Pfarrer Kreitmeir: „Für die Karfreitage unsres Lebens schenkt uns Gott vorab die nötige Nahrung“
In seiner Auslegung zum Sonntagsevangelium von der Verklärung Jesu (Mk 9, 2-10) verweist unser geistlicher Begleiter Pfarrer Christoph Kreitmeir darauf, dass der Weg der Erlösung durch Abstieg, Leiden und Sterben geht.
Anbei die Worte seiner Predigt als Audio-Datei und anschließend im Textformat:
„Ein Mann, der gerade seinen 50. im Kreis seiner Familie und Freunde schon unter dem Schatten des Todes gefeiert hat, redet in den zwei Nächten vor seinem Tod immer wieder davon, dass er jetzt eine Türe öffnen will: ´Ich klopfe jetzt an. Ich mache jetzt die Türe auf.´ Seine Schwester hat ihn ermutigt. ´Ja, tu es. Klopf du jetzt an, mach die Türe auf. Du kannst jetzt gehen. Wir lassen dich gehen.´
Er wollte, dass seine Nähesten mit ihm gehen. Das wollten sie und das konnten sie nicht. ´Er hat noch zwei Tage gebraucht, bis er die Türe geöffnet hat.´ So sagt die Schwester von seiner Todesstunde.
´Hol das Auto aus der Garage, dann fahren wir los.´ Das war sein anderes Bild für die ´Große Reise´. Er hatte dazu selbst die ´Kleiderordnung´ bestimmt. Schwarze Jeans, weißes Shirt (Keine Kravatte!). So hat die Familie ihn dann auch ankleiden lassen für seine ´letzte Reise´“ (Hubert Böke, Buch vom Leben und vom Sterben. Ein christlicher Wegbegleiter, Gütersloh 2009, S. 11)
Was hat diese Erzählung eines Mannes, der im sog. besten Alter sterben muss, mit der biblischen Geschichte des Mannes namens Jesus zu tun, der auf einem hohen Berg, bekannt als der Berg Tabor, im Kreise seiner ausgewählten Jünger „verklärt“ wurde?
Wir haben diese heilige Geschichte doch gerade im Evangelium gehört.
Nebenbei gesagt: der 50-jährige hatte mit Glauben und Kirche „nicht wirklich was am Hut“ und doch sah er den Tod als eine Schwelle, eine Türe zu einem anderen Raum, an die er vor dem Eintreten erst anklopfen wollte.
Was verbindet den 50-jährigen Todeskandidaten mit dem 30-jährigen Jesus in besonderer Gipfelsituation und was trennt sie?
Die Antworten sind einfach und dann auch wieder tiefgründiger:
- Der eine hat ein weißes Shirt, der andere „Kleider, die strahlend weiß wurden, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann“ (Mk 9, 3).
- Beide erleben etwas ganz Besonderes und das gewollt und geplant in auserwählter Gesellschaft.
- Mit beiden geschieht in dieser Situation etwas, was sie vorher so noch nicht erlebt haben: Der eine macht die Tür zu einer ganz anderen Dimension auf, der andere erlebt Erscheinungen und Begegnungen aus der Anderwelt, der anderen Dimension und wird von Gott als Sohn Gottes bestätigt.
- Der eine glaubt nichts Religiöses, der andere wird zum Erlöser belasteter und hoffnungsferner Menschen. Er wird zum Erneuerer seiner Religion, ja zum „Begründer“ einer neuen Religion. Dieser Mann, Jesus, den wir Christus, den Messias nennen, wird selbst zur Tür in die andere Dimension. Wer durch sie hindurchgeht, der findet ewiges Leben.
Bei der Erzählung von der Verklärung Jesu auf dem hohen Berg ist nichts zufällig.
Wichtige Gotteserfahrungen geschahen im Judentum immer irgendwie in Verbindung mit „hohen Bergen“. Elija und Mose, die Jesus erscheinen, hatten solche Gotteserfahrungen auf Bergen. Zur Zeit Jesu war die Erwartung der Wiederkunft Elijas sehr lebendig.
Elija, der Rechtschaffene, steht in vielem als Vor-Bild für Jesus.
Elijas Ölwunder für die Witwe von Sarepta (2 Kön 4,1-7) ist der wundersamen Brotvermehrung Jesu (Joh 6,1-15) sehr ähnlich. Die Totenerweckung des Sohnes der Witwe durch Elija (1 Kön 17,17–24) erinnert an die Auferweckung des Lazarus durch Jesus (Johannes 11,1-46). Einige weitere „Ähnlichkeiten“ lassen sich finden, v.a. ist aber die „Himmelfahrt Elijas“ (2 Kön 2,1-18) hier wiederum eine Art „Vorbild“.
Auch zwischen Moses und Jesus gibt es viele „Ähnlichkeiten“, hier ist er als die Gestalt der göttlichen Gesetzgebung und Wegweisung zu sehen, auf die man hören sollte.
Jesus wird mit diesen außergewöhnlichen Männern hier auf eine Ebene gestellt.
Die Wolke, welche die drei überschattet, ist dem durch die Wüste wandernden Gottesvolk bestens bekannt. Sie steht für die Präsenz und Gegenwart Gottes, die zielsicher Navigations- und Schutzfunktionen übernimmt.
Wer wie Petrus, Jakobus und Johannes als Begleiter Jesu so etwas erleben darf, der ist einerseits überwältigt und andererseits willig und willens, das Erlebte begleitend auszukosten und anzuhalten.
Hier fällt mir auf, dass die Schwester des sterbenden 50-jährigen sich ähnlich verhielt. Sie unterstützte ihn in seinem Vorhaben, die besondere Türe zum Unbekannten zu öffnen, sie war dabei, sie war auch mit ihrem Herzen, ihrer Seele und vor allem mit ihrer Liebe dabei.
Das Besondere der „Verklärungssituation“ hält aber nicht ewig an, auch wenn wir das gerne so hätten.
Die Highlights unseres Lebens sind flüchtig, Auferstehungswinde wehen leise, säuselnd und kurz. Wer sie aber erlebt hat, wird sie nie mehr vergessen. Die Realitäten unseres Daseins holen uns schnell wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Das Sterben des 50-jährigen war sicherlich nicht leicht und schön, aber es ist das not-wendige Durchschreiten der Türe hin zur großen Reise.
Petrus und die anderen – auch wir anderen – mussten und müssen hinunter in die Täler des Lebens. Sie und wir werden immer wieder in die Lektion eingeführt, dass der Weg der Erlösung, den Jesus Christus uns aufgezeigt hat und den er uns vorausgegangen ist, dass dieser Weg der Erlösung durch Abstieg, Leiden und Sterben geht – immer wieder und dann letztendlich und letztgültig.
Ohne Karfreitag kein Ostern, ABER für die Karfreitage unseres Lebens schenkt uns Gott vorab Taborereignisse und Verklärungserlebnisse, die uns die nötige Nahrung für die schweren Wegstrecken hin zur Reifung und des Durchgangs geben wollen.
Wichtig ist, dass wir diese wahrnehmen und in unserer inneren Schatztruhe abspeichern.
Amen.