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Pater Peter Uzor: „Gott und sein Reich sind im Kleinen zu finden“

Seine Auslegung zum heutigen Sonntagsevangelium (Mk 4,26-34) stellt unser geistlicher Begleiter Pater Dr. Peter Uzor unter die Überschrift „Das Reich Gottes – klein und verborgen wie ein Samenkorn“. Dabei beschreibt er, wie wir mit „leidenschaftlicher Geduld“ auf die Kraft Gottes vertrauen dürfen.

 

Anbei die Worte seiner Predigt:

 

Unser Denken und Handeln ist weitgehend davon bestimmt, dass wir alles selber in die Hand nehmen, alles selber in den Griff bekommen wollen. Wir sind oft ganz gerne „Leistungsmenschen“ in einer Leistungsgesellschaft. Wir sehnen uns danach, etwas Großes zu schaffen, etwas was wir vorzeigen können, was dauerhaft der Nachwelt überlassen werden kann.

Das, was Jesus im Evangelium sagt, kommt unserem Leistungsdenken nicht gerade entgegen. Gott und sein Reich sind im Kleinen zu finden.

So lenkt Jesus unseren Blick auf das Wachsen in der Natur. Er vergleicht den Anfang des Reiches Gottes mit dem Aussäen eines kleinen Korns. Vom Sämann wird es voller Hoffnung und voller Erwartung in die Erde ausgestreut. Der Same liegt im Boden und er wächst. Bei Tag und Nacht, ob der Sämann daran denkt oder nicht, die Saat wächst. „Automatisch“, so heißt es im griechischen Text, „aus eigenem Antrieb“. „Von selbst“, wie es die Einheitsübersetzung formuliert, bringt die Erde Frucht, „zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre.“ Und Jesus fügt noch hinzu: „Und der Mann weiß nicht wie.“ Der Mensch kann hier gar nichts tun. Er kann das Wunder des Wachsens nicht begreifen und beeinflussen. Er weiß nur, dass da die Schöpfermacht Gottes am Werk ist, die dann am Ende die Ernte schenkt.

Während das Korn in der Erde liegt, kann der Sämann nicht mehr viel tun. Er kann nur behutsam gießen, schauen, warten und vertrauen.

Es gibt Dinge im Leben, die kann man selber nicht machen. Die muss man sich geben, sich schenken lassen und man muss sie geschehen lassen. So ist es auch mit dem Reich Gottes.

Eltern können ihren Kindern den Samen des Glaubens ins Herz legen. Sie können sein Wachstum fördern, aber den Glauben ihrer Kinder können sie selbst nicht „machen“.

Es sind nicht die großen Leistungen, sondern die vielen kleinen Schritte, die die Welt zum Guten hin, zum Reich Gottes, verändern.

Dort, wo ein Mensch durch ein Lächeln einen anderen aufmuntert, wo eine zu einer anderen hält, die in Schwierigkeiten steckt, wo jemand ein versöhnendes oder tröstendes Wort spricht.

Veränderung beginnt nie laut und groß, sondern ganz im Kleinen.

Man muss nur darauf vertrauen“, so erklärt es Kardinal Carlo M. Martini einmal, „dass das ausgesäte Wort sich von selbst entwickelt. Werft es also mutig aus, ohne Zögern und ohne euch einzureden, der Boden tauge nichts und man müsse günstigere Verhältnisse abwarten. Es wäre falsch zu glauben, das Wort hänge von einem selbst ab. Es muss nur ausgesät werden, danach kann man in Ruhe abwarten.“

Gott bleibt der Geber von Gnade und Glauben.

Er schenkt das Wachsen und lässt die Frucht seines Wirkens reifen. Gott selbst führt sein Reich herbei. Und da muss ich noch ergänzen, was für mich vor allem angesichts der heutigen Zeit und der pastoralen Anstrengungen und Überlegungen sehr wichtig ist: „Die Antwort des Menschen auf dieses Wissen von Gott kann nur eine tiefe, auf Gott vertrauende Gelassenheit sein.“

Das Reich Gottes gehört zu den Dingen im Leben und im Glauben, denen man sich nur annähern kann, behutsam und immer wieder.

Auch Jesus selber ist es anscheinend so ergangen: Immer wieder hat er mit den Pharisäern, oft auch mit mangelndem Erfolg, argumentiert und debattiert. Und er hat immer wieder, unermüdlich, von verschiedenen Seiten her versucht, von diesem Reich Gottes zu erzählen und die Menschen dazu anzustiften. Die Apostel Jesu mussten aber auch erfahren, dass ihre Schar klein bleibt und nicht wächst, dass viele Menschen Jesus nicht ernst nehmen. Mit dem Gleichnis vom Senfkorn, dem kleinsten aller Samenkörner, beantwortet Jesus ihre unausgesprochenen Fragen. Das Reich Gottes fängt ganz klein an, sagt er. „Verlangt nicht wer weiß wie große Erfolge; gebt den Dingen Zeit, sich allmählich zu entwickeln, dann werden kleinste Samenkörner und unsichtbare Anfänge zum großen Erfolg führen, zum Reich Gottes“ (Carlo. M. Martini).

