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Astrophysiker Gerhard Börner: „Ich möchte die Welt nicht nur physikalisch verstehen“

Der Astrophysiker Gerhard Börner, der viele Jahre am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik arbeitete und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München lehrte, sprach in der Adventsserie des Oberbayerischen Volksblatts über die Vereinbarkeit von naturwissenschaftlicher Erkenntnis und den Glauben an Gott.

Bereits im Juni 2018 erklärte Gerhard Börner im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit die Trennlinie zwischen Physik und Meta-Physik. In der Adventsserie des Oberbayerischen Volksblatts schilderte er dementsprechend, dass das Betreiben von Naturwissenschaft seinem Glauben „überhaupt nicht“ im Wege stehe, sondern neue wissenschaftliche Erkenntnisse vielmehr zu einer „Verstärkung“ seines Glaubens führen können. Dazu erklärte der 81-jährige Astrophysiker:

„Ich hab das Bedürfnis, möglichst viel rational zu erklären – auch das, was ich glaube. Ich möchte das mit meinem Verstand erfassen.“

In diesem Prozess unterstütze die Wissenschaft seinen Glauben, weil neue Erkenntnisse über den Kosmos sein „Staunen über die Welt“ größer werden ließen. Weiter betont Börner:

„Man sollte Glauben und Wissenschaft nicht vermischen. Es gibt kein Problem damit, Wissenschaftler zu sein, und etwas zu glauben.“

So gibt es nach Börners Ansicht zwischen der biblischen Schöpfungsgeschichte und wissenschaftlicher Erkenntnis zum Ursprung des Universums keinen Widerspruch, wenn man das in der Bibel Dargelegte nicht wörtlich im Sinne von physikalischen Zeitangaben begreift. Als „interessant“ bezeichnet Gerhard Börner auch aus wissenschaftlicher Perspektive, dass in der Bibel ein Anfangszustand beschrieben wird, „der relativ ungeordnet war“. So gingen auch Astronomen davon aus, „dass die Erschaffung der Welt und des Lebens ein Entwicklungsprozess ist“.

Dass es in seinem Leben auch eine andere Wahrnehmungsebene gibt als die rein naturwissenschaftliche betont Börner, wenn er sagt:

„Ich möchte die Welt nicht nur physikalisch verstehen.“

So gebe es neben Sternen und Galaxien eben auch Menschen mit einem Bewusstsein, das man auch Seele nennen könne.

Zu seinem Glauben erklärte der Physiker:

„Ich glaube, dass das Weltgeschehen nicht sinnlos abläuft, sondern dass ein Plan dahintersteckt, den wir nicht durchschauen.“

Auch wenn er selbst evangelisch sei, „manchmal in die Kirche“ gehe und „viel über Glaubensfragen“ nachdenke, spiele Religion eine eher untergeordnete Rolle in seinem Leben. Seine Vorstellung von Gott beschreibt er im Glauben an „ein kosmologisches Prinzip“, was er aber auch als „persönliche“ Glaubensvorstellung begreift, die auf einer anderen Ebene gelagert ist als wissenschaftliche Erkenntnis.

Zur Bedeutung des christlichen Glaubens in seinem Leben ließ Gerhard Börner durchblicken:

„Ich gehe an Weihnachten in die Kirche, weil es mich freut, dass die Geburt Jesu gefeiert wird. Der hat uns gelehrt, dass jeder Mensch, unabhängig vom gesellschaftlichen Status, wertvoll ist und dass wir uns gegenseitig schätzen und lieben sollten.“

Infolgedessen sorge sich die Kirche um bedürftige Menschen und sehe „in jedem das Gegenüber Gottes“. Diese gesellschaftsrelevante Tatsache empfindet der 81-Jährige als „wunderbar, ganz egal, woran man sonst glaubt“.

 

Im Mai 2016 gab Gerhard Börner in der Süddeutschen Zeitung ein Glaubensbekenntnis ab. Dabei erklärte er aus der Tradition physikalischer Erkenntnis heraus, warum die allgegenwärtige Annahme, dass der Glaube an Gott und Wissenschaft unvereinbar sei, sehr gewagt ist. Darüber hinaus betonte er:

„Selbst die moderne Kosmologie könnte man vereinen mit dem Glauben an eine göttliche Schöpfung.“

Wenn Kosmologen davon ausgehen, „dass nicht immer alles da war und sich das Universum und die Welt erst entwickelt hat“, könne man sogar „auch in der Kosmologie von Schöpfung sprechen“.

