Foto: PromisGlauben e.V. (Archivbild)

Pfarrer Rainer Maria Schießler: „Erst die größere Gerechtigkeit schafft einen gerechten Frieden“

Seine Auslegung der Sonntagslesung (Hebräer 12, 1–4) stellt Pfarrer Rainer Maria Schießler unter den Titel „Ermahnung in der Bedrängnis“.

Hier der Impuls, den Pfarrer Schießler auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:

 

„Richtet also eure Aufmerksamkeit auf Jesus, der angesichts der vor ihm liegenden Freude das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und alle Anfeindungen von Seiten der Sünder gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermattet und mutlos werdet!“

Befriedigen, trösten einen solche Worte wirklich in einer echten Bedrängnis?

Der Hebräerbrief ist keine süße Schnulze der Antike, kein Süßholzraspeln der Urgemeinde!

Angesprochen sind Christen, die gnadenlos bloßgestellt, beschimpft und geschlagen werden, im Gefängnis darben und wegen ihres Glaubens alles Hab und Gut verloren haben. Aber hilft ein solcher frommer Appell heute den Kriegsopfern und Unterdrückten weltweit, den Millionen Hungernden und Verfolgten? Man wird halt mal ab und an auf eine harte Probe gestellt, sagt man eher beiläufig. Doch: Genügt ein gutgemeintes „Alles halb so schlimm“ als Trost?

Überhaupt ist das mit der Vertröstung eine ziemlich heikle Sache. Billiges Ruhigstellen, im Sinne von: Liebe Seele, magst doch einfach weiterhoffen, die besseren Zeiten werden schon noch kommen, beeindruckt doch heute kaum jemanden mehr. Und dann ist da noch der Ver-gleich mit dem heldenhaften Jesus von Nazareth und sein heroisches Aushalten seines Leidens. Nützt mir das, dass andere dasselbe Schicksal erleiden oder gleich noch schlimmer? „Meine Tochter braucht kein Mitleid; sie braucht Freunde!“ hat eine Mutter gesagt, die mit ihrer schwerbehinderten erwachsenen Tochter im Rollstuhl unterwegs war. Also doch nix mit `halbes Leid ist geteiltes Leid´!

Dennoch hat der Vergleich mit einem leidenden Jesus auch hier etwas Positives: Er, der alles, was menschlich ist, getragen hat, incl. Leid und Tod, er hat durchgehalten, will die Schriftstelle uns sagen. Als gläubiger Christ gibt mir das ganz einfach Halt.

Nicht, weil Jesus ein Held war und wir Helden bräuchten. Er hat bestanden, weil er vertrauen konnte. Der Blick auf jene, die uns im Glauben im Leid vorangegangen sind, ist nicht dumm oder überflüssig. Er tut auch irgendwie gut. Was sie geschafft haben, das kann ich auch bestehen! Um dieses Signal geht es hier, ein gutes Signal, das Mut macht und aufrichten, aber nicht ruhigstellen will.

Natürlich, es sind immer unsere Verluste, unsere Enttäuschungen und unsere gescheiterten Pläne, die da auf der Strecke bleiben. Das ist bitter und raubt einem den realistischen Blick; man wird desillusioniert. Und doch ist es hilfreich, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und das Leid und den Schrecken anderer wahrzunehmen. Gerade in solchen Situationen macht es innerlich ruhig und kann auf ungeahnte Weise Kräfte zurückgeben. Zumindest macht es bescheiden.

Genau das meint der Hebräerbrief. Das will keine bloße fromme Harmonie sein und schon gar nicht ein fauler Kompromiss. Faule Kompromisse schaffen nur einen faulen Frieden.

Erst die größere Gerechtigkeit schafft einen gerechten Frieden – in einem selbst und auf dieser Welt.

Davor aber steht die klare Stellungnahme, die eindeutige Entscheidung und die Bereitschaft, mitzuleiden.

Martin Luther King hat es so ausgedrückt: „Unsere Fähigkeit zu lieben und zu leiden muss größer sein als der Hass derer, die uns bekämpfen und unterdrücken.“