Foto: privat (mit freundlicher Genehmigung von Pfarrer Rainer Maria Schießler)

Pfarrer Schießler: „Gott fordert unmissverständlich dazu auf, seine Freiheit zu leben“

In seinem Impuls zum Sonntag widmet sich der Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler der heutigen Sonntagslesung (Gen 12,1-4), in der beschrieben wird, wie Abraham, der Stammvater unseres Glaubens, einen Ruf zum Aufbruch hört, der mit großen Verheißungen verbunden ist, und er diesem Ruf gemeinsam mit seiner Familie folgt, der ihm hunderte Kilometer entfernt sein Ziel und seinem neuen Lebens-Ort finden lässt. Dabei zeigt Pfarrer Schießler die Aktualität der alttestamentlichen Geschichte auf und erklärt, was das für uns, unser Verständnis von Freiheit und für die Kirche bedeutet.

Hier der Sonntagsimpuls „Die Freiheit hat ihren Preis“, den Pfarrer Schießler auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat:

Ein gewaltiger Flüchtlingsstrom schwoll da an im Nahen Osten und im ganzen Zweistromland. Überall packten sie ihre Habseligkeiten und zogen los, um in ein besseres Leben zu gelangen. Die Bilder, die wir heute an den Außengrenzen Europas erleben, sind schon sehr alt, und stammen aus dem 19./18. Jahrhundert vor Christus. Und einer von ihnen war unser Stammvater Abraham, voller Sorge, ob er das mit seiner Familie wird schaffen können.

Gott aber zwingt ihn nicht, er ermutigt ihn!

Die biblische Geschichte von Abraham an diesem Sonntag macht es überdeutlich: Gott ist parteiisch, er steht auf der Seite des Abraham, des Wirtschaftsflüchtlings, des Ausländers, dessen, der aus Not in die Fremde zieht.

Er [Gott] fordert unmissverständlich dazu auf, seine Freiheit zu leben!

So wie es ein Jesus von Nazareth tut! Mit ihm verbinden sich christliche Hoffnung mit der menschlichen: Ja, es gibt eine Welt mit mehr Solidarität, Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit, wenn wir sie nur wollen und machen.

Die Hoffnung träumt immer von einer besseren Welt, die allerdings nicht vom Himmel fällt, sondern stets das gemeinsame Werk vieler Gleichgesinnter ist.

Exakt diese Hoffnung hat die Kirche mitzutragen. Dabei geht es nicht nur um materielle Herausforderungen, sondern auch um die spirituelle Suche der Menschen. Jesu Seligpreisungen lassen nach vorne schauen, das Böse und Schwere im Guten und Leichten aufgehen:

Achtsamkeit, Gewaltlosigkeit, Mitgefühl, Friedenswille verbünden sich mit Barmherzigkeit und der Bereitschaft, in diesem Engagement für den Menschen auch Nachteile zu erleiden.

Der Urgrund für diese christliche Hoffnung ist das neue Leben, das Jesus nach seinem Tod am Kreuz geschenkt wurde. Darin wurzelt diese neue Freiheit, in der jedem das Evangelium Jesu anvertraut ist. Jeglicher Zwang ist ihm fremd.

Diese Freiheit macht den religiösen und politischen Machthabern zu jeder Zeit Angst. Sie stört ihre selbst festgesetzten Ordnungen. Daher ist sie nicht nur kostbar, sie kostet auch etwas.

Christen können immer nur dann von einem Evangelium der Freiheit Zeugnis geben, wenn sie selbst frei sind.

Das Christentum und die Kirche werden nicht überleben, wenn sie jedoch Gefangene der Vergangenheit sind.