Es kann sein, dass wir uns fragen: Können wir denn überhaupt nichts tun für das Reich Gottes? Sollen wir einfach die Hände in den Schoß legen und abwarten? Wir können durchaus etwas tun.

Jesus fordert uns nicht zur Faulheit und zum Nichtstun auf.

Der Mann, von dem in der Geschichte die Rede ist, bereitet den Boden und sät, aber dann geht es ohne ihn weiter. Es ist auch eine Tat des Glaubens, warten zu lernen – mit „leidenschaftlicher Geduld“, wie es Frère Roger Schütz einmal genannt hat, weil es ein anderer ist, der das Reich Gottes, das jetzt immer wieder schon einmal aufblitzt, einmal vollenden wird.

Jesus ermutigt uns zu mehr Geduld und Gelassenheit.

Wir müssen nicht alles aus eigener Kraft und alleine tun, nicht ängstlich um den Erfolg bemüht sein, sondern dürfen – wie der Sämann – gelassen auf das Aufgehen der Saat hoffen.

Mit „leidenschaftlicher Geduld“ dürfen wir auf die Kraft Gottes vertrauen, der unsere kleinen Schritte zum Erfolg führt.

Ich bin überzeugt, dass die beiden Gleichnisse ein wichtiger Impuls für die gegenwärtigen pastoralen und seelsorglichen Aufgaben sein können. Wie intensiv befassen wir uns doch mit der Situation der Zeit und analysieren immer neu die Gründe, warum Menschen sich von der Kirche und der Botschaft Jesu zunehmend abwenden. Wir bemühen uns, Konzepte und Strategien zu entwickeln und fragen uns, ob sie zielgerichtet und erfolgsversprechend sind und ob wir mit ihnen unsere Ziele erreichen können. Wir stellen Kriterien auf, um zu überprüfen, ob unsere Vorhaben gelungen und effektiv und effizient sind. Wir versprechen uns natürlich viel Erfolg von unserer vielen Bemühungen.

Die Gleichnisse vom Wachsen der Saat und vom Senfkorn machen uns deutlich, wie wichtig es ist, den Samen zu säen und Senfkörner in die Erde zu säen.

Im übertragenen Sinne heißt das, die Botschaft Jesu von Reich Gottes in Wort und Tat zu leben und zu bezeugen. Das, was daraus wächst, die Frucht, die heranreift, liegt nicht in unserer Hand und kann letztlich auch nicht strategisch geplant und erreicht werden. Wenn es uns aber gelingt, diese gelassene Haltung nicht als orientierungsloses seelsorgliche Handeln zu verstehen, dann kann uns die Botschaft der beiden Gleichnisse enorm befreien und bestärken.

Kommen wir zurück auf die Notiz vom Anfang des Evangeliums, dass Jesus seinen Jüngern alles erklärte, „wenn er mit ihnen allein war.“ (Mk 4,34) Er tut das ja aus dem einen Grund, dass die Jünger genussvoll einem spannenden Gleichnis zuhören, ohne zu wissen oder zu ahnen, dass es eigentlich um sie geht. Dadurch werden sie, die damaligen Mitarbeiter Jesu, und auch wir heute auf das aufmerksam gemacht, was Jesus mit den beiden Gleichnissen sagen will: „Der Mensch kann hier gar nichts tun. Er kann das Wunder des Wachsens nicht begreifen und beeinflussen. Er weiß nur, dass da die Schöpfermacht Gottes am Werk ist, die dann am Ende die Ernte schenkt.“

Hinter dieser Aussage lässt sich jedoch auch etwas anderes ahnen: ein Aufruf zu radikaler Akzeptanz und Loslassen.

Uns Menschen gehört das Reich Gottes nicht. Wir können Gott nicht beherrschen. Und das ist gut so.

Entgegen der Meinung vieler selbsternannter Propheten – Frauen wie Männer – haben wir weder Kontrolle über die Präsenz Gottes noch über das Heil der Welt. „Wir sind Diener, keine Erlöser“, meint Oscar Romero. Wir machen Gottes Reich nicht. Wir haben keine andere Wahl. Wir könnten es akzeptieren, wenn wir wollen. So ist das.

Das kann befreiend sein und ermöglicht hoffentlich ein leichteres Loslassen von religiöser Kontrolle über den Glauben der Menschen und die Entwicklung von Kirche. „Das Reich Gottes ist nicht nur jenseits unserer Bemühungen. Es ist auch jenseits unseres Sehvermögens. Wir vollbringen in unserer Lebenszeit lediglich einen winzigen Bruchteil jenes großartigen Unternehmens, das Gottes Werk ist“ (Oscar Romero). Wir machen Gottes Königsherrschaft nicht. Wir könnten dies akzeptieren.

Amen.

Anbei ein schönes Kirchenlied, das die Worte von Pater Peter nachklingen lässt: