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Pfarrer Rainer Maria Schießler: „Gott ist nicht Gesetz“

In seiner Auslegung zum Sonntagsevangelium (Mk 7, 1–8.14–15.21–23) verweist Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler auf die Freiheit, die auf der Spur des Evangeliums liegt und betont: „Gott ist nicht Gesetz“.

Anbei sein Impuls zu Mk 7, 1–8.14–15.21–23, den Pfarrer Schießler auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:

Jesus war für die Pharisäer ein Abweichler, der Ketzer schlechthin. Nichtigkeiten, ob Händewaschen oder nicht, waren es, die Jesus letztlich das Leben gekostet haben. Wer keine großen Visionen mehr hat, sucht eben sein Heil in Kleinlichkeiten oder im Absurden zu verwirklichen, das aber mit aller Energie, gelegentlich sogar mit Brutalität.

Die herrschende religiöse Gruppe vor 2000 Jahren hatte ein feines Gespür dafür, wer ihre Macht bedrohen und ins Wanken bringen könnte. Eine komplizierte Gesetzgebung hält das einfache Volk fest am Zügel. Ewiges Heil oder Verderben ist konsequent an die peinliche Erfüllung des Gesetzes gebunden, das der Reihe nach eingehalten wird. Mit einem solchen Gesetz, in dem man Gott buchstäblich versteckt, vor allem in den Verboten, ist es allemal leichter, als in aller Freiheit und auf der Spur des Evangeliums, selbstverantwortlich mit seinem Gewissen zu entscheiden und danach zu leben.

Jesus dagegen atmet diesen Geist der Freiheit.

Er hat die religiöse Gesetzesstrenge konsequent abgelehnt, wenn sie nur auf Äußerlichkeiten gründete. An diesem Geist wird Kirche auch heute erkannt:

Wenn Gott Geist und Liebe ist, dann ist er in der Liebe zu finden, die nach dem Menschen frägt, und nicht zuerst nach dem Gesetz.

Christen dürfen nicht gemeint sein, wenn Jesus seinen Widersachern vorwirft: „Es ist sinnlos, wie sie mich verehren.“ Und von der Verkündigung der Kirche soll keiner behaupten können: „Was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.“

Deswegen muss nach dem Geist und dem Herzen Jesu unter Christen gelten: Selbst die besten Gesetze und Ordnungen der Kirche sind weit weniger wert als die Menschen, die damit leben müssen.

Die Kirche ist nicht Jesus. Aber Jesus ist in gewissem Sinn die Kirche. Sie kann von ihm nicht getrennt werden und wird sich auch nicht hinter Geboten und Gesetzen verstecken dürfen.

Folglich kommt es vor allem und zuerst auf das Wort, das Herz und den Geist Jesu an, wenn wir Kirche sein wollen.

Kein leichter Weg, heute wie damals, aber alternativlos, denn „du kannst bei den Geboten stehen und kannst trotzdem von Gott weit weg sein“ (Hermann Hesse).