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Pfarrer Kreitmeir: „Die Frage Jesu, was seine Jünger von ihm halten, ist für jeden wichtig“

In seinen Gedanken zum heutigen Sonntagsevangelium (Lk 9, 18-24) geht unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir bedeutsamen Fragen des Lebens nach, um letzten Endes an zwei wichtige Fragen zu erinnern.

Hier die Worte seiner Predigt im Zeichen der „Erinnerung an Wichtiges“

Welche Fragen bestimmen Ihren Alltag?
Eher ganz persönliche Fragen: Werde ich gesund bleiben?
Werde ich das und das schaffen?
Was wird aus mir, wenn ich einmal alt und gebrechlich bin?
Oder sind es eher politische und uns alle beschäftigende Fragen:
Werden wir den Klimawandel aufhalten können?
Gibt es in den Kriegsgebieten der Erde Wege zu Frieden und Stabilität?
Was können wir gegen selbstherrliche und gefährliche Staatenlenker tun?
Oder sind Ihre Fragen noch viel grundsätzlicher:
Woher komme ich und wohin gehe ich? Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Wenn es Gott gibt, warum dann so viel Leid auf dieser Erde?

Wie das tägliche Essen und Trinken gehören Fragen zu unserem Alltag.

Im heutigen Evangelium stellt Jesus seinen Jüngern eine für ihn und für sie ganz entscheidende Frage: „Für wen haltet ihr mich?“
Diese Frage stellt er, nachdem er seine Anhänger gefragt hatte, für wen die Menschen ihn grundsätzlich halten und dann unterschiedliche Antworten bekam. Von seinen Jüngern wollte er aber keine Allgemeinantworten, er wollte persönliche Antworten von ihnen.

„Ja, für wen hältst du mich denn?“, fragen wir empört, wenn jemand etwa etwas Unmoralisches von uns verlangt. „Für wen hältst du mich?“, frägt der verliebte Partner die Partnerin und andersherum und will hören, dass er oder sie der oder die einzige ist.

Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass es viel ausmacht, was wir von jemandem halten und wie wir dann von ihm denken, ihn einschätzen und umgehen?

Vor kurzem war ich wieder einmal in einem großen Buchladen. Das liebe ich. Einfach meinen Blick durch die Reihen der Bücher ohne Hektik und ohne Ziel wandern lassen, das eine oder andere Buch herausnehmen, darin blättern, wieder zurückstellen oder mir häufig notieren. Nicht selten kaufe ich dann auch mindestens ein interessantes Exemplar.

Mir fiel dieses Mal dabei auf, dass das Thema „Wertschätzung“ wieder mehrfach Thema von Büchern geworden ist. Eigentlich kein Wunder, denn wenn sogar Staatenlenker heute gezielt in Wort und Tat abschätzig, abkanzelnd, ja primitiv-brutal mit anderen umgehen und wie das in den Familien-, Schul- und Arbeitsalltag abfärbt, das macht Angst. Dass heute Politiker, die für die Menschenwürde von Flüchtlingen und Ausländern eintreten, mit miesesten Internetbotschaften belegt, mit dem Tode bedroht und sogar, wie jüngst in Deutschland geschehen, auf der eigenen Terrasse erschossen werden, lässt die Alarmglocken läuten.

All das fordert dringend nach Gegenmodellen, nach Mut und öffentlichem Widerstand. Anstand, Etikette, guter Umgangston und Umgangsstil, Wertschätzung werden Gott sei Dank aber auch wieder neu entdeckt, wie mein Blick in die Bücherwelt zeigte. Das muss noch viel mehr werden!

Wenn ich jemanden wert-schätze, dann rede ich ganz anders über ihn und mit ihm, ich gehe ganz anders mit ihm um.

Merken Sie, wie wichtig die Frage Jesu ist, was seine Jünger von ihm halten?

Genauso wichtig ist es, welche Idee, welche Vision du für dein Leben hast. Es ist wichtig, sie zu suchen, sie zu finden, sie nicht mehr zu verlieren, sich immer wieder daran zu erinnern oder erinnert zu werden, wenn man es selbst vergessen sollte.

Die bekannte Geschichte „Der Wächter“ aus Martin Bubers Erzählungen der Chassidim zeigt dies in genialer Weise auf: „In Ropschitz, Rabbi Naftalis Stadt, pflegten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen, Leute zu dingen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten. Als Rabbi Naftali eines Abends spät am Rande des Waldes entlangging, der die Stadt säumte, begegnete er solch einem auf und nieder wandelnden Wächter. „Für wen gehst du?“, fragte er ihn. Der gab Bescheid, fügte aber die Gegenfrage daran: „Und für wen geht Ihr, Rabbi?“ Das Wort traf den Zaddik (Gerechten) wie ein Pfeil. „Noch gehe ich für niemand“, brachte er mühsam hervor, dann schritt er lange schweigend neben dem Mann auf und nieder. „Willst du mein Diener werden?“, fragte er endlich. „Das will ich gern“, antwortete jener, „aber was habe ich zu tun?“ „Mich zu erinnern“, sagte Rabbi Naftali (Buber Martin, Der Wächter, in: Die Erzählungen der Chassidim, Zürich, 1949, 671).

Die wöchentliche Predigt hat vielleicht auch die Aufgabe, uns an wichtige Ideen, Visionen und Fragen in unserem Leben zu erinnern. „Für wen hältst du Jesus?“ und „Für wen gehst du?“, das sind Fragen, an die ich Sie heute gerne einmal erinnern wollte.

 

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