Wolfgang Joop: „Ich glaube an diese Gewalt, die uns alle lenkt“

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Der Modedesigner Wolfgang Joop feierte am 18. November 2024 seinen 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass sprach er im Interview mit BILD über die Höhen und Tiefen seines Lebens. Dabei bezog er auch Stellung zu seinem Glauben.

Mit Rückblick auf sein bisheriges Leben erklärte Wolfgang Joop, dass er wenig aus seinem Leben berichten könnte, das er bereuen würde. Dabei betonte er:

„Ich bin dankbar für mein Leben und demütig.“

Joop ließ im weiteren Verlauf des Interviews wissen, dass er sich darüber freue, was er habe. Als Beispiele dafür nannte er seine „lebendige Kreativität“ und seine Enkelkinder.

Vieles in seinem Leben habe er „aus der Verunsicherung“ und „aus dem Schmerz“ erreicht. Als großen Schmerz in seinem Leben beschreibt Wolfgang Joop den Tag, als er 36 Jahre alt war und sich seine Ehefrau von ihm trennte und er im Zuge dessen seinen beiden Töchtern den gewohnten Gute-Nacht-Kuss nicht mehr geben habe können.

Weiter äußerte er sich froh über seine kindliche Prägung. So sei er „zum Glück zu sehr Preuße und Junge vom Bauernhof gewesen, um wirklich durchzudrehen“, so Joop. Mit seinem 80. Geburtstag verbindet er das Gefühl, endlich erwachsen zu werden, was er „lange verdrängt“ habe. Dies erkenne er daran, dass er „niedere Gefühle wie Eifersucht“ nicht mehr habe, ihm das Teilen wichtig ist und er sich „heute eher vergeben“ sowie eigene Fehler erkennen könne, schilderte Joop.

Im weiteren Verlauf des Interviews betonte er:

„Ich erkenne heute immer mehr, dass alles okay ist, wie es ist.“

Die Gesundheit, Sicherheit und das Glücksempfinden seiner Familie bedeuten ihm heute viel mehr als sich selbst zu amüsieren, ließ Wolfgang Joop weiter wissen.

Danach gefragt, was er von der ihm bevorstehenden Dekade erwarte, sagte der weltweit erfolgreiche Modedesigner augenzwinkernd, dass er diese am besten „wie eine lange Reise“ planen sollte, von der er „einfach nicht zurückkomme“. In diesem Kontext verriet er, dass er in der Nacht vor dem Interview den Gedanken gehabt habe, dass ihn nach seinem Tod „das Nichts“ erwarten würde, welches „weder dunkel noch hell“ sei. Diesbezüglich bekräftigte der 80-Jährige:

„Der Tod ist für mich der Eintritt ins Nichts. (…) Für mich ist der Tod weder hell noch dunkel – er ist einfach das Nichts.“

Das Wissen um die Endlichkeit des Lebens mache ihn aber weder traurig noch wütend, erklärte Joop auf Nachfrage.

Umso erstaunlicher ist, dass er die anschließende Frage, ob er gläubig sei, wie folgt beantwortete:

„Ja, natürlich, denn ich weiß ja nichts. Deshalb kann ich nur glauben.“

Hinter allem, das wir erkennen können, müsse es „eine Regie“ geben, zeigte sich Joop gewiss. Weiter erklärte er:

„Ich glaube an diese Gewalt, die uns alle lenkt. Denn es ist leichter zu glauben oder wenigstens zu fragen, als es nicht zu tun.“

Zu seinem 80. Geburtstag wünsche er sich keine Geschenke, sondern dass sich in seiner Patchwork-Familie „alle gut verstehen“. Dies sei immer sein „Ur-Wunsch“ gewesen, hob der Modedesigner abschließend hervor.

 

Im Dezember 2016 sprach Wolfgang Joop im Interview mit der Tageszeitung Die Welt ausführlich über sein Verhältnis zu Glaube und Religion. Dabei gab er zu erkennen, dass er an Gott glaubt, aber den Dogmen innerhalb der Religion kritisch gegenübersteht. Der Gründer der Mode- und Kosmetikfirmen JOOP!, Wunderkind und LOOKS by Wolfgang Joop schilderte, dass er mit einem Bild von Gott, der uns in Angst hält, nichts anfangen kann und er vielmehr sehe, dass unsere menschliche Fantasie für die Erfassung des Göttlichen „sehr begrenzt“ sei. Das Göttliche beschreibt Joop als „unglaubliche Kraft, die dieses einmalige Stück Wunder im Universum geschaffen hat.“ Zur Begründung seines Glaubens erklärte Joop:

„Aus dem Nichts kommt eben nichts, und das heißt umgekehrt, dass es logischerweise da weiter draußen etwas gibt.“

Das Staunen über die Größe, Struktur und Schönheit der Natur verbindet der Modedesigner mit Gott und der Frage nach Sinn, was er an anderer Stelle im Welt-Interview wie folgt darlegte:

„Vielmehr erfasst mich, wenn ich nach oben schaue, Dankbarkeit für diese Balance. Dieses Bewahrtsein. Diese göttliche Kraft, die wir nicht fassen können, die aber uns, die Sterne, das Universum hält. Betrachte ich das, fühle ich, worum wir uns alle bemühen sollten: die Balance zu halten.“