Bezüglich der Dimension Glauben, die mitunter entsteht, wenn Menschen nach dem Woher der kosmischen Strukturen fragen, betont er die Hoffnung und den Trost, die in dieser Sicht von Welt zu finden sind. Dazu erklärte Börner:

„Die Welt, dieses ganze Schauspiel, ist nicht bloß reiner Zufall und irgendwann einfach vorbei. Es steckt wohl mehr dahinter, und ich denke, dass es viele Menschen, auch Naturwissenschaftler, so empfinden.“

 

Bereits im August 2011 äußerte sich Gerhard Börner gegenüber der Badischen Zeitung in der Reihe „Gott und der Kosmos – Was glauben Forscher, die glauben?“ über die Erkenntnisbereiche von Naturwissenschaft und Theologie. Während prominente Vertreter der Biologie und Chemie dazu neigen würden, aufgrund der Tatsache, dass alles nach bestimmten Regeln ablaufe, die Religion in Frage zu stellen, seien Astrophysiker und Physiker „ein ganzes Stück vorsichtiger“ bei solch einem Rückschluss. Die Anfang des 20. Jahrhunderts gemachten Entdeckungen wie die Quantenmechanik und die Kosmologie hätten dazu geführt, dass die Naturwissenschaftler in diesem Bereich „eine etwas bescheidenere Haltung eingenommen“ hätten, weil man dadurch erkannte, „dass es viele Dinge gibt, die schwer zu erfassen sind “ und sogar entgegen „dem gesunden Menschenverstand“ ablaufen. Weiter erklärte Börner:

„Es gibt viele Fragen, die in der Wissenschaft nicht beantwortet werden, zum Beispiel nach dem Sinn des Ganzen oder der Bedeutung der Entstehung von Leben.“

Wer behaupte, dass das Stellen solcher Fragen sinnlos sei, klammere so einen Bereich einfach aus, der für uns persönlich „aber wichtig“ ist, schlussfolgerte der Astrophysiker.

Aussagen von Wissenschaftlern, die darlegen wollen, dass es für die Entstehung des Universums keinen Gott braucht, empfindet Gerhard Börner als verwirrend und nicht wissenschaftlich. Dazu betonte er:

„Ich denke, es ist ein Missverständnis, physikalische Formeln und religiöse Aussagen zu vermischen.“

An Gott zu glauben, stehe „keineswegs im Gegensatz zur Physik“. Börner brachte in diesem Kontext zum Ausdruck, dass die Entscheidung, an Gott zu glauben, genauso wie die Entscheidung, nicht an Gott zu glauben, eine Glaubenssache ist.

Dabei gab Börner zu bedenken, dass bei der Annahme eines „strikten Physikalismus“ der Mensch „nur so ein Gebilde aus Atomen“ sei, sich aber die Frage stelle, „wo ich dann bin in diesem Bild“. Dazu erklärte er:

„Ich habe die Überzeugung, dass ich selber irgendwas bin, dass ich ein Bewusstsein habe und damit selber Dinge steuere. Ich sehe das nicht als Täuschung.“

Dies sei aber eine Überzeugung, die man nicht mit physikalischer Erkenntnis gewinnen kann.

Gerhard Börner glaubt persönlich, dass das Universum und die Welt von einem Schöpfer geschaffen wurde. Zu seinem Gottesbild erklärte der Astrophysiker:

„Er [Gott] hat sie [die Naturgesetze] gesetzt, und er hat alle diese Möglichkeiten, die sich da verwirklichen können, geschaffen.“

Dass diese Annahme vernunftbegründet ist, zeigt Börner etwa durch die Erkenntnis, „dass unsere Kategorien, also Raum und Zeit, in der physikalischen Welt auch veränderbar sind, zum Beispiel im Urknall, wo Zeit und Raum entstehen, oder in Schwarzen Löchern, wo die Zeit wieder verschwindet“. Dadurch habe man „tatsächlich eine Ahnung davon, dass es etwas geben könnte, das über Raum und Zeit hinausgeht“.

Börner ist überzeugt, „dass dieser ganze Kosmos nicht sinnlos einfach so existiert, sondern schon einen Sinn hat“. Unsere Existenz sei einerseits an Raum und Zeit gebunden, habe andererseits aber auch einen Aspekt, „der darüber hinausreicht“. Zu letzterem Aspekt beziehe er als evangelischer Christ „konkretere Vorstellungen“ aus der Bibel. Dabei gefällt ihm insbesondere, „die Betonung des einzelnen Menschen als wichtig, als Gegenüber Gottes“. So habe jeder Mensch eine Bedeutung, „die nicht davon abhängt, ob er tolle Sachen gemacht hat“. Unabhängig von materieller Ausstattung oder Gesundheitszustand sei jeder Mensch wichtig.

Religiosität sei letztlich eine Frage der Empfänglichkeit und der Erfahrbarkeit, aber auch der Vernunft. Gerhard Börner fühlt sich dabei über die Vernunft angesprochen, was er wie folgt darlegte:

„Ich selbst würde eher an die Vernunft appellieren: Kann man wirklich akzeptieren, dass es keinerlei Sinn, keinerlei Plan hinter dem Ganzen gibt?“

Ausgehend von dieser Frage erkennt er Gott als „Urgrund allen Seins, der die zentrale Ordnung der Welt schafft und erhält, ebenso wie das innerste Selbst eines jeden Menschen“.

Neben der Existenz Gottes ist sich der Astrophysiker auch eines ewigen Lebens gewiss. Dazu erklärte er gegenüber der Badischen Zeitung damals abschließend:

„Im Tod endet unser Leben in Raum und Zeit, aber ich glaube, dass unser innerstes Wesen über die raumzeitliche Wirklichkeit hinausreicht. Der Tod ist die Schwelle, über die wir in eine andere Form der Existenz gelangen.“

Quellen: ovb-heimatzeitungen.dezeit.de, sueddeutsche.de, badische-zeitung.de, bz-ticket.de