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Pater Peter Uzor: „Jesus kommt bei den Menschen an“

In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mt 16,13-20), in dem Jesus seine Jünger fragt, für wen sie ihn halten würden, bezieht unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor Stellung zu der Frage, warum er noch immer dabei ist im „Laden Kirche“ und hinter diesem Christus als Christ „hinterherstolpert“.

Hier die Worte seiner Predigt zu „Der Bruch im Gespräch (Mt 16,13-20)“:

Man kennt das. Auch uns Seelsorgern geht es so bei einem Hausbesuch. Eben noch unterhält man sich über Belangloses, die neuesten Umfrageergebnisse, Trends, Gerüchte, Tratsch und Klatsch, Skandale und Personalia, Krankheitsgeschichten, Meinungen über alles Mögliche und Unmögliche, das Stimmungsbild in Kirche und Gesellschaft, die Themen des Tages und was man halt so im Smalltalk von sich gibt. Viel Hörensagen, Halbwahrheiten, Vermutungen über das, was in der Luft liegt, was „man“ meint und was „die Leute“ so denken. Zudem ist man neugierig, was andere so über die eigene Person denken und verbreiten, wird hellhörig bei Lob und Kritik. Man wiederholt die Meinung der Meinungsmacher oder zeigt sich als theologischer Profi und referiert Angelesenes.

Und plötzlich bricht das harmlos dahinplätschernde Reden „über“ ab. Es wird persönlich. Man will mehr von mir hören: „Ich habe da mal eine Frage …“ „Was hält dich eigentlich noch im Glauben, in dieser Kirche?“ Warum bist du noch Priester? „Glaubst du das eigentlich, was du uns da predigst?“ Das ist der Moment der „Sonntagsfrage“. Damit schert man aus dem erwartbaren Ablauf des Gesprächs aus. Jetzt wird es ernst:

Auf einmal richtet sich der Fokus auf mich und das, was mich bewegt, was ich hoffe, warum ich noch immer dabei bin im „Laden Kirche“ und hinter diesem Christus als Christ hinterherstolpere; und was ich, der ich so oft bei Beerdigungen Trost predige, nach dem Tod erhoffe.

Auf einmal muss ich Farbe bekennen. Jetzt kann ich nicht ablenken, nicht schweigen. Jetzt muss ich Position beziehen und persönlich werden, das Intimste offenbaren. Und was ich jetzt sage, kann ich nie mehr zurücknehmen.

Ein ähnlicher Bruch geschieht heute in Gottes Wort. Mitten im tiefsten Heidenland wird es auf einmal sehr persönlich. Auf offener Straße wird etwas so noch nie Gesagtes laut, wird das „Fest des Heiligsten Namens Jesu“ und seines Messias-Geheimnisses gefeiert.

Hier in Caesarea Philippi ist ein Wendepunkt. Das erste christliche Credo, buchstäblich das „apostolische“ Glaubensbekenntnis wird hier registriert.

Ausgerechnet hier wird vielleicht zum allersten Mal der Name Christus bekannt.

„Für wen halten mich die Leute?“ Diese Frage Jesu traf die Jünger damals wohl eher unvorbereitet. Und so berichten sie zunächst von dem „was die Leute so sagen“, und die halten ihn für Johannes den Täufer, Elija, Jeremia … Alle sind markante Persönlichkeiten des jüdischen Glaubens.

Doch Jesus lässt nicht locker und konkretisiert jetzt seine Frage: „Für wen haltet ihr mich?“ Und es ist wieder einmal Petrus, der antwortet, der ein eindeutiges und klares Bekenntnis formuliert: „Du bist unvergleichlich, du bist Messias, Christos, Sohn des lebendigen Gottes!“

Petrus kannte Jesus schon eine lange Zeit. Gemeinsam waren sie unterwegs gewesen. Sie waren Freunde geworden. Petrus hat Jesus als einen Menschen erlebt, der immer wieder klare Position bezieht und der sich für die Menschen am Rand der Gesellschaft einsetzt. Petrus hat erlebt, wie Jesus Aussätzige heilt. Und eine solche Heilung bedeutet: Er gibt diesen Kranken ihr Leben zurück. Sie müssen nicht mehr außerhalb des Ortes, außerhalb der Familien leben. Sie können zurück in ihr altes Leben und ein Neues beginnen. Mit ihren Familien und Freunden. Heraus aus der Isolation, hinein in ein neu aufbrechendes Leben.

Als den Menschen zugewandt hat Petrus Jesus immer wieder erfahren.

Als jemand, der auf die Menschen zugeht, der sich um sie kümmert, der sich um sie sorgt. Und als jemand, der den Menschen verzeiht und ihnen immer wieder von der Barmherzigkeit seines Vaters erzählt.

Jesus – er kommt bei den Menschen an.

Dies hat Petrus erlebt und so kommt er nicht vorbei an seiner klaren und eindeutigen Überzeugung: „Du bist der Messias, der Sohn Gottes!“

Es ist eine Vertrauenserklärung, ja sogar eine Liebeserklärung an Jesus, die Petrus hier bekennt. Das sind Worte, die nur jemand sprechen kann, der auch erfahren hat, konkret erlebt hat, dass Jesus die Quelle ist, aus der es sich leben lässt.

Auf die Antwort kann Simon nicht alleine gekommen sein, auch wenn er bereits einige Lehr- und Wanderjahre mit Jesus hinter sich hatte. Nicht Fleisch und Blut, nicht Menschenweisheit haben ihm diese Antwort verraten, sondern – eine „Erleuchtung“, ein Geistesblitz, als hätte ihm Gott selbst die Antwort zugeflüstert. Für Simon war es eine Art persönliches Pfingsterlebnis, ein Einfall Gottes.

Und daraufhin spricht Jesus dem Petrus zu, dass er der Fels ist auf den er, Jesus, seine Kirche bauen wird. Er traut ihm zu: „Du bist der Fels“. Obwohl Petrus manchmal so wankelmütig erscheint, verlässt sich Jesus ganz auf ihn. Ihm traut er Vieles zu, ihm mutet er Vieles zu, aber er baut und vertraut auf ihn.

Die Frage Jesu: „Für wen haltet ihr mich?“, diese Frage endet nicht mit Petrus in der Zeit der Jünger.

Nein, sie geht weiter über die Jahrtausende der Geschichte bis hin zu uns heute. Diese Frage richtete sich an jede und jeden Einzelnen und wird gleichzeitig zur Botschaft an uns. Du und ich, wir werden gefragt: „Für wen hältst du mich?“ Vielleicht sind wir zunächst auch versucht, wie die Jünger, allgemein zu antworten. Halt so, wie die Leute reden oder wie wir es im Religionsunterricht oder in unseren Kirchen gehört und gelernt haben: der Messias, der barmherzige Vater, der Sohn Gottes …

Aber Jesus ermutigt mich zu einer konkreten Antwort, die aus meinem Herzen tief drinnen kommt.

Jeder von uns hat diesen Jesus kennengelernt. In der Zeit seit unserer Taufe, ja seit Geburt an. Wir haben unsere eigene Geschichte mit ihm.

Ich höre in unserer Gemeinde immer wieder solch persönliche Antworten, die davon erzählen, was einzelne Menschen mit Jesus erfahren haben: „Er hat mir Kraft gegeben, als ich so krank war. Als ich nicht mehr wusste, wer mir noch helfen kann.“

„Ich habe gespürt, dass Jesus bei mir ist, als ich nach meiner Scheidung in ein tiefes Loch zu fallen drohte.“

„Wenn ich Jesus nicht gehabt hätte, wenn ich seine Nähe nicht gespürt hätte, ich wäre nie über den Tod meines Mannes hinweg gekommen.“

„Es war ein besonderes Erlebnis mit Dir über Jesus zu sprechen. Das hat mir die Augen geöffnet. Ich habe es richtig gespürt, dass das etwas ganz Besonderes war. Das alles hat mich tief berührt.“

Ich wünsche jedem von uns, dass wir auch so ein klares und eindeutiges Bekenntnis über diesen Jesus spüren und auch davon erzählen können.

Die Jünger, die nach der Auferstehung ein Stück Weg mit Jesus unterwegs waren, beschrieben dieses Miteinander als „brannte uns nicht das Herz …?“

Ich wünsche uns, dass auch unsere Herzen immer wieder brennen, wenn wir tief in uns Jesus nachspüren und Anderen von ihm erzählen.

Denken wir an die Minuten oder Stunden, in denen wir gespürt haben: Jesus ist für mich da, jetzt ist er da! Er ist bei mir, neben mir. Er geht meinen Lebensweg mit.

Durch unsere Berührung mit Jesus wissen wir mittlerweile, was wirklich wichtig ist: Die Hinwendung zu den Menschen, für sie da zu sein.

In besonderer Weise für die Armen, die Verfolgten, die am Rande unserer Gesellschaft keinen Anwalt haben, der sich für sie einsetzt.

Im Glaubensbekenntnis werden wir nachher die Frage Jesu „Für wen hältst du mich?“ formelhaft beantworten.

Zeigen wir nicht nur hier in der Kirche, sondern auch in unserem Alltag, dass wir Jesus als Freund, als mitgehenden und zuhörenden Freund erlebt haben.

Wenn wir diese Erfahrung im Gebet oder im Gespräch mit Anderen immer wieder bekennen, dann gilt die ermutigende Zusage Jesu an Petrus auch für uns heute: Auf dich, auf jede und jeden einzelnen von uns, mit allen Stärken und Schwächen, auf dich und mich will Jesus seine Kirche bauen und weiterbauen.

Amen.

 

Hier ein zu den Worten von Pater Peter passender Song von Nina Hagen, deren Leben sich zur ihre Beziehung zu Jesus Christus verändert hat: