Pater Peter Uzor: „Fronleichnam ist das Fest eines Gottes, der ganz bei uns Menschen ist“
Fronleichnam ist einer der höchsten Feiertage im römisch-katholischen Kirchenjahr, der auch das Hochfest des heiligsten Leibes und Blutes Christi genannt wird. Fronleichnam hat weder etwas mit Zwang im Sinne von Fronarbeit noch mit Leichnam als leblosem Körper zu tun. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Der Name Fronleichnam beschreibt ein äußerst lebendiges Fest zu Ehren des Leib des Herrn. Fronleichnam bedeutet so viel wie „Leib des Herrn“ und leitet sich aus den mittelhochdeutschen Wörtern vron (Herr, Herrschaft) und lichnam (Leib) ab. An Fronleichnam steht Jesus Christus im Mittelpunkt. Es wird ein Fest der Dankbarkeit für die leibliche Gegenwart Jesu in Brot und Wein und die Gemeinschaft der Gläubigen mit ihm im Abendmahl gefeiert (Quelle: vivat.de).
Beim heutigen Fronleichnamsfest in St. Otto Ebersdorf bei Coburg erklärte unser geistliche Begleiter Pater Dr. Peter Uzor die tiefe Bedeutung und den historischen Hintergrund von Fronleichnam. Zudem findet er berührende Worte für seine Pfarrgemeinde, die er nach 22 Jahren im August in Richtung Bistum Passau verlassen wird.
Anbei die Worte seiner Predigt, die er unter folgende Überschrift stellte: „Die heilige Gabe, das reine Opfer deines Hohepriesters Melchisedek“ (Gen 14,18-20)
Er ist einer der mysteriösesten und rätselhaftesten Personen in der ganzen Bibel. Nur an zwei Stellen des Alten Testaments ist von ihm die Rede. Dennoch gehört er zu den wenigen Gestalten aus der Zeit vor der Zeitenwende, die Eingang in die katholische Messfeier gefunden haben. So betet im ersten Hochgebet der Priester zu Gott: „Nimm diese Opfergaben an wie einst die Gaben deines gerechten Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das reine Opfer deines Hohepriesters Melchisedek“.
Wer war dieser Melchisedek?
Zur Zeit des Abraham waren die Kanaaniter die Bewohner des biblischen Landes. Sie verehrten einen Gott, der über alle anderen Gottheiten herrschte. Melchisedek war der König von Salem, wahrscheinlich das spätere Jerusalem. Er war Priester des höchsten Gottes („El eljon“). Er kommt zu Abraham, nachdem dieser erfolgreich von einer Schlacht wiederkehrt. Er bringt Brot und Wein herbei und lädt ihn nicht nur zum Mahl ein, sondern bietet ihm auch Wohlwollen und gute Beziehungen an. Er segnet ihn und Abraham antwortet auf dieses Geschenk, indem er ihm den zehnten Teil seines Besitzes gibt.
Wenn man bedenkt, dass das Alte Testament die Religionen der umliegenden heidnischen Völker zumeist als Bedrohung des Glaubens und der Erwählung Israels betrachtet, dann ist diese Geste bedeutsam und nicht selbstverständlich: Abraham, ein rechtgläubiger Israelit, der Stammvater aller Beschnittenen, empfängt den Segen von Melchisedek, einem nicht-israelitischen Kultdiener und Priester. Er erkennt ihn durch die Gabe des Zehnten nicht nur als Priester Gottes an, sondern entdeckt in dessen Gottesbild auch etwas, das mit seinem Gottesbild artverwandt ist. Ja, er erklärt feierlich: „Der, den du, als höchsten Gott und Schöpfer des Himmels und der Erde erfasst hast, der trägt den Namen JHWH, der ist der wahre Gott.“ (vgl. Gen 14,22)
Melchisedek gilt als Vorbild für das ewige Priestertum Jesu Christi, das nicht auf die levitische Linie zurückgeht. Sein Priestertum ist dem des levitischen überlegen.
Diese seltene Kontaktaufnahme eines Israeliten mit einem Nicht-Israeliten ist für die Bibel ein Modell, wie Abraham und seine Nachkommen sich zu den sich öffnenden heidnischen Religionen verhalten sollen: Im menschlichen Bereich freundschaftlicher Umgang und im religiösen Bereich Bejahung dessen, was in der Linie der selber empfangenen Offenbarung liegt.
Die christliche Tradition hat das Herbeibringen von Brot und Wein durch den Priester-König Melchisedek als Hinweis auf die Eucharistie gedeutet. Ihre Einsetzung durch Jesus Christus, wie Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther bezeugt hat, feiern wir heute an Fronleichnam.
An diesem Tag denkt man in Feierlichkeit und Anbetung daran, dass Gott im Brot und im Wein der Eucharistie gegenwärtig ist.
Die Kirche glaubt, dass Jesus Christus in ihr und für sie „präsent“ ist: [Vgl. zum Folgenden die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Sacrosanctum Concilium, Nr. 7.] Präsent ist er, wenn wir um den Altar versammelt zu seinem Gedächtnis das Brot brechen und Eucharistie feiern. Präsent ist er – so das Konzilsdokument über die Liturgie – „vor allem“ unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein. Nicht nur, aber auch und vor allem hier haben Menschen Jesus wiedererkannt und erinnert. Erinnert, wie er „in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde“, das Brot nahm und sprach: „Das ist mein Leib für euch“. Und wie er dann den Kelch voll Wein nahm und sprach: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ In diesem Moment und in diesen Worten war Jesus den damals Anwesenden so präsent, dass sie – in seinem Gedächtnis – seine Präsenz beim Brotbrechen über Raum und Zeit hinweg immer wieder spürten, glaubten, ja wussten.
Und wir sind die, die Zeugnis geben können von der Kraft, die im geteilten Brot und Wein, in Leib und Blut Jesu zu finden ist.
So unter uns feiern wir, was uns der Apostel Paulus als erster schriftlich überliefert hat. Sein Zeugnis über das Geschehen am Abend vor dem Tod Jesu am Kreuz ist der älteste Beleg des Abendmahles Jesu im Neuen Testament. Paulus selbst ist gar nicht anwesend gewesen. Er hat zusammengefasst, was geschehen ist und was ihm überliefert wurde. Jesus hat das Brot genommen im Kreis seiner Jünger, hat ein Dankgebet gesprochen und dem Brot eine neue Bedeutung gegeben: Es ist sein Leib. Ebenso hat er dem Wein eine neue Bedeutung gegeben: Es ist sein Blut. Vorweggenommen hat Jesus bildlich seinen Tod am Kreuz. Jesus gibt seinen Jüngern einen Auftrag: Immer wieder Mahl zu halten, Brot zu brechen, Wein zu teilen und dabei an ihn zu denken, der uns da in Brot und Wein, in seinem Leib und Blut, entgegenkommt. Äußerlich auf dem Altar haben wir noch immer Brot und Wein, doch Jesus selber hat gesagt: Wenn ihr das tut im Gedenken an mich, wenn ihr euch an mich, an das was ich getan habe erinnert, dann bin ich bei euch, dann bin ich in diesem Brot und in diesem Wein. In den äußeren Zeichen von Brot und Wein schenkt er sich selbst, schenkt er seine Liebe und Zuneigung, schenkt er sein Leben.
Wenn wir miteinander Eucharistie feiern, dann ist es die Erinnerung an das was Jesus getan hat. Es ist aber andererseits noch mehr, Jesus selber ist auf ganz spezielle Weise, die wir nicht wirklich erfassen können da. Er kommt zu uns, wir dürfen Gott mitten unter uns haben und sogar in uns aufnehmen. Eigentlich ein enorm großes Geschenk, nie ist Gott den Menschen, die an ihn glauben, so nah wie in der Eucharistie. Für uns ist er immer da.
Dieses Mahl, die Eucharistie will uns sättigen, nicht im Sinn von „pappsatt“ werden, wie nach einem guten Essen, sondern im Sinn von: Es will uns Kraft geben, aber auch Mut, Zuversicht, Vertrauen und Freude schenken. So will das gemeinsame Mahl über den Zeitpunkt des Mahles hinaus wirken: in unser Leben hinein, in unseren Alltag. Das Mahl, die Eucharistie, will wie eine Rast sein auf unserem Weg durch unser Leben und uns ermutigen, zu teilen, was wir haben für eine gerechtere, bessere Welt.
Dieses Mahl will uns stärken, im Sinne dessen das Leben zu gestalten, der sich da mit seinem Leib und Blut hingegeben hat für uns. Ihn nehmen wir auf beim Mahl der Eucharistie.
Dieses Fronleichnamsfest ist sozusagen ein zweiter Gründonnerstag – nur unter anderen, fröhlicheren Vorzeichen: Mit dem Monstranz und Weihrauch, mit Musik und Liedern ziehen wir in der Kirche hinein und mitten drin das kleine weiße Stück Brot in der Monstranz: „Das ist mein Leib“. Kein toter Leichnam, kein bloßes Erinnerungsstück, sondern Jesus Christus selber, in der unscheinbaren Gestalt des Brotes.
Ich freue mich jedes Jahr auf diesen Tag. In diesem Jahr freue ich mich ganz besonders. Es wird mein letztes Fronleichnamsfest mit euch sein.
Ich bitte Jesus, alle die Menschen zu segnen und zu beschützen, mit denen ich in den letzten Jahren die Eucharistie gefeiert habe, an denen ich den „Leib des Herrn“ gereicht habe. Und wenn ich am Ende dieses Gottesdienstes in der Kirche den Segen gebe, dann gilt er allen Menschen, Ihnen, die mich all diese Jahre in meinem priesterlichen Dienst begleitet haben, und den vielen, die in vielen Art und Weise mitgegangen sind, oder vorbeigekommen sind. Allen erbitte ich seinen Segen, unseren Gemeinden, Ebersdorf, Sonnefeld, Grub am Forst, Weidhausen und Großgarnstadt, und den Suchenden und den Glaubenden, den Nahen und den Fernen.
Und immer neu bewegt mich das Wissen, dass Jesus selber wirklich da ist, mitten unter den Menschen, ihnen allen nahe, ob sie es wissen oder nicht. Fronleichnam, das ist für mich das Fest eines Gottes, der ganz bei uns Menschen ist.
Der Fronleichnamstag sensibilisiert uns, Gott in der Eucharistie zu erkennen. Und dann in allen Dingen. Fronleichnam ist ein Tag, der uns sehen lässt, in welch dichter Präsenz wir in Wirklichkeit leben. Der Tag regt an, öfter mal die Schuhe auszuziehen wie Mose vor dem Dornbusch und sich öfter zu verneigen wie vor der Monstranz. Wenn ich an Fronleichnam denke, muss ich an die vielfältige Präsenz des Göttlichen denken. Denn die Erde ist mit Himmel vollgepackt. Amen.
Fronleichnam 2025 mit Pater Peter Uzor vor und in der Kirche von St. Otto Ebersdorf bei Coburg: