehen unter dem Kreuz mit seiner verzweifelten Mutter und den Frauen und dem Jünger, den er liebt. Ohnmächtig hören wir seine letzten Worte am Kreuz, sehen ihn den Essig trinken und erleben mit, wie er das Haupt neigt und den Geist übergibt.

Ja, wir waren dort, als sie unseren Gott kreuzigten.

„Sometimes it causes me to tremble, tremble …“

Nicht nur manchmal, sondern immer wieder lässt uns das erzittern, ja erzittern.

Immer wieder wird unser Gott gekreuzigt, wenn sie voller Hass ihre menschenverachtenden Parolen brüllen, auf offener Straße einen Lehrer köpfen oder einen liberalen Politiker in den Kopf schießen.

Unser Gott wird gekreuzigt, wenn sie Demonstranten, die auf Unrecht hinweisen, und Journalistinnen, die die Wahrheit berichten, ins Gefängnis sperren, foltern und ermorden.

Unser Gott wird gekreuzigt, wenn sie Frauen, Männer und Kinder, die vor Hunger und Terror geflohen sind, in Lager zusammenpferchen, ihnen ein Leben unter katastrophalen hygienischen und humanitären Bedingungen zumuten und ihnen ein würdiges Asyl an anderen Orten verweigern.
Unser Gott wird gekreuzigt, wenn sie den Regenwald abholzen, um ihre Geldgier zu befriedigen, und Palmöl, Soja oder Fleisch in einer Weise produzieren, die den einheimischen Bauern die Lebensgrundlage entzieht und Gottes Schöpfung nachhaltig zerstört.

Die Sonne weigert sich zu scheinen, wenn sie unseren Gott kreuzigen, wenn sie kleine Kinder missbrauchen, ihr Leid filmen und verkaufen, wenn sie Frauen vergewaltigten, wenn sie ihre Machtposition in Kirche und Gesellschaft ausnutzen, um an Menschen, die ihnen vertrauen, perversen Gelüste zu befriedigen.

Manchmal lässt uns das erzittern, ja erzittern.

Immer wieder ereignet sich Kreuzigung, in längst vergangenen Tagen und auch heute.

Wir fragen „Warum?“ und bekommen keine Antwort.
Unser Gott weicht dem Kreuz nicht aus, und heute sind wir mit hineingenommen in seine Passion.

Passion heißt nicht nur Leiden, sondern Leidenschaft.

Jesus Christus hat das Leid nicht beseitigt, aber in seiner Passion macht er deutlich, wie bedingungslos und leidenschaftlich unser Gott die Menschen liebt.

Das Kreuz ist ein Geschenk der Liebe.

Das Kreuz erinnert uns daran, dass unser Gott uns im Leid nicht allein lässt, dass er unseren ganz persönlichen Kreuzweg mitgeht. Wir verstehen nicht, warum er das Leid zulässt, aber er ist da, mitten im Leid, in der Trauer, in der Verzweiflung, in der Angst. Er ist da, wenn Beziehungen zerbrechen, wenn ein lieber Mensch stirbt, wenn die Ärzte nicht mehr weiterwissen, wenn Menschen einfach nicht mehr können.

Heute sind wir da, und immer wieder sind wir dort, wo sie unseren Gott kreuzigen. Und es lässt uns erzittern, das Grauen, die Verzweiflung und der Schrecken.

Aber unser Gott ist dort, wo sie uns kreuzigen, wo wir Leid und Tod erleben müssen, das Kreuz auf uns nehmen und nach Golgota gehen müssen.

Und vielleicht lässt uns manchmal die Nähe Gottes erzittern, ja erzittern. Nicht nur das Grauen, die Verzweiflung und der Schrecken lassen uns heute erzittern, sondern die Passion, mit der Gott sich uns zuwendet, mit der er uns nahe ist mitten im Leid, mit der er unseren Leidensweg mitgeht und unser Kreuz mitträgt. Und vielleicht lässt uns auch erzittern die Hoffnung, die Hoffnung auf Licht und Leben, die Hoffnung auf den dritten Tag.

Amen.

 

Anbei ein paar Eindrücke von der Karfreitagsliturgie mit Pater Peter Uzor in St. Marien Sonnefeld: