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Pater Peter Uzor: „Allerheiligen kann uns daran erinnern, was Gott in Jesus tat“

„Feste im Kirchenjahr sind Rastplätze, an denen wir vom Tempo unserer Lebensautobahn einmal nicht bestimmt werden … Sie sind Einladungen Gottes, seine Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen.“ (Gerdi Stoll)

In seiner Predigt zum heutigen Festtag Allerheiligen betont unser geistlicher Begleiter Dr. Pater Peter Uzor, dass Allerheiligen so ein kleiner Rastplatz sein könnte, an dem wir das Tempo aus unserem Leben rausnehmen, innehalten und dankbar auf die bunte Schar der Heiligen schauen, die uns zeigen, wie facettenreich und fantasievoll unser Glaube gelebt werden kann.

Zum Beginn des Gottesdienstes in der St. Marienkirche in Sonnefeld bei Coburg erinnert Pater Peter Uzor seine Gemeinde wie folgt an die Bedeutung des heutigen Tages: „Das Fest Allerheiligen – auch wieder eine Einladung Gottes, seine Gäste zu sein, sich am Tisch seines Sohnes zu versammeln, seine Worte zu hören und zu bedenken, die Gemeinschaft derer zu spüren, die vor uns den Glauben gelebt haben und die ihn heute mit uns leben wollen, sich durch Brot und Wein stärken zu lassen für die Bewährungsproben des Alltags. Herzlich willkommen auf dem Rastplatz Allerheiligen, wo wir uns Zeit zum Singen und Beten, zum Ausruhen und Nachdenken nehmen dürfen.“

 

Anbei die Worte seiner Predigt zu Mt 5,1-12 mit dem Thema „Gibt es eine Anleitung zum Heiligwerden?“:

 

Pater Peter bei seiner heutigen Predigt in St. Marien Sonnefeld bei Coburg

 

Es war einmal ein Mensch, der eifrig die Bibel studierte. Eines Tages stieß er auf einen Satz, den Mose im Auftrag Gottes zu den Israeliten sagen musste: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig!“ (Lev 19,2)

Als er das las, bekam er Angst. Ich und heilig? – dachte er. Wie soll denn das gehen? Da erinnerte er sich an ein Buch, das schon lange unbenutzt in seinem Bücherregal stand: „Helden und Heilige“ war der Titel. In der Hoffnung, hier ein paar Tipps zu finden, blätterte er neugierig in den Heiligenbiografien. Er fand erbauliche und interessante Geschichten, aber je mehr er sich in sie vertiefte, desto unsicherer wurde er.

Vom unauffälligsten Mauerblümchen bis zum schrägsten Vogel – alles war unter den Heiligen zu finden. An wem sollte er sich orientieren? Zu welcher Lebensweise sollte er sich denn entscheiden?

In seiner Not begann er zu beten und die Heiligen selbst um Rat anzurufen. Vor Marienstatuen zündete er Kerzen an, dem Heiligen Antonius ließ er immer wieder eine Spende zukommen und er pilgerte zu mehreren Wallfahrtsorten. Überall flehte er, man möge ihm doch zeigen, wie er ein Heiliger werden könne.

Diskussionsrunde im Himmel

Und die Heiligen im Himmel hörten seine Gebete. Sie beschlossen einen Allerheiligen-Tag, um sich mit seinem Anliegen gründlich zu befassen. Petrus, der schon zu Lebzeiten bei den Jüngern Jesu die Sprecherrolle übernommen hatte, wurde zum Vorsitzenden gewählt. Im Gegensatz zur Kirche auf Erden legten die Heiligen im Himmel großen Wert auf das Mitspracherecht aller und beschlossen einstimmig, jeder Heilige müsse die Chance erhalten, seine Meinung offen zu äußern – natürlich auch jede Heilige, denn im Himmel war man in Sachen Gleichberechtigung schon einen Schritt weiter.

Kontroverse Standpunkte

Eine Gruppe um den Wüstenvater Antonius war der Meinung, wer heilig werden wolle, solle viel beten, viel fasten und als Einsiedler oder Eheloser in einem Kloster viel Buße tun. Elisabeth von Thüringen und einige andere heilige Königinnen und Könige waren strikt dagegen: Sie vertraten die Ansicht, auch verheiratete Frauen und Männer könnten Heilige werden und natürlich auch solche, die mitten in der Welt lebten, die sich in Politik und Wirtschaft engagierten.

Manche Heilige sagten in der Diskussion, um heilig zu werden, müsse man einfach den Anweisungen des Papstes und der Bischöfe folgen. Dem widersprach vehement Thomas Morus und andere stimmten ihm lautstark zu: Nur wer seinem eigenen Gewissen folge und auch gegen heftigen Widerstand zu seinen Überzeugungen stehe, könne ein Heiliger werden.

Einige Langhaarige, die sich Johannes dem Täufer verbunden fühlten, waren der Auffassung, ein alternativer Lebensstil und revolutionäre Ideen müssten das Markenzeichen eines Heiligen sein – während Notburga, Ulrika Nisch und ihre Freundinnen dafür votierten, an seinem stillen, treuen und unspektakulären Dienst für andere müsse ein Heiliger erkennbar sein.

Für Louise von Marillac, Vinzenz von Paul und für viele andere war die tätige Nächstenliebe und die Sorge für die Kranken das entscheidende Kriterium für Heiligkeit. Hieronymus, Augustinus, Thomas von Aquin und die großen Kirchenlehrerinnen und -lehrer wollten dagegen auf Kenntnis der Bibel und theologisches Wissen nicht verzichten, wenn es um die Beschreibung eines heiligmäßigen Lebens ging.

„Vor sauertöpfischen Heiligen bewahre uns, o Herr“ – rief Teresa von Avila in die Versammlung, und Franz von Assisi, Philipp Neri, Franz von Sales und Don Bosco klatschten begeistert Beifall. Fröhlichkeit, Humor und Liebenswürdigkeit wären unbedingt notwendig, um ein glaubwürdiger Zeuge der Frohen Botschaft zu sein. Ernsthaftigkeit und Strenge gegen sich selbst seien aber auch wichtige Eigenschaften für einen angehenden Heiligen – wandten sofort der Heilige Alfons und der Pfarrer von Ars ein.

Barbara, Margareta und Katharina – die Clique der heiligen drei Madeln – plädierten dafür, das klare Bekenntnis zu Jesus Christus auch in den Anforderungskatalog für Heiligkeit aufzunehmen. Doch damit war Martin von Tours nicht einverstanden. Er forderte von allen, die heilig werden wollten, die Bereitschaft zum Teilen und den Einsatz für die Armen und Benachteiligten ohne große Worte.

Ein überraschendes Ergebnis

So diskutierten die Heiligen – und kamen zu keinem Ergebnis. Da sie sehr viel Zeit hatten, dauerten ihre Beratungen eine Ewigkeit. Gott selbst hatte sich in Ruhe alles angehört. Plötzlich erhob er sich und sagte freundlich, aber bestimmt: „Meine lieben Heiligen, passt gut auf und seht genau zu!“

Und zum Erstaunen aller Heiligen wurde Gott Mensch.

Sie schauten tief in die Erdenzeit hinein und erlebten, was Gott im Menschen Jesus von Nazareth tat, wie er redete, wie er sich verhielt und wie er anderen Menschen begegnete: Er ging in die Wüste, fastete und betete – aber er ließ sich auch bei Hochzeiten und Festmählern das Essen schmecken. Er zog sich in die Stille zurück – aber er mischte sich auch kräftig ein, wenn er etwas ungerecht fand. Er respektierte das Gesetz – aber er setzte auch Gebote außer Kraft, die den Menschen unfrei machten. Er protestierte und solidarisierte sich mit den Außenseitern der Gesellschaft – aber er half auch ganz selbstverständlich den Menschen, die in Not waren. Er kümmerte sich um die Kranken – aber er diskutierte auch heftig mit Pharisäern und Schriftgelehrten über theologische Fragen. Er konnte lachen und humorvolle Geschichten erzählen – aber auch ernst und streng den Reichen und Mächtigen ins Gewissen reden. Er sprach klar und unmissverständlich und begeisterte viele mit seinen Worten – aber er gab seinen Freunden auch ein Beispiel des Dienens und wusch ihnen in aller Stille die Füße.

Verschiedene Wege zur Heiligkeit

In der Versammlung aller Heiligen war es ganz ruhig geworden. Petrus unterbrach das lange Schweigen und sagte: „Ihr seid sicher einverstanden, wenn ich dem Menschen, der heilig werden will, folgende Botschaft zukommen lasse: Es gibt keinen allgemeinen Weg zur Heiligkeit. Wir können dir nicht sagen, was für dich das Richtige ist. Denn da ist ein Weg, Gott zu dienen durch die Lehre – und da durch Gebet; da durch Fasten – und da durch Essen; da durch Reden – und da durch Schweigen; da durch Kämpfen – und da durch Dienen. Jeder-mann soll genau darauf achten, zu welchem Weg ihn sein Herz zieht, und dann soll er sich diesen Weg mit ganzer Kraft wählen.“ (nach Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim).

Alle Heiligen stimmten Petrus durch kräftigen Beifall zu. Und wenn unser Mensch diese Botschaft gehört hat, ist er sicher ein Heiliger geworden – egal, ob er im liturgischen Kalender der Kirche verzeichnet ist oder nicht.

Ganz in diesem Sinne ist Allerheiligen ein Fest der Erinnerung an alle, die in Bedrängnis, Leid und Not auf Gott gehofft, seine Treue erfahren und bei ihm ihre Heimat gefunden haben. Ein Fest für alle, die heute das Siegel der Taufe tragen und im gekreuzigten Christus ihren Retter und Erlöser verehren.

Und ein Fest der Erinnerung an alle, die Gottes Liebe gespürt und ihr Leben als sein Geschenk angenommen haben; die darauf vertraut haben, ihn einmal für immer zu sehen und ihm ähnlich zu werden. Ein Fest für alle, die heute versuchen, als „Kinder Gottes“ zu leben – dankbar, hoffnungsvoll, mit offenen Augen für die Sorgen ihrer Schwestern und Brüder.

Amen.

 

Anbei ein zu den Predigtworten von Pater Peter passender Song des Liedermachers Samuel Harfst: