Pfarrer Schießler: Christlicher Moral geht es um Eigen-Verantwortung und nicht um Verbote
Das heutige Sonntagsevangelium (Lk 18,9-14) beinhaltet die berühmten Worten Jesu: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“. In seinen Gedanken dazu geht der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler mit der Überschrift „Das Kreuz mit der Moral“ darauf ein, was christliche Moral in einer immer komplexer werdenden Welt bedeutet und was das für einen Christen ausmacht.
Hier der Impuls zum heutigen Sonntagsevangelium, den Pfarrer Schießler auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:
Das Kreuz mit der Moral
Der Sünder geht am Ende aus dem Tempel gerechtfertigt nach Hause, der Gerechte nicht. So einfach sollte es halt funktionieren mit der Moral, ist es aber nicht. Es gibt keine simplen, stabilen Moralgesetze mehr wie vielleicht früher in einer wesentlich einfacheren Welt. Heute treffen wir auf ganz neue ethische Herausforderungen. Denken wir nur an die Pränataldiagnostik. Die Eltern, der Arzt, andere Beteiligte, alle sind da in einer nie da gewesenen Weise herausgefordert, wenn es gilt Entscheidungen zu treffen.
Moral bedeutet aber nicht, nur eindeutige Linien für das menschliche Verhalten festzunageln. Das macht das Strafgesetzbuch. Der christlichen Moral geht es um die Erziehung zur Verantwortung vor dem eigenen Gewissen.
Das ist weit wichtiger und viel schwerer, als Vorschriften zu machen. Schnelle, todsichere Lösungen sind zudem gefährlich. Unser Leben ist so vielgestaltig, dass es durchaus sein kann, dass die gleiche Entscheidung für den einen richtig, für den anderen aber falsch ist. Mögliche Problemlösungen anderer Menschen können und dürfen nicht unbesehen übernommen werden. Eine Lösung aber gibt es nur im Miteinander und sie muss am Ende die ganz persönliche Entscheidung des Betroffenen sein.
Christen sollen sich daher gegenseitig fit machen für ihre eigenverantwortlichen Entscheidungen, anstatt sich durch Gebote und Verbote zu gängeln.
Denn moralisch kann nur sein, was das Verhalten des Einzelnen menschlich gestaltet. Nur so tritt der Mensch auf die Seite Gottes, der das Glück aller Menschen will, oder – wie es Jesus ausgedrückt hat: Leben in Fülle.
Dieser ursprüngliche Wille Gottes – Glück, Frieden und Heil – ist zugleich auch der Maßstab, ob unsere Entscheidungen gut oder schlecht, falsch oder richtig sind. Doch selbst dann können wir uns noch täuschen.