Inspiration in seiner Auseinandersetzung mit der Frage nach Gott findet Wolfgang Joop bei der französischen Philosophin und Mystikerin Simone Weil (1909-1943), die sich im Lauf ihres Lebens dem Katholizismus annäherte. Deren Erklärungen für das Unerklärliche finde er „sehr klug“. So wie die Sehnsucht nach Liebe im Menschen stets da sei, glaube er, „dass meine Seele das Göttliche spürt“, schilderte Joop. Das Göttliche beschreibt er dabei mit Begriffen wie „das Bewahrende, das Behütende, auch das Rettende“. Die Aussage Weils, dass das größte Geschenk Gottes für die Menschen die leere Stelle in unserer Seele sei, empfindet Joop als „etwas Wunderbares“. Die Menschen hätten die Freiheit diese Leerstelle „mit der Liebe zu anderen Menschen, mit Religion, mit Kunst, mit Wissenschaft oder mit Neugier“ zu füllen und seien dazu durch die spürbare Leere angetrieben.

Dass Simone Weil einen Zugang zum Katholizismus hatte, erklärt sich der Modedesigner damit, dass im katholischen Glauben der Gedanke verankert ist, „die Sünden dauernd abzulegen“, während Protestanten „diese Instanz“ nicht hätten und der Protestantismus überhaupt „mehr intellektuell als herzlich“ sei. Dabei schließt sich Wolfgang Joop explizit in die Gemeinschaft der Protestanten ein und erklärt weiter:

„Dass wir uns immer selbst vergeben müssen, ist gar nicht so einfach. Es ist immer leichter, jemanden anderem zu vergeben.“

Anders als Karl Marx sieht Wolfgang Joop Religion nicht als Opium fürs Volk. Während Opium eine still machende Droge sei, sei Religion „nicht nur beruhigend“, sondern gebe „Stabilität, wenn alles zusammen bricht“. Dazu betonte der kreative Designer:

„Das Christentum basierend auf der Leidensgeschichte Christi hält uns den Spiegel vor, wie das Leben ist. Dass Leid dazu gehört, die Nächstenliebe, diese Dinge verrotten nicht. Was Jesus gesagt hat sind sind Wahrheiten, Ratschläge für das Zusammenleben. Und daran haben wir uns immer klammern können.“

So sei Religion geradezu „das Gegenteil von Rausch“, fügte Joop an. Als kritisch beschreibt er dagegen „Übertreibung in der Ausübung der Religion“ sowie eine auf Dogmen basierenden Glauben, der „etwas Autoritäres“ habe und dessen Auftreten man heutzutage „generell“ nicht mehr ertrage. Religion sei „etwas anderes und der Glaube wiederum auch“, zeigte sich Joop überzeugt.

Die Kirche beschreibt er als Zufluchtsort und sieht in einem utopischen Selbstbestimmtheitsglauben eine Ursache für leere Kirchen, was er wie folgt zum Ausdruck brachte:

„Wenn uns alles selbstbestimmt erscheint, was es gar nicht ist, dann glaubt man allein zu recht zu kommen, aber sobald es Not gibt und Todesangst, wer flieht da nicht zur Kirche?“

Als eindringliches Ereignis schilderte Joop 2016 im Welt-Interview einen im Jahr 2003 gemeinsam mit seinen Eltern besuchten Weihnachtsgottesdienst in der Kirche, „in der ich getauft wurde und viele Weihnachten und als Kind viele Krippenspiele mitgemacht habe“. Als er seine Eltern, die er in seiner Kindheit als „eher atheistisch“ bzw. agnostisch wahrnahm, demütig in der Kirchenbank sitzen sah, habe ihn „ein unglaubliches Mitgefühl“ erfasst. Zu diesem Erlebnis berichtete er weiter:

„Sie hatten die Köpfe nicht hängen lassen, sondern über das Gesangbuch gebeugt, und es war, als suchten sie Frieden, den es früher aber nicht gab, weil ihr Leben von Krieg und Trennung geprägt war.“

Er habe bei diesem Anblick „Rührung und auch Zärtlichkeit“ verspürt, fügte Joop an.

Darauf angesprochen, dass an Heiligabend 2015 in der Kirche in Wenningstedt auf Sylt fünf „übervolle“ Gottesdienste stattgefunden hätten, weshalb im Jahr 2016 sechs Gottesdienste geplant waren, begründete der Modedesigner, dass es einer Meinung nach „einen ganz tiefen Wunsch nach Absolution am Ende des Jahres“ gebe.

 

Im Dezember 2018 gab Wolfgang Joop der Märkischen Allgemeinen im Vorfeld des Weihnachtsfests ein Statement zu seinem Glauben. Im Zuge dessen brachte er u.a. seine Skepsis gegen kirchliche Dogmen zum Ausdruck und schilderte, dass er den Zufall auch als „von höherer Seite gesteuert“ empfinde. Zum bevorstehenden Weihnachtsfest berichtete er, dass er in diesem Jahr 2018 in seinem Geburtsort Potsdam Weihnachten verbringe. Weiter sagte er:

„Zum ersten Mal ist es ein Fest mit meiner Familie dort, wo ich als Kind selbst eine Heimat hatte. Und für meine Enkelkinder, die religiös erzogen werden, werde ich auch in die Kirche gehen. Allem Glauben zum Trotz.“

Quellen: bild.de, welt.de, maz-online.de