Dirigent Herbert Blomstedt: „Für mich ist Gott die einzige Erklärung für unsere Existenz“

Der schwedische Dirigent Herbert Blomstedt ist mit 94 Jahren der dienstälteste Dirigent der Welt. Im Interview mit dem Münchner Merkur sprach er am Ende des kürzlich vergangenen Jahres über sein Münchner Gastspiel vor wenigen Wochen. Dabei beschrieb er sich als „unverbesserlicher Optimist“ und verwies auf seinen ihm Orientierung gebenden Glauben.

Danach gefragt, ob er in Zeiten der Pandemie nicht Angst habe zu dirigieren, schilderte Herbert Blomstedt, dass er „wirklich Angst“ nicht gehabt habe. Auch wenn die zwei Jahre der Pandemie für ihn „zu den schlimmsten, die ich erlebt habe“ gehörten, sei er jedoch ein „unverbesserlicher Optimist“, dem klar sei, das alles irgendwann vorübergehe. Mit Blick auf den Sturm in Beethovens „Pastorale“ erkennt Blomstedt, dass man „den Sinn des Sturms“ erst verstehe, „wenn er vorüber ist“, worauf der letzte Satz hindeute, der da lautet: „Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm“.

Im Merkur-Interview erklärte der renommierte Dirigent, dass ihm die Musik und die Religion Halt im Leben geben. Zu seinem ihm Orientierung gebenden Glauben berichtete Blomstedt, dass sein Vater Pastor war und in seinem Wirken „vielem gegenüber offen war“, was sich auf ihn ausgewirkt habe. So interessiere er sich neben der Musik, auch für Literatur, Mathematik, die Natur und die Suche nach Gott.

Seine lange Karriere sieht der 94-Jährige als Geschenk, womit man nicht rechnen, sondern sich nur darüber freuen könne. So wird er seinen 95. Geburtstag am 11. Juli mit einem „besonderen Dankgottesdienst in der Thomaskirche“ in Leipzig begehen.

 

Über die Kraft der Musik und seinen Glauben sprach Herbert Blomstedt ausführlicher anlässlich des Beethovenfests 2021 im Interview mit der Deutschen Welle (dw.com). Dabei erklärte er, dass ihm die Liebe zur klassischen Musik „sehr viel Kraft“ gebe, „weil sie den Intellekt und die Emotionen gleichfalls stimuliert“ sowie einen zu sich selbst finden lasse.

In der Corona-Pandemie sieht Blomstedt auch eine Chance, nämlich, dass diese weltweite Krise das Bedürfnis nach seelischen Inhalten weckt. Die Musik habe in dieser Zeit „eine ganz besondere Bedeutung“, die in der Sehnsucht der Menschen nach Konzerterlebnissen ihren Ausdruck finde. Dabei sieht er wie der Komponist Robert Schumann die Aufgabe des Musikers darin, „Licht zu senden in die Tiefe der menschlichen Seele“. Musik sieht Blomstedt als Licht in der Dunkelheit. Dazu erklärt er:

„Wir haben ja alle, jeder von uns, eine Dunkelkammer in unserer Seele. Krankheit oder Enttäuschung im Leben – das haben wir alle. Und man braucht Licht in dieser Dunkelheit.“

Klassische Werke haben seiner Ansicht nach die Kraft, Licht in die Tiefe der Seele zu senden. Eine Voraussetzung dafür sei aber, zur Ruhe zu kommen.

Als weitere sinnstiftende Konstante in seinem Leben beschreibt Herbert Blomstedt auch im DW-Interview seinen Glauben an Gott, mit dem er von Kindesbeinen an groß wurde. Danach gefragt, ob seine ‚unglaubliche Kreativität in so hohem Alter‘ etwas mit seinen Überzeugungen zu tun habe, erklärt der Musiker, dass jeder Mensch „eine besondere DNA“ habe, was er wie folgt erläuterte:

„Wir sind die Summe unserer Herkunft, unserer Erfahrungen im Leben von Kindheit an.“

Dass er in einer „sehr gläubigen Familie“ aufwuchs, in der er lernte zu beten und grundlegende Orientierung anhand biblischer Texten vermittelt bekam, sieht er als großes Glück. Zu seinem Aufwachsen im Umfeld von Glauben und Kirche betont Blomstedt:

„Ich bin in dieser Atmosphäre aufgewachsen und das begleitet mich bis heute.“

Sein Bild von Gott habe sich im Prozess des Erwachsenwerdens weiterentwickelt und sei heute ein anders als zu Kindheitstagen, wo er sich Gott „als eine Art Weihnachtsmann, der artige Kinder belohnt“, vorgestellt habe. Zu seinem Gottesbild erklärte der Dirigent:

„Für mich ist Gott vor allem Schöpfer und die einzige Erklärung für unsere Existenz.“

Gott sei für ihn heute „etwas Absolutes“, so Blomstedt weiter.

 

Im Interview mit dem Theater- und Konzertverein Erlangen sprach Herbert Blomstedt im Juni 2018 auch über das Absolute, das „außerhalb von uns liegt“ und das Musik und Religion verbindet. Zwar könne die Musik die Religion nicht ersetzen, den Musiker und den religiösen Menschen verbinde jedoch die Wahrnehmung von etwas Absolutem, „was außerhalb von uns liegt“. Dazu erklärte Blomstedt:

„Der religiöse Mensch erkennt, dass es ein Wesen außerhalb unserer Welt gibt, das das Absolute und Ideale symbolisiert. Manche nennen das Gott, andere glauben an ‚etwas‘; es gibt sogar den ‚Etwasismus‘ (lacht).“

Hinsichtlich dessen zieht der Dirigent den Rückschluss:

„Wir Menschen brauchen etwas, an das wir glauben können. Es muss etwas Absolutes geben, was unantastbar ist. Das suchen wir.“

Quellen: merkur.de, dw.com, gve.de

Der deutsche Dirigent und Universitätsmusikdirektor der Universität Tübingen Philipp Amelung sieht ähnlich wie Herbert Blomstedt eine Verbindung zwischen Musik und Religion, wie er im Interview mit uns erklärte:

 

 

Das komplette Interview gibt’s HIER