Pfarrer Rainer Maria Schießler: „Jesus setzt neue Akzente, ordnet die Werte neu“
In seiner Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Joh 6, 60-69) betont Pfarrer Rainer Maria Schießler, dass Jesus mit seinem Leben und Wirken aufzeigt, dass nicht das Gesetz rettet, sondern die Liebe.
Anbei der Impuls zu Joh 6, 60-69, den Pfarrer Schießler auf seiner Facebook-Seite unter der Überschrift „Wollt ihr (mit)gehen“ veröffentlicht hat:
Das unterscheidet Jesus von Religionsstiftern und Gurus, die mit Versprechungen, Druck und Drohungen ihre Anhänger zusammenhalten. Er stellt die nüchterne Frage: Wollt ihr gehen? Das Ergebnis: Nur wenige bleiben. Die meisten können seinen Anspruch nicht ertragen. Er hat das Reich Gottes gepredigt, wie es bereits unter den Menschen entstehen kann. Er hat weder sich selbst verkündigt, wie das große Lehrer gerne tun. Er hat auch keine Kirche angesagt. Jesus ist gekommen, um zu zeigen und mit seinem Leben zu bestätigen, dass ein neues, ein anderes Leben mitten in dieser Welt möglich ist. Er holt die Menschen nicht aus der Welt, aber er führt sie zu einer anderen Sicht der Dinge.
Jesus setzt neue Akzente, ordnet die Werte neu: die neue Ordnung, die Gott eingeführt hat, steht allen Menschen offen, nicht nur einem kleinen frommen Zirkel.
Gerade deswegen besteht die Nachfolge Jesu zuerst in der Umkehr vom bisherigen Weg. Umkehr bedeutet stets einen Abschied, einen Bruch. Jeder Bruch aber ist für den betroffenen Menschen wie eine Krise. Er muss sich entscheiden, so oder so. Anhänger entscheiden sich gegen Jesus, wollen nicht mehr mit ihm gehen, weil gerade religiös Interessierte und Suchende ihre Erwartungen auf das Gesetz setzen und ihr Tun darauf, wie es möglichst genau erfüllt werden könne. Jesus aber widerspricht ihnen:
Nicht das Gesetz rettet, sondern die Liebe. Der Wille Gottes zeigt sich nicht in toten Buchstaben, sondern in den Zeichen der Zeit.
Jesus hat die religiösen Gesetze seiner Zeit nicht abgeschafft. Er verkündigt die Freiheit vom Gesetz zum Guten hin.
Jesus ist gegen nichts, er ist für Liebe, Freiheit und Spontaneität.
Das bedeutet zwangsläufig, dass klare Worte gesprochen werden. Zum Beispiel: Alles, was nicht aus Liebe getan oder gelassen wird, ist Sünde.
So stellt die Predigt Jesu von der umfassenden Liebe Gottes jedes gesellschaftliche und kirchliche System in Frage, führt es in die Krise, denn die Liebe verlangt Gleichheit und sie fordert, dass jeder für jeden der Nächste ist.
Die Liebe hebt die Klassen auf, die Menschen trennen.
Für die Liebe gibt es kein Oben und kein Unten. Das verkündet Jesus in seiner Vollmacht, und genau das dürfte der Anspruch gewesen sein, dem so viele nicht mehr folgen wollten oder konnten.
Wer aber mit Jesus gehen und wer sich von Jesus trennen will, tut das in aller Freiheit.
Es ist nicht erstaunlich, dass Jesus das Wort Gehorsam kein einziges Mal in den Mund nimmt, obwohl es für die Kirche so ungeheuer wichtig scheint. Gehorsam ist für ihn nicht die Erfüllung von Befehlen und Gesetzen, sondern offene Augen für die Situation zu haben und Gott darauf zu antworten, der durch diese Gelegenheit zu uns spricht.
Das ist ungleich schwerer, als ein Gebot treu und brav zu erfüllen. Aber es ist die Freiheit, die Jesus Christus gebracht hat und in der sich der Mensch zu entscheiden hat.
Amen!