Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher: „Wir sind alle als Kinder Gottes geboren“

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Inge Auerbacher ist eine US-amerikanische Chemikerin deutscher Herkunft. Die heute 87-Jährige wuchs als einziges Kind in einer strenggläubigen jüdischen Familie auf und verbrachte ihre Kindheit in Jebenhausen und Göppingen. Als Siebenjährige wurde sie im August 1942 mit ihren Eltern in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wohin sie ihre Puppe mitnahm. Nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 kam ihre Familie zunächst in ein DP-Flüchtlingslager in Stuttgart und kehrte dann für kurze Zeit nach Göppingen zurück. Im Mai 1946 wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus und ließ sich in New York nieder. Ihre Erfahrungen als Überlebende des Holocaust verarbeitete sie in mehreren Büchern. Ihre Autobiografie „Ich bin ein Stern“ wurde in acht Sprachen übersetzt.

Bei einer Gedenkstunde im Deutschen Bundestag am internationalen Holocaust-Gedenktag appellierte Inge Auerbacher am 27. Januar 2022 an die Menschen, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen. Dazu erklärte sie:

„Leider ist dieser Krebs wieder erwacht, und Judenhass ist in vielen Ländern der Welt, auch in Deutschland, wieder alltäglich.“

Die Holocaust-Überlebende schilderte das unvorstellbar Erlebte. Mit ihrem „Herzenswunsch“ beendete sie ihre Rede. Dazu sagte sie:

„Menschenhass ist etwas Schreckliches. Wir sind alle als Brüder und Schwestern geboren. Mein innigster Wunsch ist die Versöhnung aller Menschen.“

Und weiter:

„Wir sind alle als Kinder Gottes geboren. Für Einigkeit und Frieden öffnen sich die Tore.“

Um die Vergangenheit nicht zu vergessen, forderte sie zum Gebet „für Einigkeit auf Erden“ auf.

Dass sie ihren Glauben an Gott trotz der schlimmen Erfahrungen im KZ nicht verloren hat, erklärte Inge Auerbacher bereits in vergangenen Vorträgen, wie etwa am Ohm-Gymnasium Erlangen. Bei ihrer aktuellen Rede im Bundestag berichtete die 87-Jährige vom Neubeginn ihrer Familie in den USA, wo sie „aus dem Traum bald geweckt“ wurde, als in ihren beiden Lungen Tuberkulose infolge der Lebensumstände im KZ festgestellt wurde. Inge Auerbacher schilderte, dass sie sich in dieser Zeit wie folgt an Gott wandte:

„Ich betete zu Gott: Bitte lass mich nicht sterben, ich will leben!“

Dass damals Streptomycin, das erste Antibiotika gegen Tuberkulose, erfunden wurde und sie dadurch überlebte, bezeichnet sie rückblickend als „Wunder“. Auch aufgrund dieser Erfahrungen studierte sie Chemie an der Universität und arbeitete insgesamt 38 Jahre als Chemikerin in medizinischer Forschung und klinischer Arbeit.

In der ZDF-Sendung ‚Markus Lanz‘ berichtete Inge Auerbacher einen Tag vor ihrer Rede im Deutschen Bundestag, dass sie selbst die Gräueltaten, die sie miterlebt hat, nicht vergeben könne. Dazu erklärte sie:

„Denen, die die bösen Sachen gemacht haben, die Erschießungen und wo das Gas reingemacht wird, den richtigen Tätern kann ich nie vergeben. Da gibt es eine andere Instanz. Der liebe Gott kann das machen, aber nicht ich.“

Mit Blick auf das, was ihrer Meinung nach wirklich wichtig im Leben ist, betonte die Bio-Chemikerin bei Markus Lanz:

„Ich glaube, was am wichtigsten ist für den Mensch: Keinen Hunger zu haben und Freiheit. Das ist sehr wichtig für jeden Mensch.“

Wie ein Leben ohne Hass und mit Respekt gegenüber dem Anderen gelingen kann, erlebt Inge Auerbacher in ihrem Umfeld in den USA, wo sie im multi-ethnischen Stadtteil Queens in einem Reihenhaus wohnt. Im Interview mit der Rheinischen-Post berichtete die 87-Jährige:

„Auf der einen Seite lebt eine fromme muslimische Familie aus Bangladesch, auf der anderen Seite eine Hindu Familie aus Britisch-Guayana, in einem anderen Haus wohnen Christen.“

Und weiter:

„Wir sind wie eine Familie. Wenn man sich kennt und kennenlernt, gibt es keinen Hass.“

Quellen: bundestag.de, sueddeutsche.de, wikipedia.org, merkur.de, rp-online.de

Die Rede von Inge Auerbacher im Deutschen Bundestag zum Nachlesen gibt es

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Einen Video-Bericht zu Inge Auerbachers Rede gibt es

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