Heino Falcke: Die Physik kann Frage nach dem Woher nicht selbst beantworten

Der Astrophysiker Prof. Heino Falcke, der durch seine Forschungen an Schwarzen Löchern bekannt wurde und im Jahr 2019 schließlich das erste Bild eines Schwarzen Lochs im Universum der Weltöffentlichkeit präsentierte, wurde kürzlich mit dem renommierten Balzan-Preis zur Ehrung herausragender Wissenschaftler aus den Geistes- und Naturwissenschaften ausgezeichnet. Im Interview mit der Zeitung „Der Standard“ sprach der Professor der Radboud-Universität Nijmegen über sein Interesse an Schwarzen Löchern, über die Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und über das „Unding“ unserer Zeit, wenn Naturwissenschaftler nicht über die Bedeutung ihrer Arbeit hinaus denken.

Die aktuelle Studie zur Kirchenmitgliedschaft zeigte auf, dass die religiöse Bindung und das Vertrauen der Menschen in die Kirchen in Deutschland weiter abnehmen und zum Teil durch eine Art Wissenschaftsgläubigkeit kompensiert wird. In einem Kommentar bei SWR1 titelte der Journalist Ulrich Pick dazu mit der Headline „Weniger Gott, mehr Wissenschaftsgläubigkeit“, was er wie folgt weiter beschrieb: ‚Das Weltbild der Deutschen wird stärker als je zuvor durch Wissenschaftsgläubigkeit oder jedenfalls einen nüchternen Rationalismus bestimmt, und ihr Horizont richtet mehrheitlich auf das rein Weltliche.‘

Damit beschreibt Pick ein Phänomen unserer Zeit, dass sich einige Menschen von der Naturwissenschaft, die das Wie des Universums beschreibt, eine Antwort auf das Woher erhoffen. Im Sommer 2022 stellten wir dem Astrophysiker Harald Lesch im PG-Interview die Frage, was er aus naturwissenschaftlicher Sicht zur Frage, was vor dem Urknall war, sagen könne. Darauf antwortete er nüchtern „Kein Ahnung!“ und erklärte anschließend die Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis. In diesem Interview kamen wir auch auf Heino Falcke zu sprechen (siehe Einbettung unten), der bei der Frage nach dem Woher wie Harald Lesch an einen Schöpfer glaubt und sich zum christlichen Glauben bekennt.

Im Standard-Interview wurde nun Heino Falcke auch mit der Frage konfrontiert, was wohl hinter dem Universum liege. Der Astrophysiker machte deutlich, dass es sich hierbei um eine meta-physische Frage handelt. Dazu betonte er:

„Da kommen wir dann zu den großen, auch theologischen Fragen: Wo kommt das Universum her? Wo gehen wir hin? Die Physik wirft diese Fragen auf, sie wird sie aber nicht selbst beantworten können.“

In einem früheren Interview teilte Falcke gar die Überzeugung mit, dass seiner Meinung nach gottlose Physik nicht möglich sei. Darauf angesprochen, wie sich sein Glaube mit Hard Science vereinbaren lasse, gab Heino Falcke gegenüber dem Standard zu bedenken:

„Viele große Physiker, auf denen unsere heutigen Erkenntnisse basieren, waren tiefgläubige Menschen.“

Zuvorderst verwies er dabei auf George Lemaître, dem Begründer der Urknalltheorie, der Astrophysiker und katholischer Priester! war. Wenn Menschen heute meinen, dass sich Glaube und Naturwissenschaft ausschlössen, gibt Heino Falcke zu bedenken:

„Der Gedanke, dass Naturwissenschaft und Physik überhaupt nichts mit Glaube oder Theologie zu tun haben können, ist ein Unding der heutigen Zeit.“

Mit Blick auf den Erkenntnisbereich der Naturwissenschaft betonte der 57-Jährige weiter:

„Wenn ein Physiker, der natürlich die materiellen Dinge beschreibt, nicht darüber hinausdenkt, über die Bedeutung seiner Arbeit in einem philosophisch-theologischen Kontext nachdenkt, beschneidet er sich selbst.“

Um diesen Diskurs wieder in Gang zu bringen, plädiert Falcke dafür, in der akademischen Welt „über Gott zu reden als Ursprung von allem“ und zwar „ganz entspannt und unabhängig von der Glaubensrichtung“. Er würde sich daher wünschen, „dass sich Philosophen und Theologen auch wieder mehr an die Physik heranwagen und umgekehrt“, resümierte Falcke.

 

Im März 2023 erklärte Heino Falcke im Podcast „Gott im Gespräch“, dass Grenzen fundamentale Teile der Erkenntnis moderner Physik seien. Dazu schilderte der preisgekrönte Astrophysiker:

„Die Grundfrage ‚Wo kommt alles her?‘ kannst du wissenschaftlich gar nicht beantworten. Keine wissenschaftliche Schöpfungsgeschichte beginnt bei null oder mit nichts. Du fängst vielleicht an mit einem Quantenschaum im Vakuum, der da hin und her fluktuiert in kleinsten Skalen, oder du beginnst mit den Naturgesetzen, die dann aus ‚beinahe nichts‘ etwas erschaffen. Dann kannst du agnostisch sagen: ‚Woher die kommen, kann ich nicht beantworten.‘ Ich glaube als Christ an Gott, den Schöpfer.“

Zu seinem Gottesbild ließ Heino Falcke wissen, dass Gott für ihn Liebe ist, die ihm ganz persönlich gelte. Diese Erfahrung habe er im Alter von 14 oder 15 Jahren gemacht, woraus sich ein Prozess entwickelte, der ihn bis heute begleite. In seiner Kirchengemeinde in Frechen arbeitet er heute als ehrenamtlicher Predigthelfer mit. Er sei wie ein Pfarrer ordiniert und gestalte Gottesdienste, Trauungen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Dabei erfahre er „immer wieder, wie wertvoll es ist, Menschen etwas zuzusprechen und sie im Namen Gottes zu segnen“.

Quellen: standard.de, balzan.org, swr.de, katholisch.de, kmu.ekd.de, jesus.de

Anbei der Facebook-Post von Heino Falcke vom 6. November 2023 zu unserem Interview mit Harald Lesch: