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Pater Dr. Peter Uzor: „Ein Neuanfang funktioniert nur mit Vergebung“

Seine Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mt 18,15-20) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor, der heute sein 20-jährigen Dienstjubiläum in der Pfarrgemeinde St. Otto Ebersdorf bei Coburg feiert, unter die Überschrift „Für eine Kultur der Zurechtweisung“ und beschreibt dabei, was liebende Fürsorge bedeutet, wenn es im Leben zu Konflikten und Schuld, Fehler und Versagen kommt.

Anbei die Worte der Predigt von Pater Peter Uzor zu M8 17,15-20:

Wie gehen wir mit Konflikten und Streit um? Bei Meinungs­verschiedenheiten zwischen Ehepartnern, in der Familie, zwi­schen Eltern und Kindern, zwischen den Generationen? Was geschieht, wenn Nachbarn und Arbeitskollegen einander nicht mehr riechen können? Noch nie gab es so viele Gerichtsverfah­ren wie heute.

Haben wir es vielleicht verlernt, Konflikte und Streit offen und konstruktiv miteinander auszutragen? Wege daraus zu finden, auch wenn es aussichtslos erscheint?!

„Wenn dein Bruder [oder deine Schwester] sündigt, dann geh zu … [ihnen] und weise … [sie] unter vier Augen zurecht.“ Das ist die Aufforderung zum persönlichen Gespräch auf Augen­höhe. Unter vier Augen muss sich keiner über den anderen erhe­ben. Da darf ich eingestehen, was falsch gelaufen ist. Da können wir in Ruhe miteinander überlegen, wie es zu einer Meinungs­verschiedenheit gekommen ist. Das klingt einfach und ist doch oft so kompliziert, miteinander statt übereinander zu sprechen.

In gleichsam konzentrischen Kreisen geht Jesus weiter, wenn das Gespräch unter vier Augen ohne Ergebnis bleibt. „Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei … mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde.“ Der Kreis derer wird größer, denen das Versagen des anderen am Herzen liegt. Wenn die Stimme eines Einzelnen nichts bewirkt, dann ist die Chance zu nutzen, die in der grö­ßeren Gemeinschaft liegt. „Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“ Das klingt hart. Dahinter steht aber die Erfahrung, dass es bei allem Anspruch, sich zu verständigen und zu versöhnen, eben doch den bleibenden Zwiespalt geben kann. Und wer sich dem Ge­spräch und der Mühe, hinzuhören und sich zu korrigieren, ent­zieht, hat keinen Platz mehr in der Gemeinschaft. Denn weni­ger durch falsche Lehren ist das Leben einer Gemeinde bedroht als durch fragwürdiges Handeln.

Liebe Schwestern und Brüder! Vermutlich ist es dem einen oder der anderen von Ihnen bei dem Gedanken der Zurechtweisung nicht sehr wohl zumute. Wir scheuen uns eher, einem anderen etwas Unangenehmes zu sagen, selbst jemandem, der uns nahe ist. Oft ist es die Angst, den Ehepartner, Freund oder Kollegen zu verletzen. Wir wollen uns nicht einmischen und praktizieren die Vorsicht. Und umgekehrt geht es ja auch mir nahe, wenn mich jemand auf mein Versagen anspricht.

Denn mit Floskeln wie „Das ist seine Sache“ oder „Man soll die Freiheit eines jeden res­pektieren“ ist keinem geholfen, am wenigsten demjenigen, der sich auf einem Weg befindet, der ihn in die Isolation treibt.

Natürlich ist die Freiheit eines jeden zu respektieren, doch manchmal kann die Freiheit auch in eine Sack­gasse führen. Deshalb sind wir als Christen verpflichtet, einzuschreiten, wenn wir merken, dass jemand auf dem falschen Weg ist.

Von daher scheint es mir angebracht, auf das Ziel der Zu­rechtweisung zu achten. „Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder [oder deine Schwester] zurückgewonnen.“ Nicht um ihnen eins auszuwischen, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen oder selbstgerecht mit dem Finger auf einen ande­ren zu zeigen. Vielmehr soll der andere sein eigenes Verhalten erkennen und – wenn nötig – aus eigener Einsicht korrigieren.

Den Maßstab dafür nennt der Apostel Paulus im Römerbrief: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.“

An der liebenden Sorge orientiert sich also, warum, wann und wie ich jemandem helfe, sein Versagen zu erkennen. Die Liebe ist dabei das umfassende Prinzip, das sich am Wohl des anderen orientiert.

Deshalb ist es notwendig, sich vor einem Kritikgespräch selbst ernsthaft zu prüfen und sich zu fragen: Warum will ich etwas ansprechen? Wäre es vielleicht eher ange­bracht, noch in Geduld zu warten? Tut es mir selbst gut, etwas aufzudecken? Oder bin ich es gar selbst, der sich verletzt fühlt und nun Richter sein will? Zu schnell spielen wir den Moralapostel und meinen, mit erhobenem Zeigefinger jemanden zurechtwei­sen zu müssen. Zu oft kränken wir einen Menschen, wenn wir ihm Fehler oder Sünden vorhalten, und nicht selten geht es uns bei der Kritik an anderen nicht um das Evangelium, sondern um eigene Interessen.

Oder geht es mir wirklich um den anderen?! Dann aber darf ich nicht ausweichen, wenn meine Haltung wirklich gefordert ist. Ein ehrliches Gespräch setzt meine Sorge um den anderen höher an als die Angst, missverstanden oder nicht mehr geliebt zu werden.

Denn Wohlwollen und Freundlichkeit verlangen im Letzten eine klare Sprache.

In einem solch fairen und geschwis­terlichen Gespräch erhebt sich aber der eine nicht über den an­deren, sondern beide lassen sich vom gemeinsamen Ringen leiten.

Fähig dazu aber werden wir nur, wenn es Schwestern und Brüder gibt, die auch mich in Liebe auf mein Versagen auf­merksam machen. Die so schützend den Mantel um mich legen, dass ich Fehler und Versagen eingestehen kann, ohne mich zu verteidigen.

Wer den eigenen Schmerz kennt, der lässt anderen den Raum zu Besinnung und Umkehr.

Und darum dürfen wir beten und bitten. Dabei fällt nun noch etwas auf, was wir bei allem gegenseitigen Ermahnen und Zurechtweisen nie vergessen dürfen: das gemeinsame Gebet für- und mitei­nander. „Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten“ (Mt 18,19). Veränderung bei und an anderen erreichen wir nicht allein durch Kritik und Ermahnung, sondern auch durch die innere Kraft des Gebetes. Denn im Heiligen Geist sind wir alle miteinander verbunden und er ist es, der den schuldig gewordenen Menschen am nachhaltigsten verändern kann, viel nachhaltiger und tiefer, als es alle gut­gemeinten Ratschläge können.

Und schließlich gehört zur Kunst der geschwisterlichen Ermahnung auch die Bereitschaft zur Vergebung.

Nicht nur derjenige, der etwas falsch gemacht hat, ist gefordert, sondern auch derjenige, der die Ermahnung gibt, denn er/sie muss ehrlich bereit sein, dem Bruder / der Schwester zu vergeben und die Angelegenheit, um die es ging, zu vergessen.

Ein Neuanfang, den jemand aus ehr­lichem Herzen machen möchte, funktioniert nur mit Vergebung.

Liebe Schwestern und Brüder! Konflikte und Schuld, Fehler und Versagen sind keine Erfahrungen, nach denen wir uns seh­nen. Aber sie gehören zu unserem Leben wie die Freude und das Lachen. Und deshalb brauchen wir eine Kultur der Lösung von Konflikten, auch so etwas wie eine Kultur der Zurecht­weisung als Ausdruck eines geschwisterlichen Umgangs mit­einander. Amen.

Anbei ein Song, der Worte der Predigt von Pater Peter nachklingen lässt: